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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1961-04/0015
hinab zum Rhein, von Freiburg bis Basel, Blatt
um Blatt des Bilderbuches schlug Bizer mir auf",
so steht es in seiner „Himmlischen Landschaft",
seinem Hohen Lied auf den „großen... Garten
zwischen Vogesen und Schwarzwald, der so eins
und unteilbar ist, daß die politischen Grenzen
deutlich als eine Fiktion erscheinen. Diese politischen
Grenzen haben ihm viel Kummer bereitet
. Beim Herannahen des Dritten Reiches flüchtete
er an die Cöte d'Azur, wo er mit seiner Frau
bis zu seinem Tode 1940 lebte; sie, die heute in
seinem schönen Haus am Blauenhang mit vitaler
und liebenswürdiger Aufgeschlossenheit sein
Erbe verwaltet, holte ihn nach Kriegsende auf
den Friedhof im stillen Lipburger Tal. Seine
Bücher beziehen aus Paris den weltlichen
Charme, vom Oberrhein das Heimatgefühl und
aus dem eigenen Herzen den Humanismus.
Badenweiler hat ihm neben dem persönlichen •
Andenken, das jene ihm bewahren, die ihn gekannt
haben, auch ein steinernes gebaut: den
Schickele-Brunnen an der Blauenstraße.

Und dann Annette Kolb: ihr Haus liegt neben
dem Schickeies, mit dem Blick hinüber in den
heimatlichen Westen, denn auch sie ist deutsch-
französischen Blutes. Ihre zauberhaft hintergründige
Scheinnaivität und echte Zerstreutheit
ist umschwirrt von zahllosen Anekdoten. In ihren
Werken ist das antiquiert Damenhafte nur eine
Arabeske zum Leben aus alteuropäischer Tradition
. Sie, die Tochter einer Pianistin und Komponistin
, pflegte Musik und schrieb über Musik.
Von ihren deutsch und französisch geschriebenen
Büchern, Romanen und Erzählungen und autobiographischen
Schriften sagte Ernst Sander zu
ihrem 85. Geburtstag, man müsse sich darauf
beschränken, die Engelsmahnung an den Heiligen
Augustinus zu wiederholen: Nimm und lies! Und
er spricht von ihrer unbeirrbaren, tapferen, unsentimental
gläubigen, bisweilen rebellischen
Haltung, einsatzbereit für das, was sie als richtig

erkannt hat, eine Haltung, die sie durch zwei
Kriege hindurch im menschlichen und literarischen
Bereich tapfer demonstriert hat und die
ihr nicht zuletzt den Frankfurter Goethe-Preis,
die Ehrenbürgerschaft von Badenweiler, das Bundesverdienstkreuz
und das Kreuz der Ehrenlegion
eingetragen hat. 1933 verließ sie Badenweiler.

Von diesen dreien hat der allein zurückbleibende
Emil Bizer es vielleicht am schwersten
gehabt, denn er, in der alten Umgebung bleibend,
mußte sehen, wie es in dem Land, das er liebte
und malte, fremd um ihn wurde; zwar erging es
ihm nicht so wie dem im benachbarten Sehringen
lebenden Maler Oskar Schlemmer, den der
Gendarm auf — trockene Pinsel und unbenutzte
Palletten! — kontrollieren mußte, weil die geometrisch
stilisierten Figuren des vom Bauhaus
Herkommenden als entartet galten.

Oft sprach auch in den befreundeten Häusern
Wilhelm Hausenstein vor, der als Redakteur der
alten Frankfurter Zeitung das" Literaturblatt mit
viel politischer Geschicklichkeit lange auf einem
nicht mehr alltäglichen Niveau hielt, indem er
es besonnen durch die Stürme steuerte; einfühlsam
als kunsthistorischer und kunstpädagogischer
Schriftsteller, bekannt als Übersetzer französischer
Lyrik, hat er als erster deutscher Botschafter
in Paris nach 1945 auch vom Geistigen
her die abgerissenen Beziehungen zu erneuern
sich bemüht und dieser dornigen Aufgabe die.
Vollendung eigener Werke, zumal seiner schönen
Selbstbiographie „Lux perpetua" geopfert.
Er war auch Präsident der nach dem zweiten
Weltkrieg gegründeten Gesellschaft der Freunde
Rene Schickeies, in der man sich traf, Vorträge
zu hören und zu halten.

Im Namen des Dichters kamen hier in einem
ausgeweiteten Kreis interessierte Bewohner des
Kurorts und seiner Umgebung — der Kanderner
Keramiker Richard Bampi gehörte natürlich dazu
, — die aUerverschiedensten geistigen Bestrebungen
zu Wort. Eine der ersten Vortragenden
war die alemannische Bauerntochter aus dem
benachbarten Obereggenen, Lina Kromer. Aus
Freiburg kamen die Schriftsteller Franz Schneller
und Eberhard Meckel, die aus dem engen Freundeskreis
der Künstler nicht wegzudenken sind.

In Oberweiler lebte der Schriftsteller Edwin
Krutina, der Beamter gewesen war und in seiner
praktischen Tätigkeit die Anregung zu künstlerischer
Arbeit — lyrischer und romanhafter —
gefunden hatte. Nach dem Kriege holte er als
Geschäftsführer des Verbandes Südwestdeutscher
Autoren diese zu Tagungen in den noch nicht
wieder recht kurfähigen Ort, der sich übrigens
weiterhin stets als Tagungsort bewährt hat: so
trafen sich dort u.a. die Mitglieder des Pen-Clubs
und die der Europa-Union. Krutinas Frau Anni
Mewes, die noch auf den Reinhardt-Bühnen gestanden
hatte und deren Freundschaft mit Rilke
sich in dessen Korrespondenz widerspiegelt, war
erfüllt von Geschichten aus dem Wienerwald und
vom grünen Strand der Spree. Immer wieder war
, ihr schönes Landhaus Treffpunkt von Künstlern
aus aller Welt. Ein Gast ihres Lebens und ihres
Hauses: der Dramatiker Franz Theodor Czokor,
Präsident des österreichischen Pen-Clubs.

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