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Im Winter holte man Holz in den verschneiten
Wäldern. Im Frühjahr begann das Pflügen.
Wenn wir Heu holten auf den heißen Sommer-
wietsen, dann wurde das „Briiii" mit Bremsenöl
bestrichen. Außerdem schnitten wir eine belaubte
Haselgerte, die Bremsen zu verjagen. Wenn man
an den steilen Bergäckern das Korn holte, kam
es mehr als einmal vor, daß der hochbeladene
Wagen umkippte. Daran war freilich nicht das
Rößlein schuld, sondern die bösen Wege.
So zahm und gut 'das Tier sonst war: Angst
hatte es vor großen Fässern und vor der Eisenbahn
. Wenn in den Hof der Brauerei große
Fässer gerollt wurden, ergriff er das Hasenpanier
. Und wenn am Löffinger oder Rötenbacher
Bahnhof der Zug einlief, mußte der Vater absteigen
und das Rößlein festhalten.
Nachdem der Vater die eigene Brauerei aufgegeben
hatte, spannte er wöchentlich einmal
das „Briiii" an das grüne Bierwägele, um in
Friedenweiler Bier zu holen. Mitfahren zu dürfen
, war eine große Freude: durch die Wälder
des Schwarzwaldes, in die alte Klosterbrauerei,
durch Wälder, die berühmt waren durch die
herrlichsten Preißelbeerschläge der Gegend. Im
Braustüble wurde schäumendes Bier kredenzt,
soviel man nur wollte.
Um die Zeit des Nikolaüs fuhr der Vater mit
uns nach Lenzkirch zum Vetter Jakob, der uns
zugleich Götti war. Das war eine ebenso abenteuerliche
wie gefährliche Reise. Vom Stall-
eggerhof führte der Weg dachgäh hinunter zur
Wutach. Da mußten alle Mitfahrer aussteigen
und bremsen helfen. Schön war es, über die
gedeckte Wutachbrücke zu fahren und dann
durch das „Saatfeld", wo im Sommer die Himbeeren
reiften, vorbei an der Löffelschmiede gen
Unterlenzkirch, an der Brauerei Rogg vorbei ins
alte Schwarzwälder Uhrenstädtchen. Was gab es
im Laden des Vetters Jakob nicht alles zu sehen.
Da wurden wir mit Schulranzen beschenkt, auf
die ein Pferd gestickt war, mit Griffeln, um-
Der Ton im Flötenrohr,
er ist da,
unhörbar,
er bedarf nur des Atems,
der ihn belebt,
und horch, er steigt aus der Stille.
Das Gute im Menschenherz,
es ist da,
unwägbar,
es braucht nur der Liebe Hauch,
der es belebt,
und sieh, es verwandelt die Welt.
Max Rieple
wickelt mit buntem Papier, mit Schreibtafeln,
mit Schwämmen und gelbbraunem Filz.
Um die Allerseelenzeit fuhr der Vater mit
uns nach Ewattingen, ins Dorf der Vettern und
Bäsle, an die Gräber der Großeltern. Das „Briiii"
wußte genau, wo der Vetter Martin wohnte,
unterwegs kannte es die Wirtshäuser, wo man
einkehrte. Wenn es dem Ziel entgegenging, verdoppelte
es den Schritt. Es wußte, daß es gut
gefüttert wurde im Dorf der Vettern.
Kam der Winter, so fiel es dem Vater ein,
den bunt bemalten Chaisenschlitten aus dem
Schopf zu holen, unser Rößlein einzuspannen
und mit Schellengeläut mit uns Kindern nach
Reiselfingen, Seppenhofen oder Löffingen zu
kutschieren. Auch hier kannte das Rößlein jede
Einkehr im voraus. Im „Sternen" zu Reiselfingen
oder in der Linsimühle gab es Wein und frische
Wecken.
An die dreißig Jahre ist es alt geworden, das
gute Rößlein, das an einem Auge erblindet war.
Längst ist es tot, wie auch der Vater. Aber man
kann das „Briiii", das uns die Jugendzeit verkörpert
, nie vergessen.
Fritz Fischer:
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Rani Oeitt) unb Gilbert (Jifele begingen itjren 70. ®eburtetag
In der „Mappe meines Urgroßvaters" erzählt
Adalbert Stifter, daß von der Lebensart und
-weise dieses Urgroßvaters sich nach dessen Tode
noch lange Bruchstücke im Munde der Leute
erhalten hätten; „aber die Bruchstücke schmolzen
wie Eisschollen, die im Strom hinab schwimmen,
zu immer kleineren Stücken, bis endlich der
Strom der Überlieferungen allein ging, und der
Name des Geschiedenen nicht mehr in ihm war."
Das Schicksal eines Einzelnen! Nicht anders ginge
es aber mit dem Schicksal der Heimat, wenn es
nicht Menschen dieser Heimat gäbe, die deren
Werden, Sein und Vergehen ihre Hingabe, ihr
Können, ja ihre Liebe widmeten. In mühevoller
Kleinarbeit tragen sie Stein um Stein zur Geschichte
der Heimat zusammen, ohne auf äußerliche
Erfolge zu sehen; nur durch ein inneres
Gerufen r- Werden angetrieben zu diesem Dienst.
Es ist ein Dienst in der Stille, von dem nur der
dann und wann einmal einen Einblick erhält,
der in die Arbeitsstube eines solchen Heimatforschers
tritt, in der sich vergilbte Akten und
Folianten zu Bergen türmen. Dem Ergebnis des
Forschers ist nicht anzumerken, wie lang und
steinig der Weg gewesen ist, der zum Ziel geführt
hat. Ein Ungeduldiger würde es nie erreichen
.
Die Markgrafschaft kann zweier solcher Heimatforscher
gedenken, die beide im Dezember
vergangenen Jahres ihren 70. Geburtstag begehen
konnten: Karl Seith und Albert Eisele. Es
ist gewiß kein Zufall, daß beide in der „Arbeitsgemeinschaft
zur Pflege der Geschichte des
Markgräflerlandes" sich begegneten und seit
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