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v. Blittersdorf
Winter
v. Rotteck
von Staatsrat Brauer empfohlen, Innenminister
v. Berstedt 1803 als Sekretär in das Geheimrats-
Kollegium und bald nachher auch in den Oberkirchenrat
berief. Die Jahre des Außendienstes
verbrachte er bei der Armee-Intendantur, dann
als Amtmann in Durlach und Kreisdirektor in
Heidelberg. Als 1817/18 weite Teile des Großherzogtums
infolge Mißernten unter Teuerimg
und Hungersnot zu leiden hatten, beauftragte ihn
sein Landesfürst, an Ort und Stelle für die Linderung
des schlimmsten Elends zu sorgen.
Das ein Jahrzehnt zuvor durch die Gunst
Napoleons aus 125 Territorien neuerrichtete
Bundesland Baden zählte damals 1,5 Millionen
Einwohner. Um sich deren Vertrauen zu verschaffen
, versprach ihnen Großherzog Karl (1811
bis 1818) eine Verfassung. An ihrem Entwurf
war auch Ministerialrat Winter beteiligt. Am
22. August 1818, wenige Monate vor Karls Tod,
wurde sie veröffentlicht. Zu Beginn des folgenden
Jahres fanden die Wahlen für den ersten
badischen Landtag statt. Bei seiner Eröffnung
im April 1819 erschien unter den 63 Abgeordneten
auch L. G. Winter und zwar in doppeltem
Auftrag: Einmal als Vertreter der Stadt Durlach,
zum andern als Kommissär der Regierimg. Der
frische liberale Zug, der sich besonders in den
Reden der Freiburger Professoren von Rotteck
und Welcker bei den Debatten über den Staatshaushalt
, die Verwaltungsvereinfachung sowie
Gemeindeverfassung bemerkbar machte, kam
auch seinen Neigungen stark entgegen. Mit der
Berichterstattung über das vom Innenministerium
der Zweiten Kammer vorgelegte Adelsedikt
beauftragt, wandte sich Winter, ohne auf die
Namen der im Kabinett sich befindlichen Standesherren
Rücksicht zu nehmen, nicht nur gegen
den Regierungsentwurf, sondern vor allem gegen
die Frankfurter Bundesakte, die im Artikel 13
vom Staatsbürger sprächen, im folgenden Artikel
aber das Patrimonialverhältnis, d. h. die Polizeihoheit
, die Gerichtsbarkeit wie auch das Zehntrecht
der Grundherren und damit das Weiterbestehen
des Verhältnisses von Herren und
Knechten erlaubten. Das durch die ebenso
scharfe wie entgegengesetzte Stellungnahme des
Freiherrn von Türckheim in der Ersten Kammer
noch mehr aufgebrachte Staatsministerium
erteilte dem Landtag eine allerhöchste Verwarnung
und vertagte ihn auf das ungnädigste.
Daß ein Beamter in solcher Weise öffentlich
gegen seine eigene Regierung aufzutreten wagte,
erregte gerade in diesen Zeiten, in denen die
Entwicklung der noch jungen Ständeversammlungen
ein Gegenstand allgemeinen Interesses
war, das größte Aufsehen in allen deutschen
Bundsländern und Nachbarstaaten. In einem
Bericht an Großherzog Ludwig legte v. Berstedt
weitere Beschwerden seiner Ministerkollegen
über Winter vor. Ja er verlangte sogar die Beseitigung
solchen „Unfugs". Und doch wagte
niemand — abgesehen von einer vorübergehenden
Abordnung als Kreisdirektor nach Freiburg
—, ihn zu maßregeln. Das Ansehen, das
der tüchtige, in der Zusammenarbeit der obersten
Regierungsstellen mit den Ständen fast unentbehrliche
Mann der Verwaltung genoß, siegte
über die Verstimmung.
Von dem im September 1822 wieder einberufenen
Landtag wurde Ministerialdirektor Winter
zum zweiten Vizepräsidenten gewählt. Zu-
oleich erhielt er den Auftrag, die Berichterstattung
über die Beschwerde des Abgeordneten der
Stadt Heidelberg, des Inhabers der dortigen
Buchhandlung Winter, wegen seiner yerf assungs-
widrigen Verhaftung zu übernehmen. Obwohl im
geheimen bekannt wTar, daß diese auf Befehl der
vom Deutschen Bundestag in Frankfurt eingesetzten
Zentral - Untersuchungskommission erfolgte
, sprach der Berichterstatter diesmal der
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