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Großherzog Karl Friedrich für den Aufbau seines
Landes erlassenen Organisationsedikte.
Neues Leben erblühte auch wieder im benachbarten
Badenweiler. Nach der Zerstörung der
alten Zähringerburg und der Verlegung der Verwaltung
in das 1728 errichtete Gebäude unseres
heutigen Landratsamtes schien es, als ob der Ort
für alle Zeiten seine Bedeutung verloren habe.
Als nun der Fürst im vorgerückten Alter 1783/84
für sich und seine Familie das in den langen
Kriegs- und Nachkriegs jähren stark beschädigte
Amtshaus (im heutigen Schloßpark) als Absteigequartier
umbauen und zu diesem Zwecke das
nötige Baumaterial vom „Gmür" am Nordhang
des Gewanns Sennbuck herbeischaffen ließ, stieß
man auf die Trümmer des längst vergessenen
römischen Bades. Unter Aufsicht seines Ministers
von Edelsheim wurden die einzelnen Ruinenteile
in sorgfältiger Kleinarbeit freigelegt und die
interessanten Einrichtungen durch den Hofdiakonus
Preuschen aus Karlsruhe wissenschaftlich
untersucht. Die Veröffentlichung der überraschenden
Ergebnisse fanden in weiten Kreisen des
In- und Auslandes lebhaftes Interesse. Der Zustrom
von Gästen nach Badenweiler wuchs von
Jahr zu Jahr. Damit war der Grund gelegt zum
Aufstieg des bisher bescheidenen Ortes zum
modernen Kur- und Thermalbad.
Eine größere Anzahl von heraldischen Symbolen
an weltlichen und geistlichen Gebäuden,
an Brunnen und Grenzsteinen in Müllheim und
den ehemaligen Dorfvogteien seiner Umgebung,
darunter zwei prächtige Allianzwappen, das eine
am Forstamt in Badenweiler, das andere über
dem Portal unseres Landratsamtes, erzählen vom
glücklichen Stern, der über der Entwicklung der
kleinen Markgrafschaft über ein Kurfürstentum
zum ehemaligen Großherzogtum Baden strahlte.
Als er — zwanzigjährig — die Regierungsgeschäfte
aus den Händen seines Großvaters übernahm
, waren seine Besitzungen weithin längs
des Oberrheins zerstreut. Das größere der drei
Kernlande lag um die Hauptstadt Karlsruhe und
die früheren Residenzen Durlach und Pforzheim,
das nächst kleinere mit den Oberämtern Rötteln,
Sausenberg und Badenweiler im Rheinbogen
gegenüber Basel, und zwischen beiden in meilenweiter
Entfernung erstreckte sich die Herrschaft
Hochberg mit Emmendingen, Sulzburg, Mahlberg
und Kehl. Eine wesentliche Vergrößerung brachten
zunächst, nach dem Aussterben (1771) der ihm
verwandten Markgrafen von Baden-Baden deren
Besitz zu beiden Seiten der Murg mit Baden-
Baden und Rastatt, vor allem aber die drei Jahrzehnte
später bei der europäischen Flurbereinigung
schrittweise (1803—1805—1806) durch die
Gunst Napoleons ihm zugefallenen rechtsrheinischen
Gebiete von 125 geistlichen und weltlichen
Fürstentümern, Graf-und Ritterschaften, Abteien
und freien Reichsstädte. Damit wurde Karl
Friedrich der Begründer des Großherzogtums
Baden.
Mit einer verwaltungstechnisch und staatsrechtlich
gut geschulten höheren Beamtenschaft
und auf der Grundlage des zum Badischen Land-
iecht umgearbeiteten Code Napoleon wußte er
nach seinem Wahlspruch „Moderate et prudenter"
die nach Geschichte, Volkstum und Konfession
stark gewürfelten anderthalb Millionen Untertanen
in verhältnismäßig kürzester Zeit zu einem
festgefügten Staatswesen zu vereinigen. Schon
1755 verfaßte auf seine Anregung der Hofrat Und
Oberamtmann Salzer unserer Herrschaft Badenweiler
eine Instruktion für die Verwaltungsbehörden
, die auch heute noch Geltung haben
könnte und in dep zu lesen war: „Die Beamten
sollen ihre Handlungen nach drei Gesichtspunkten
einrichten: den regulae iustitiae, den regulae
prudentae und den regulae christianismi". Von
Karl Friedrich selbst, von dem die neuzeitliche
Geschichtsschreibung behauptet, daß er zu seiner
Zeit als einziger Regent am Oberrhein über Volk,
Staat und Fürstenberuf sich Gedanken gemacht
und diese auch schriftlich niedergelegt habe,
stammen die weitsichtigen Worte: „Das Volk
oder die oberste Gewalt, in deren Hände die
Rechte des Volkes niedergelegt sind, ist allein
vermögend zu beurteilen, ob irgend eine Einrichtung
mit dem gemeinen Besten übereinkomme
". Und nicht ohne Grund hat der bekannte
Bodenreformer Adolf Damaschke zu Beginn
unseres Jahrhunderts sein 1772 verfaßtes Werk
„Abrege des principes de l'economie politique —
Abriß der Grundlehren staatlicher Wirtschaft"
neu herausgegeben. Auch seine längst im Druck
erschienene Korrespondenz mit zahlreichen fürstlichen
und bürgerlichen Persönlichkeiten des
politischen, wirtschaftlichen und schöngeistigen
Lebens zeigen ihn als einen sympathischen und
fortschrittlichen Dynasten des patriarchalischaufgeklärten
Absolutismus.
Zu seinen hervorragendsten Diplomaten gehörte
der Müllhedmer Bürgersohn Emanuel
Meier, der Enkel des Dekans und Kirchenrats
Daler. Als Direktor im Ministerium des Äußeren
zählte er mit von Reitzenstein und von
Edelsheim zu den Staatsmännern, die im Kongreß
zu Rastatt (1797/99), im Reichsdeputationshauptschluß
zu Regensburg (1800) und im Wiener
Kongreß (1814/15) auf diplomatischem Feld vor
oft unlösbar scheinende Aufgaben gestellt, diese
in äußerst klug und mit größter Beharrlichkeit
geführten Verhandlungen zum besten des badischen
Landes zu lösen verstanden.
Schon seit Beginn seiner Ehe mit der Prinzessin
Luise Karoline von Hessen-Darmstadt sah
er gerne bürgerliche Gäste an seinem Hof. Voltaire
, der sich 1758 einige Tage dort aufhielt,
fühlte sich sehr geschmeichelt. Uber seine fürstlichen
Gastgeber bemerkte der Schotte J. B. von
Auchinleck, als er bei seiner Reise in die Schweiz
1763 dem Karlsruher Hof einen kürzeren Besuch
abstattete in seinem Tagebuch: „Er ist'von zurückhaltendem
, bescheidenem, liebenswürdigem
Wesen... Wie er mir sagte, ist er zweimal in
England gewesen. Sein Englisch ist denn auch
bemerkenswert gut... In der neueren schottischen
Literatur ist er sehr bewandert..." Auch
Herder sprach mit Begeisterung über den gesamtdeutsch
ausgerichteten Markgrafen. In dessen
Auftrag schrieb er die „Ideen zu einem patriotischen
Institut für den Allgemeingeist Deutsch-
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