Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1961-03/0009
Rhin6). Das 1830 entstandene Bürgerkönigtum
Louis Philipps hatte nach nahezu 18jähriger, auf
das gebildete und besitzende Bürgertum gestützten
Herrschaft, im Februar des Jahres 1848 den
mit dem Arbeitertum heraufkommenden neuen
Volkskräften weichen müssen. Louis Napoleon,
ein Neffe Napoleons I., konnte sich an die Spitze
der Zweiten Republik stellen.

Wie sollte man in dieser bewegten Zeit eine
raschere Antwort erwarten können? Über das
neue Schriftstück hat der gleiche Schreiber
„Republique frangaise. Liberte, Egalite, Frater-
nite" geschrieben. Der Text wird entschieden
länger. Man hat mit republikanischem Schwung
den Fall untersucht. Der Präfekt stellt fest, daß
seinen Ottmarsheimer Bürgern Unrecht geschehen
sei. Er schlägt vor, Größe und Wert des
beanspruchten Grundstücks zu ermitteln und
den Privateigentümern ein anderes entsprechendes
Grundstück zum Austausch anzubieten. Der
Gemeinderat von Ottmarsheim lehnt grundsätzlich
ab, weil er dann das von Neuenburg
empfangene Geld wieder zurückgeben müßte, das
er voraussichtlich nicht mehr besaß. Er will aber
auch kein gemeindeeigenes Grundstück dafür
austauschen und versucht ein Ablenkungsmanöver
. Besteht nicht die Möglichkeit, daß die
Grenzberichtigungs-Kommission überhaupt nicht
die Altstockete, sondern eine andere in der Nähe
liegende Insel der Stadt Neuenburg zugewiesen
habe? So wird die Vornahme eines Augenscheins
vorgeschlagen. Darüber kann man mindestens
ein Jahr lang korrespondieren.

Deutscherseits ist man bereit, diesen Vorschlag
anzunehmen. Im nächsten Monat war die
alljährliche Untersuchung des Rhein - Talweges
nach Vorschrift des § 3 des Staatsvertrages vorzunehmen
. Bei dieser Gelegenheit könnten die
Hauptleiter der damaligen Grenzberichtigung,
Major Scheffel von Karlsruhe und Oberingenieur
Couturat von Straßburg die Rechtsfrage entscheiden
.

Währenddessen schlägt die Welle der Revolution
auch über Deutschland hin. In blutigen
Barrikadenkämpfen wird in Paris der Aufstand
der Arbeiter niedergeworfen. An die Stelle des
Rechts trat die Gewalt.

Die Arbeit der Kommission fand jedoch keine
Verzögerung. Am 20. Oktober 1848 unterzeichnen
die beiden Kommissare ein französisch abgefaßtes
Protokoll. Man war äußerst korrekt, in
dieser Zeit der Gewalt wohltuend gerecht vorgegangen
. „On entendu, sur les bords du Rhin,
ä leur passage, le 17 du courant, les dits habi-
tants ainsi que le Maire d'Ottmarsheim et le
Burgermeister de Neuenbourg" 7). Der Bürgermeister
von Ottmarsheim trug seine Ansicht vor
und suchte sie durch eine Karte vom Jahre 1780
zu belegen. Auf dieser Karte war neben der
Altstocketen eine kleine Insel eingezeichnet, von
der nun der Maire behauptete, sie sei es gewesen
, die man an Neuenburg verkauft habe. Auf
der Karte von, 1820, welche der Grenzfest-
setzungs-Kommission als Grundlage gedient hatte
, ist diese Insel nicht mehr verzeichnet. Somit
war bewiesen, daß sie „n'a pas pu etre comprise
dans leurs calculs d'echange et de compensation

et n'a pu, des-lors, etre attribuee ä la ville de
Neuenbourg"8). Es sei zu bedauern, daß die Eigentümer
nicht sofort ihre Ansprüche geltend gemacht
hätten. Doch könne in diesem Versäumnis
kein genügender Grund für eine Enteignung
gesehen werden. Auf der anderen Seite könne
aber der Stadt Neuenburg eine Herausgabe des
Geländes nicht ohne eine von Rechts wegen zustehende
angemessene Entschädigung zugemutet
werden. „Es bleibt unter diesen Umständen kein
anderes Auskunftsmittel..., nämlich entweder
die Ottmarsheimer Privaten oder die Gemeinde
Neuenburg für ihre Eigentumsansprüche mit
Geld zu entschädigen."

Die Ottmarsheimer Bürger weigerten sich
entschieden, das Gelände herauszugeben. Major
Scheffel kannte ihre Gründe hierfür als nicht
verwerflich an, ohne sie uns zu nennen. Die
Gemeinde Neuenburg war des Streites überdrüssig
. „Der Wunsch der Gemeinde Neuenburg,
den obwaltenden Grenzstreit auf die eine oder
die andere Art beendigt zu sehen, bestimmten
den Bürgermeister und einige Gemeinderäthe,
ihrer Seits eine billige Geldentschädigung für die
den Ottmarsheimer Privaten zu überlassende
Fläche nicht weiter von der Hand zu weisen."

Damit wurde es bis zum Jahre 1852 still um
die Angelegenheit. Da griff das Bezirksamt den
Entschädigungsanspruch wieder auf. Die Regierung
des Oberrheinkreises schickte ein längeres
Schreiben nach Kolmar, in welchem sie den. ganzen
Fall mit großer Geduld nochmals darstellt
und in aller Höflichkeit den Herrn Präfekten um
Auskunft bittet, was für besondere Schritte noch
zu tun seien, um endlich die Entschädigungssumme
festgesetzt und ausbezahlt zu erhalten.
Der Präfekt gibt als Verzögerungsgrund an, daß
Ottmarsheim noch keinen authentischen Plan
vorgelegt habe, aus welchem die Grenzen des
zurückgegebenen Gebietes ersichtlich seien. Er
sei in Ottmarsheim vorstellig geworden.

Am 2. Dezember 1852 wurde der Präsident
der Republik, Louis Napoleon, zum Kaiser9) gewählt
. Die Staatsform wechselte vom Königreich
über die Republik zum Kaiserreich; die Angelegenheit
der Altstocketen blieb bestehen. Der
Weg von Ottmarsheim über Kolmar nach Paris
war weit. Die Angelegenheit brauchte weitere
elf Jahre, bis sie dort anlangte. Sie hat sich im
Text der gewechselten Schreiben sehr jugendfrisch
erhalten.

Am 1. August 1862 schreibt Freiburg an den
Präfekten: „Ich erlaube mir, Euer Hochwohl-
geboren mein Ersuchen vom 13. April 1852 in
gefällige Erinnerung zu bringen, damit die Gemeinde
Neuenburg endlich zu ihrem wohlbegründeten
Rechte komme." Am 11. September
1862, am 1. Oktober und am 15 Dezember wiederholt
die Regierimg des Oberrheinkreises unentwegt
die gleiche Mahnimg, ohne eine Antwort
zu erhalten.

Nun endlich wendet sich Freiburg am 24. 2.
1863 an die Regierung in Karlsruhe und bittet
um Einleitung diplomatischer Schritte in Paris.
Das Ministerium des Großherzoglichen Hauses
und der auswärtigen Angelegenheiten meldet
dem Ministerium des Innern, „daß die Großh.

7


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1961-03/0009