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Gesandtschaft in Paris... beauftragt ist, bei der
Kaiserl. Französischen Regierung auf Erledigung
der erhobenen Reclamation zu dringen."
Nach wiederholten Erinnerungen bei der
kaiserlichen Regierung teilt das Ministerium des
Auswärtigen dem Innenministerium am 4. Febr.
1864 mit, „daß die Großh. Gesandtschaft in Paris
immer noch einer Eröffnung der Kaiserlich Französischen
Regierung in dieser Angelegenheit entgegensieht
und wir nicht ermangeln, dieselbe um
Beschleunigung derselben anzugehen." Endlich
erklärt der französische Minister des Äußern am
5. März, daß nach Berichten der kaiserl. technischen
Behörden der badischen Gemeinde Neuenburg
allerdings eine Entschädigung gebühre. Die
Bestimmung dieser Entschädigung solle in einer
zu Karlsruhe von beiderseitigen Bevollmächtigten
abzuhaltenden Konferenz beraten und festgesetzt
werden. Von französischer Seite sollte der
Oberingenieur für die Rheinbauten Coumes, von
deutscher Seite der Direktor des Wasser- und
Straßenbaus Baer mit der Arbeit beauftragt
werden.
Über all diesen Verhandlungen zieht das Jahr
1865 herauf. Außenminister Roggenbach kann
endlich dem Innenministerium den Abschluß
eines Vergleichs mitteilen, den Neuenburg anzunehmen
bereit ist. Die Sachverständigen anerkannten
den vorteilhaften Ausgang der Sache
für den badischen Teil. Diese Tatsache dürfte
maßgebend sein, „um die Genehmigung des Vergleichs
Allerhöchsten Orts zu beantragen." Der
Vergleich war am 19. Juli 1864 in Karlsruhe
unterschrieben und am 25. Februar 1865 durch
den Landesherrn genehmigt worden. Am 10. Mai
gab auch die kaiserliche Regierung ihre Zustimmung
.
Dieser Erklärungsaustausch wurde als Ratifikation
des Vergleichs betrachtet. Endlich am
3. Juli 1865 gibt das Ministerium des Äußern
bekannt: „Gr. Ministerium des Innern haben wir
bezüglich auf unsere Mittheilung vom 17. Mai
ds. Js. Nr. 2245 zu eröffnen die Ehre, daß die
Ksrl. Französische Regierung die nach dem Vergleiche
vom 19. Juli 1864 festgesetzte Summe
von sechstausend Francs an die Gr. Gesandtschaft
in Paris auszahlen hat lassen und übersenden
wir Wohldemselben in der Anlage die Summe
mit 2800 fr zur gefälligen Ausfolgung an die
Berechtigten und geneigter Empfangsbescheinigung
." Am 12. Juli 1865 quittiert Gemeinderechner
Kößler von Neuenburg den Empfang der
Entschädigung.
Damit fand die Beharrlichkeit ihren Lohn.
Um die Akten hierüber endgültig schließen zu
können, beantragt Neuenburg die Änderung der
Rheingrenzkarte. Dieser Exaktheit will das Ministerium
des Innern nicht nachstehen und verlangt
, sämtliche Änderungen seit 1840 zu berücksichtigen
.
Hier schließt das Kapitel. Ein unerfreuliches?
Nein, es rundet sich, die Frage nach dem Recht
findet ihre befriedigende Lösung, wenn auch
nach langer Zeit. Was will dies im Leben der
Völker bedeuten!
Staaten leben im allgemeinen länger als Regierungsformen
und Regierende, allerdings auch
als die Regierten. Doch lösen neue Generationen
die alten ab.
Fußnoten zu: „Von verschiedenem Recht"
1. Generallandesarchiv Karlsruhe Abt. 23614743 (Ministerium
des Innern): „Die Eigenthums Ansprache der
Gemeinde Neuenburg auf die Rheininsel Altstocketen"
1846/62,
ebenso Abt 236/4744 1863/66,
ebenso Abt. 236/13 810 (Handelsministerium).
2. „Ich werde ihn auffordern seine Antwort zu beschleunigen
und sobald ich sie erhalten habe, werde ich
mich beeilen, sie Ihnen zur Kenntnis zu bringen".
3. Benediktinerinnen-Abtei, um 1045 gegründet von Ro-
dolph von Altenburg, einem Sohn Lanzelins. Ottmarsheim
war altes Stammgut der Habsburger und Mittelpunkt
ihrer elsässischen Besitzungen. Durch Papst
Leo IX. eingeweiht; war direkt dem römischen Stuhl
unterstellt. Schon im 12. Jahrhundert in ein Adliges
Damenstift umgewandelt. Wallfahrt zum hl. Quirinus.
In der französischen Revolution aufgehoben und zum
Nationalgut erklärt. 1848 Gründung eines neuen Klosters
der Benediktinerinnen von der ewigen Anbetung
. Die Kirche ist eine etwas verkleinerte Wiederholung
der Pfalzkirche Karls des Großen in Aachen.
(Nach „Ottmarsheim, Geschichte und Kunst der ehemaligen
Abteikirche" von Paul Stintzi.)
4. der bewaldeten Insel.
5. der Bittsteller.
6. Kommission für die Festsetzung der Rheingrenze.
7. „Man hörte am 17. d. Mts. am Rheinufer an Ort und
Stelle die besagten Einwohner sowie den Bürgermeister
von Ottmarsheim und den Bürgermeister von
Neuenburg."
8. daß sie „nicht in ihrer Austausch- u. Entschädigungs-
Berechnung hat verstanden sein und deshalb der
Stadt Neuenburg auch nicht hat zugewiesen sein
können."
9. als Kaiser Napoleon III.
L. (3. Höintec - ein baMfdjer ©taatömann bec ^iebecmeiecgei't
In den Jahren, da sich die Erhebung des
Marktfleckens Müllheim zur Stadt vollzog, wuchs
in der ehemaligen Landeshauptstadt Karlsruhe
im Schöße der Regierung eine junge Persönlichkeit
heran, welche das Schicksal dazu ausersehen
hatte, mit starkem Arm in die innerpolitischen
Kämpfe des jungen Bürgertums um die in der
Frankfurter Bundesverfassung ihm versprochenen
Rechte einzugreifen: Ludwig Georg Winter.
Im Pfarrhaus der Diasporagemeinde Prechtal
am 18. Januar 1778 geboren und bereits im
frühesten Kindesalter verwaist, kam der Knabe
nach Müllheim in die Familie seines Onkels, der
lange Jahre hier als Lehrer tätig war. Das erste
Rüstzeug für seinen späteren Beruf erhielt er in
unserer damaligen Lateinschule, die er nach
siebenjährigem Besuch mit dem Zeugnis „Mag-
nam de se praebet spem" (berechtigt zu großen
Hoffnungen) 1792 verließ. Nach der Absolvierung
des Karlsruher Lyzeums und dem Studium der
Rechts- und Staatswissenschaften in Göttingen
trat er in den badischen Staatsdienst, wo ihn,
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