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Dr. v. Hanstein legte dem Ministerium des
Innern einen ausführlichen Bericht vor und bat
um einen Staatszuschuß zur Errichtung der
geplanten Flechtschule. Der Gemeinderat war
bereit, einen passenden Unterrichtsraum zur
Verfügung zu stellen, sowie den diesjährigen
Ertrag ihrer Weidenkultur als Flechtmaterial.
Dafür wollte der Landwirtschaftslehrer die
Flechtprodukte der Gemeinde zum Verkauf überlassen
. Die Stadt erwartete vom Staat die Übernahme
der Kosten für den Flechtlehrer. Diese
sollten sich auf 90 bis 100 Mark im Monat belaufen
. Es hatten sich zwölf junge Leute im Alter
von 16—19 Jahre und ein Mädchen als Lehrlinge
gemeldet, selbst von Auggen wollte sich ein
älterer Korbflechter namens Kurz der höheren
Flechtkunst befleißigen.
Die üblichen Rückfragen, Bericht und Gegenbericht
entwickelten sich. Es entstand ein eigenes
Faszikel: „Die Einführung der Korbflechterei in
Neuenburg betr.". Ein Lehrer wird ausfindig
gemacht: es ist der Korbflechter Friedrich Eckerlin
von Sulzburg. Das Ministerium läßt sich vom
Eifer Dr. v. Hansteins anstecken. Seine Schreiben
"werden umfangreicher. Man merkt ihnen die
Freude an, mit der man sich dort daran macht,
alle dabei auftauchenden Probleme zu prüfen und
durchzudenken. Entscheidend war der Absatz der
Korbflechtarbeiten. „Absatz für die Flechtwaren
scheint in den nahegelegenen größeren Städten
genügend in Aussicht zu stehen und dürfte es
sich mehr um den kaufmännischen Vertrieb handeln
, den man aber vielleicht dem betr. Korb-
flechtlehrer bei Zusicherung eines Prozentanteils
— unter entsprechender Kontrolle — übertragen
könnte, falls sich in Neuenburg eine geeignete
Persönlichkeit nicht finden würde". Man erwog
einen zwei- bis dreijährigen Kurs. Die Edel-
weidenkultur sollte verdoppelt werden.
Der wunde Punkt waren die Kosten. Der
Staat wollte sich nur zur Hälfte an der Honorierung
des Lehrers beteiligen. Dadurch würde die
Gemeinde finanziell belastet und der Stadtrat
wäre genötigt, den Bürgerausschuß um Genehmigung
der Mittel zu bitten. Das Bezirksamt Müllheim
sah schwarz: „In letzterer Beziehung wird
aber der Bürgerausschuß.. eine weniger freundliche
Haltung einnehmen, zumal die Gemeinde,
die bis jetzt Umlagen zu erheben nicht nötig
hatte, im Jahr 1885 zum ersten Male solche zu
erheben genötigt ist". Die Stimmung in der Gemeinde
war daher keineswegs freundlich. Mehr
als 200 Mark glaubt der Bürgermeister nicht als
Beitrag zum Lehrergehalt einsetzen zu können
und zwar für das ganze Jahr 1885. Die Eingabe
für einen Kreisbeitrag war zu spät erfolgt.
Im März 1885 ist man immer noch im Stadium
des Planens. Um ein Statut der Schule aufstellen
zu können, sollten Landwirtschaftsinspektor
Schmidt in Durlach oder das Bezirksamt Kehl,
das solch eine Schule schon unterhielt, zu Rate
gezogen werden. Endlich im September 1885 sind
die Vorbereitungen soweit vorangeschritten, daß
man erwägt, den Korbflechtlehrer Eckerlin, der
als ein geschickter und gut beleumundeter Mann
im Alter „von anscheinend etwa 30 Jahren" be-
1Pi\ Dabber rnatjnt!
Un wehrsch di au mit Händ un Füeß
un meinsch mit aller Gwalt, es müeß
en - ander Loos dir werde,
as z'Ackere mit Müeih un Not,
as z'Rackere vu früeih bis schpot:
— e Buur muesch du doch werde!
Un schriibtisch ganzi Büecher voll,
düetsch 's himmlisch Wese Zoll für Zoll
in blanki Riime fessle. —
Doch löst isch's vu de Scholle los,
— nüt war's! — E hohle Schatte blos
un miießt bal zemme chessle!
Fass' zuel Fass' zuel Mit Charscht un Pflueg!
Recht g'schafft bringt Segen übergnueg
in ernscht un frohe Zyte. —
De bisch us altem Buurebluet;
— e Buur bisch doch! — Schlecht oder guet! —
Lueg numme nit uf d'Site!
Zuem erschte wachst im Buur si Brot!
Am letschte lüdet er erseht Not!
— Wenn alli Hölle tolle! —
So bliib im alten Acker treu
so füeg di willig un uf's neu
in d'Fessle vu de Scholle!
Fritz Träris, Britzingen
zeichnet wird, auf acht Tage nach Neudorf im
Amtsbezirk Bruchsal zu schicken, um sich in der
dortigen Korbflechtschule über die Unterrichtsmethode
zu informieren.
Die Stellung des Staates zur Geldfrage hatte
sich inzwischen etwas geändert. Der erste Eifer
seines fürsorglichen Herzens war mit der Zeit
zwischen die einengenden Dämme kühlerer Erwägungen
geraten. Er schreibt: „Bei den finanziellen
Verhältnissen der Gemeinde Neuenburg
läge zwar kein Anlaß vor, die Hälfte des Lehrergehaltes
auf die Staatskasse zu übernehmen; da
jedoch die Einführung der Korbflechtschule überhaupt
Schwierigkeiten zu begegnen scheint, so
wollen wir für das Jahr 1886 einen Staatszuschuß
von 480 Mark und für 1887 einen solchen von
360 Mark bewilligen". Die Kosten für die 8tägige
Ausbildung des Lehrers lehnt der Staat ab.
Dr. v. Hanstein läßt sich nicht entmutigen. Es
gelingt ihm, die Kreisversammlung zur Übernahme
der anderen Hälfte des Lehrergehaltes
zu bewegen. Es soll ein Aufsichtsrat für diese
„Anstalt" gebildet werden. Man hätte die größte
Aktiengesellschaft mit ihm verwalten können. Es
sollen ihm der Bürgermeister und ein Stadtrat
von Neuenburg angehören, der Amtsvorstand des
Bezirkes, Hermann Blankenborn als Vertreter
der Kreisversammlung, der Landwirtschaftslehrer
Dr. v. Hanstein und der Korbflechtlehrer.
Man fand es doch für gut, wenn Eckerlin sich
für zwei bis drei Tage an einer anderen Schule,
etwa in Graben-Neudorf, etwas umsehen würde.
Da Dr. v. Hanstein gerade zu einer Versammlung
des Geflügelzuchtvereins nach Mannheim mußte,
wollte er sich dieser Besichtigung anschließen.
Der Staat bewilligte ausnahmsweise 20 Mark
dafür. Er weist aber darauf hin, daß die Schule
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