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2£alla&e vom guten Kat
Geoffrey Chaucer (Übertragen von Georg von der Vring)
Die Menge flieh, leb in Wahrhaftigkeit:
Bewahre dir dein Eigen, sei's auch schmal:
Gewinn zeugt Neid, Erfolg Gehässigkeit;
Geglückter Wurf erzeugt der Welt nur Gall,
Gib dich zufrieden, wie dein Los dir fall;
Verständigen Rat für andre nicht vergiß,
Und Wahrsein macht dich frei, des sei gewiß!
Nicht müh dich ab, was eng, zu machen weit.
Noch traue auf Fortunens rollnden Ball;
Ein schlichtes Tun verbreit't Friedfertigkeit;
Wer streitet, spürt am Leib die spitzige Ahl;
Poch nicht, du irdener Krug, an Stein und Wall;
Dich selbst und andre schirm vor Stoß und Biß;
Und Wahrsein macht dich frei, des sei gewiß!
Was Gott dir schickt, empfang's mit Freudigkeit;
Wer mit der Welt will ringen, kommt zu Fall.
Du findst kein Heim hier, nur Verworrenheit:
Fort, Pilger, fort; auf, Lasttier, laß den Stall!
Erkenn dein Land, blick auf, o Seele, wall
Den hohen Weg durch alle Hinderniss',
Und Wahrsein macht dich frei, des sei gewiß!
Flieh, arme Kreatur, die Schlechtigkeit;
Nicht fürder sei die wüste Welt dein Stall.
Trau Seiner Huld, der in Allmächtigkeit
Aus Nichts dich schuf, doch nicht zum Sklav befahl.
Sei fleißig im Gebet und bet' für all,
Die himmlisch Heil erflehn in Kümmernis;
Und Wahrsein macht dich frei, des sei gewiß!
F. Feßenbecker:
^um ISO.TJobeötag Rani Srtebddje von 3aben
(gest. am 10. Juni 1811)
Einer der beliebtesten Spazierwege innerhalb
der Gemarkung Müllheims ist der zu den sieben
Eichen im Gewann Himmelreich. Im Schatten
ihrer mächtigen Kronen laden drei Ruhebänke
zu einer erholsamen Rast ein. Immer wieder
erfreut sich dabei das Auge an dem längst bekannten
Bild, das beim Blick über die alten und
neuen Dächer der aufstrebenden Kreisstadt sich
ihm darbietet und in seiner Wirkung durch die
Ruhe der Rheinlandschaft und Vogesenhöhen im
Hintergrund noch verstärkt wird. Wenn auf dieser
Anhöhe über dem Tal die Einwohnerschaft
am 100. Todestag des letzten Markgrafen und
ersten Großherzogs von Baden einen Gedenkstein
errichten und vor drei Jahren die alte, vom Wetter
gefällte Karl - Friedrichs - Eiche durch eine
junge ersetzen ließ, so hat sie damit einer geschichtlichen
Persönlichkeit die Beachtung entgegengebracht
, die sie für ihre Bemühungen um
die wirtschaftliche, kommunale und kulturelle
Entwicklung unseres Gemeinwesens während
ihrer 63jährigen Regierungszeit (1748 bis 1811)
verdient hat *).
Ein längerer Blick über die vorgelagerten
Wiesen-, Acker- und Rebfluren hinweg erinnert
den geschichtlich interessierten Beschauer daran,
daß dieser umsichtige und weitblickende Fürst
es war, der gleich nach der Übernahme seiner
Regierungsgeschäfte die verschiedenen Zweige
der Land- und Forstwirtschaft auf die Höhe zu
bringen versuchte, die ihnen nach seiner
physiokratischen Wirtschaftseinstellung zukommen
mußte. Die Einführung der Gutedel-
rebe im Markgräflerland verdient dabei besonders
genannt zu werden. Als junger Erbprinz
hatte er während seines zweijährigen
Studiums an der Akademie zu Lausanne ihre
*) Die „Sieben Eichen" stehen unter Naturschutz.
Vorzüge kennen gelernt. In wenigen Jahrzehnten
schon erwies sie sich als die für unsere
Verhältnisse am besten geeignete Rebsorte, und
neben dem von ihm ebenso stark geförderten
Obstbau ist sie seither eine sichere Grundlage
unseres Bauernstandes geblieben. Noch bis in die
letzte Gegenwart prägten die damals errichteten
stattlichen Bürgerhäuser und fränkischen Hofanlagen
das Gesicht unserer Stadt. Vom Wohlstand
der Handwerker in jenem Zeitabschnitt
zeugen heute noch neben den Zunftordnungen
die kunstvoll geschmiedeten Zunftbecher der
Metzger, Müller und Bäcker, vom Aufschwung
des Verkehrs und Handels die Poststation (heute
Motel „Alte Post") an der damals stark erweiterten
Landstraße Basel—Freiburg sowie die beiden
Müllheimer Jahrmärkte. Durch gesetzliche Maßnahmen
, wie sie der angehende Fürst auf verschiedenen
Reisen, vor allem durch Holland und
England, beobachtet hatte, förderte er das
Rechts-, Sicherheits-, Kranken- und Feuerlöschwesen
. Die Anfänge zur Einführung der Gemeindeselbstverwaltung
und Ablösung des Zehnten
wurden durch den Beginn der französischen
Revolution jäh unterbrochen.
Mit der Wohlhabenheit mancher alteingesessenen
und neuzugezogenen Familien vermehrte
sich auch der Wunsch nach einer Neugestaltung
des Unterrichts für ihre Söhne und Töchter. Eine
der Ursachen zur Hebung der allgemeinen Volksbildung
war nicht zuletzt die Schulordnung Karl
Friedrichs (1756), so daß er als zweiter deutscher
Fürst am 17. Juli 1783 für alle seine Einwohner
der Markgrafschaft Baden - Durlach die Leibeigenschaft
aufheben konnte. Von ebenso großer
Wichtigkeit für die Entwicklung des bisherigen
Marktfleckens Müllheim war seine Erhebung zur
Stadt am 27. Jenner 1810 im Rahmen der von
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