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Es ist schön hier, obwohl „Jupiter pluvius" sich
so heimtückisch zeigt wie noch nie: Grüne Berge
bis auf die höchsten, waldreichen Gipfel mit
Reben bewachsen, blauer lachender Himmel
genug — wenn's nämlich nicht nebelt oder regnet
—, blaugrüne Rheinflüt, hohes wildes Felsgeklüft
von hier bis Istein, drüben im Elsaß der
weite, weite Hartwald, und dahinter in langen
schönen Linien die Vogesen; rechts hinauf der
Jura und die Vorberge der Schweiz; mittendrin
ein auf Felsen thronendes Pfarrschlößlein, aus
Reben, Gärten, Holderbüschen und Nußbäumen
emportauchend, wie ein Büebli, das den Kopf
über den Busch hebt und „Gugguseli" ruft!
„Da läßt sich dichten und träumen!" denkt
Euereiner. Ja, prosit! Keinen Vers! Es ist mir
im Traum nicht eingefallen seit ich hier bin,
Verse zu schmieden.. . Ich kneipe wie Perkeo
und — faulenze! Der Dienst hier ist so leicht,
daß man kaum inne wird, daß man ein Amt
hat. Sonntags Predigt und Christenlehre und in
der Woche zwei Religionsstunden, voilä tout!
So lauf ich in den Reben herum. Ich habe
9 Hufen Pfarreben, suche Jaspis. Schade, daß
man sie nicht im Wasser weich bringt, es gäbe
schönen Schwartenmagen; bummle auf den
Rheininseln herum, gehe nach Rheinweiler oder
Efringen, nach Basel oder Freiburg, schnupfe
Tabak und spalte Holz. Abends, wenn der Blan-
singer Kollege daherrumpelt, hängen wir die
Zunge ins Weinglas in der „Blume", dem schönsten
Wirtshüsli, das Menschenverstand ersinnen
kann... Wer hätte da Zeit zum Versemachen!
Wenn ich hie und da Dich ablösen könnte, nur
eine Stunde Reichsgeld einzunehmen (Geßler
war Bankdirektor), so wäre mein Glück vollkommen
, etwa nur so alle 14 Tage einmal!
Auerbach wird hoffentlich nicht vorbeisausen,
und Euereiner doch auch mal luegen, wo Itter
sind! Die Frau Landvögtene wird z'friede werde,
schick sie emol uf hie. Jetzt chunnt de Blansinger
scho wieder, und us de „Blume" siegt e süeße
Duft!
B'hüeti Gott und e Grueß an die g'streng
Frau Vögtene!
Dein A. H. A. (Anton Hermann Albrecht)
In ebenso humorvoller Art sind auch die anderen
Briefe gehalten, die sich im Besitz von
Fräulein Irmingard Geßler, der Tochter von
Friedrich Geßler, befinden. Voll Trauer freilich
ist der Brief vom 27. Juli 1882, geschrieben nach
Ludwig Auerbachs Heimgang.
Am Kleinkemser Pfarrhaus erinnert eine
Gedenktafel an das Wirken Hermann Albrechts
(1878—1888) in diesem schönen Dorf am Oberrhein
.
Emil Baader:
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Er gehört zum Bild des Frühsommers, wie
die Heckenrose und der blaue Salbei. Schattenspendend
wölbt sich der Holunderbusch über das
Milchhüsli des Schwarzwälder Bauernhofes, er
blüht auch zwischen wogenden Kornfeldern und
an Hängen und Hügeln. Er schmückt mit seinen
cremegelben Blütentellern die Weiher und die
Hohlgassen. Wir finden ihn in Hans Thomas
Landschaftsbildern. Er lebt in ungezählten Kinder
- und Volksliedern, ist er doch ein beliebter
Platz beim Versteckspielen: „Sie sitzen unterm
Hollerbusch, machen alle husch, husch, husch.. "
Er ist auch der Strauch der Liebenden: „Unter
einem Holderbusch gab sie ihrem Schatz ein'n
Kuß!"
Feinen Schneekristallen gleichen die zarten
Blütchen. Wie bezaubernd ist der Duft der Blüte.
Bei unseren Vorfahren hieß der Busch „Holunter
", d. h. Baum der Frau Holle. Im Schwäbischen
nennt man ihn Dolder, in Thüringen
Hülander, in der Eifel Hunnel, am Niederrhein
Flierebom. Viele Orts- und Flurnamen erinnern
an ihn. Im Odenwald gibt es ein Hollerbach, ein
alter Weinberg bei Lahr heißt Holderberg. Die
Bauern beurteilen nach der Holunderblüte die
Rebenblüte. Ist die Holunderblüte üppig und
reich, so wird es auch die Rebenblüte sein.
Unseren Vorfahren war der Holunderbusch
heilig: als Wohnsitz der Hollermutter. Einen
Holderbusch umzuhauen, galt als unheilbringend.
Man scheute sich, das Holderholz zu verbrennen.
Mit Recht nennt man den Busch auch des Bauern
Hausapotheke. Heilkräfte wohnen in Blättern,
Blüten, Beeren und Rinde. Wer um Johanni
Holderküchlein ißt, wird nach altem Volksglauben
das ganze Jahr über nicht krank.
Die Kinder fertigen aus dem Holunderschoß
Knallbüchsen und Wasserspritzen, aus dem Mark
Purzelmännchen, die umgeworfen, immer wieder
auf den „genagelten Einfuß" zu stehen kommen.
Wir können uns 'die deutsche Landschaft nicht
denken ohne den Holunder, Er ist schön wie
ein Volkslied.
Und wieder het der lieb Gott gseit:
„Deck jetz im Immli au sii Tisch!"
Druf het der Chriesbaum Blüete treit,
viel tausig Blüete wiiß und frisch.
Und 's Immli sieht's und fliegt druf los,
früeih in der Sunne Morgeschiin;
es denkt: „Das wird mii Kaffi sy,
sie henn doch chosper Porzelin.
Wie suufer sinn die Chächeli gschwenkt!"
Es streckt sii troche Züngli dry.
Es trinkt und seit: „Wie schmeckt's so süeß,
do mueß der Zucker wolfel sy!"
Aus Hebels: „Das Liedlein vom Kirschbaum"
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