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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1961-04/0004
Im Steigen streiftest du Brombeergerank,
Und Geröll entrollte dem Schritt
Hell prasselnd hinab den Buchenhang;
Ein Bergbach rann und sang und verklang,
Und das Tal deines Aufbruchs entglitt.

Dann klaffte Geklipp, graniten Gestein,
Beblühter, zerklüfteter Hau},
Und der Wind der Höhen drang auf dich ein,
Und es wich der Wald, und du sahst den Rhein
In leuchtend gewundenem Lauf.

Du sahst das Land, der Vogesen Wall,

Der Ebene prangenden Plan

Mit Busch und Baum, und die Dörfer all,

Der Rebenhügel gestuften Fall

In des Abends verklärendem Nahn.

Dich aber trieb es höher empor —
Raubvögel kreisten im Blau —
Du ließest den falterumtaumelten Flor
Der wilden Blumen, der Grillen Chor:
Dich lockte erahnte Schau.

Den Gipfel hinan! — Der Hochwald schwand,

Die Hohe lag kahl im Glast

Der sinkenden Sonne. Du tratest zum Rand,

An der eisernen Brüstung des Turmes die Hand —

Und du sahst:

Nach Süden verebbte des Schwarzwalds Gewog,

Der Berge goldgrünes Meer,

Das schattendurchschluchtet vondannen zog,

Entgegen der Weite unendlichem Sog,

Und der Himmel war rein und leer.

Doch wo der Ferne umdunsteter Saum
In blassem Purpur verhaucht,
Da waren dem weichen Nebelschaum,
Gleich Götterinseln, erschaut im Traum,
Die Alpengipfel enttaucht.

Schneequarzen gezackt und mild überloht

Vom scheidenden Tagesschein,

So schwebten sie, glühend in bleichem Rot,

Uraltes, heiliges Aufgebot,

Entrückt dem irdischen Sein.

Je tiefer der Abendhimmel ward,

Je tiefer glomm ihre Glut.

Dann losch sie aus, und geisterzart

Hat der Firnen Schimmer noch lang sich bewahrt

In des Dunkels samtener Flut.

Du neigtest dich stumm ob solcher Sicht;
Sie dünkte dich sondere Gnade.
Du schrittest — der Wald umstand dich dicht;
Doch im Tal erfunkelte Licht um Licht —
Hinab die gebahnten Pfade.

T)ecltebt in 2!5abentüeüet:

In den Ländern des östlichen Mittelmeers
hatte ich stets die Bougainvillea bewundert, die
mit ihrer rot-violetten Blütenpracht dort ganze
Städte überschüttet. Wie erstaunt war ich, als
der in Badenweiler ansässige Schriftsteller Ernst
Sander, der mit 75 Übersetzungen zugleich einer
der fruchtbarsten Mittler fremden Geistesgutes
ist, mich auf Vorhandensein und Lebensmöglichkeit
der Bougainvillea in dem alten Römerbad
hinwies — auch hier zeigte sich Sander, ein
Gartennarr vom heitersten Schlag, als liebender
Interpret des Fremden, wenn es in diesem Falle
auch auf heimischem Boden gewachsen war.

Ja, Badenweiler ist mittelländisch, mediterran;
neben der Mainau wohl der einzige mediterrane
Platz innerhalb der deutschen Grenzen. Lage,
Klima und Flora geben Badenweiler eine Sonderstellung
.

Ich muß — man vergebe es mir — ins
Schwärmen geraten, wenn ich von Badenweiler
schreibe, weil die milde Luft des Kurorts die
erste war, die ich atmen durfte, und weil an
jedem Busch des Kurparks Kindheitserinnerungen
hängen. Dem Volksschüler, der ich damals
war — die Schule lag im Gebäude der heutigen
Bank — kam Badenweiler den Dimensionen nach
als gewaltige Metropole vor, die „Kaffeemühle"
als endlose Runde und Spaziergänge nach Lip-
burg, Sehringen, Schweighof oder zur Sirnitz als
kleine Weltreisen, so daß ich, als Erwachsener
dorthin zurückkehrend, zunächst über ein Badenweiler
en miniature überrascht war, um bald
den Ort meiner Kindheit neu und noch mehr zu
lieben: denn mit wachsenden Jahren wächst ja
auch der Sinn für das Private, das Intime, das
Badenweiler so wundervoll verkörpert.

Und trotz der ganz intimen Atmosphäre des
Kurbades: Geruch von großer Welt ist dort auch,
mehr als anderswo. Nicht nur durch die Bougainvillea
, die Fächerpalmen, die gepflegten Kuranlagen
und -einrichtungen, das Distinguierte
der älteren, die schnittige Eleganz der neueren
Baulichkeiten — zum wärmsten Klima, das
Deutschland aufzuweisen hat, tritt das Klima
vollendeter Urbanität, das von jeher große Geister
angezogen hat: Tschechow, der kurz vor dem
ersten Weltkrieg im Park-Hotel Sommer seine
letzten Tage erlebte, Rene Schickele, der Deutsch-
Franzose, Annette Kolb, Emil Strauß, und neben
den Geistigen die Gekrönten, zumal die badi-
schenGroßherzöge, die in Badenweiler ihre zweite
, inoffizielle und private Residenz hatten.

Im Hinblick auf die Vorliebe von Potentaten
und Poeten für Badenweiler das Weltbad ein
Klein-Baden-Baden zu nennen, wäre verfehlt und
ungerecht, denn das ehemalige Aquae villae (der
Römername ist freilich umstritten) hat etwas
unverwechselbar Eigenes, das der größere Bruder
an der Oos nicht ersetzen kann: eben das
wohlig Intime oder, um mit Schickele zu sprechen
, das Kammerspielhafte: Badenweiler verhält
sich zu Baden-Baden wie Kammerspiel zu


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