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Gerhard Geiger:
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Noch um die Jahrtausendwende war der südliche
Schwarzwald ein von altbesiedeltem Gebiet
umgebener, unkultivierter Raum, und erst nach
und nach wurden entlang der Gebirgsflüsse
kleine Ausbausiedlungen in die damals noch
geschlossenen Waldflächen vorgetrieben. Neben
den frühen Benediktinerklöstern, die damals die
Hauptlast der kolonisatorischen Erschließung des
südlichen Schwarzwaldes trugen, waren es verschiedene
Kräfte — Bergleute, Köhler, Glasmacher
, Gerber und „Harzleser" —, die als
Träger des Rodungsprozesses auftraten.
Der Glasmacher
Wenden wir uns zunächst den Glasmachern
zu. In der Einöde hatten sie ihre Glashütte
errichtet. Hier hatte man größere Freiheiten und
war auch an das Gemeinderecht nicht gebunden.
Das benötigte Holz war ausreichend vorhanden,
da die Verwitterungsböden des kristallinen
Gesteins den Wald wuchs begünstigten; die Pottasche
konnten sie im Walde sieden. Noch die
Glasmacher des Mittelalters hatten keinen festen
der Name erinnert noch an ihn. Sein Beruf ist
in den ländlichen Gegenden, aus denen er einst
kam, ausgestorben. Am fließenden Wasser hatte
er sich angesiedelt. Die Gerbmaterialien, die Lohrinden
, die er benötigte, lieferte ihm der nahe
Wald. Auf Schlitten oder Handwagen brachte
der Gerber die Fichten- und Eichenrinden in das
Tal hinunter. Dort wurden die im Frühjahr von
jungen Bäumen abgeschälten Rinden dann auf
langen Stangengerüsten zum Trocknen aufgestellt
. Zu Hause wurden die gerbstoffhaltigen
Rinden gemahlen und das „Lohmehl" dann im
Gerbeprozeß verwendet.
Sein Gewerbe war zusammen mit dem des
„Harzlesers", des Aschenbrenners und des Glasmachers
eines der ersten, die das Zeitalter der
technischen Revolutionen zugrunde gerichtet
hatte. Waren es noch um die Jahrhundertwende
die kleinen Betriebe in den Städtchen am
Schwarzwaldrand, durch deren Konkurrenz der
Gerber seinen Beruf allmählich aufgeben mußte,
so sind es heute die großen Lederfabriken, die
seine Aufgabe übernommen haben.
Der Kohlenmeiler im Münstertal
Wohnsitz. Waren die Holzvorräte in einer Gegend
erschöpft, so zogen sie weiter. Nur wenigen
Familien waren die Künste der Glasherstellung
vertraut.
Der Gerber
Wie den Glasmachern, die heute aus unseren
Wäldern verschwunden sind, war es auch dem
Gerber ergangen. Noch heute gibt es in manchen
Schwarzwalddörfern eine „Gerbi"; die Bewohner
des Hofes nennt man ,,s' Gerbers". Aber lediglich
Der letzte Köhler des
Schwarz waldes
Fährt man gelegentlich
im Münstertal durch die
Münsterhalde zum Haldenhof
hinauf, so sieht man
sich dort, wo sich das Tal
mehr und mehr verengt,
kurz vor der „Chlemme",
auf einem an der Straße
gelegenen Platz einem
merkwürdig aufgeschichteten
„Holzstapel" gegenüber.
Wir hielten an und gingen
zu dem ,Kohlhufe* hinüber,
wie die Leute den letzten
Kohlenmeiler des Schwarzwaldes
nennen. Ist man mit
den heute recht wirklichkeitsfremden
, aus alten Erzählungen
entlehnten Vorstellungen
vom Köhler, den
Kohlknechten oder wie immer
man sie auch nennen
mochte, in dieses Seitental
gefahren, so ist man vielleicht
zunächst etwas enttäuscht. Wie schnell
wurde doch unser buntes, so zusammengetragenes
Bild vom Leben eines Köhlers umgestoßen
, denn das Handwerk des Köhlers ist
heute ein Gewerbe, dem jede Romantik fremd
ist. In den früheren Jahrhunderten verbanden
sich mit dem Wort „Köhler" für den Außenstehenden
Vorstellungen von einem finsteren, in
der Einsamkeit der weiten Wälder eigenbröd-
lerisch gewordenen Menschen, und nicht ohne
Scheu begegnete man dem Köhler, der in den
dunklen Tannenwäldern zu Hause war. Etwas
Foto: Geiger
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