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Hermann Landerer:
Äec SebetyfTacc vom überfein
Kauziges aus meiner Bubenzeit
Unter diesem Namen war er bekannter als
ein bunter Hund, während den richtigen Namen
nur wenige kannten. Zu diesen gehörte auch
mein Vater, und es war sein Pech, daß er diesen
seltenen Vogel zu uns ins Haus brachte.
Unsere Mutter war krank geworden. Es war
mitten im Heuet, die Reben wollten hochgebunden
werden, Vater sollte die Reben spritzen und
schwefeln. Die Kirschbäume bogen sich unter der
Last der Früchte. Wir brauchten Hände. Woher
sollte Vater mitten im Sommer Hilfe holen? Er
selbst kam kaum noch ins Bett und ich erinnere
mich noch, daß er einmal in einer Einleggrube
in den Reben übernachtet war.
Vom Feder-Narr hatte er einmal, aber in
anderem Zusammenhang als sein Name aussagte,
gehört. Wer macht sich auf dem Lande schon
etwas aus einem Spitznamen? Werden die doch
manchmal über Generationen vererbt.
Unser Vater wußte, daß er zu haben war. So
machte er sich eines Sonntags auf den Weg und
brachte ihn am Abend gleich mit. Dazu eine
Riesentruhe, die hinten auf dem Berner-Wägele
thronte.
Als der ganze Wirbel um den Feder-Narr
schon vorüber war, entsann sich unser Vater,
daß ihn ein Bäuerlein, als er nach ihm suchte,
lächelnd gewarnt hatte: „Wenn euch ä weich
Bedd ebbis bedütet, Mann, drno len liäber dr
Federe-Narr wu er isch, sunscht... !" Aber mein
Vater lachte nur dazu.
Der Feder-Narr — er saß bei Tisch immer
neben mir — war ein lustiger Kerl wie es Tausende
gibt Willig, schaffig, bescheiden, immer
ein witziges Wort auf den Lippen. Einer der
immer rosarot sah und in punkto Feldarbeit
genau so übertrieben wie unser Vater war. Der
hatte sich sicherlich über unseres Knechts Spitznamen
so seine Gedanken gemacht, wer täte das
nicht, wenn sich herausstellte, daß der Hausgenosse
ein ebener Charakter und ein guter
Mensch ist; aber der Eugen oder der „Geni",
wie wir ihn im Haus riefen, war in unserer
Gegend ein unbeschriebenes Blatt, um das sich
niemand kümmerte.
Wir hatten gerade ein paar kühle Regentage
im Sommer, da wachte unser Vater mitten in
der Nacht auf: ihm war so kühl im Bett geworden
, und er holte sich eine Wolldecke. Unserer
Mutter ging es kaum anders: sie hatte schon oft
ihre Betten betrachtet und verwundert den Kopf
über den Feder-Schwund geschüttelt, aber sie
schwieg.
Unsere kleine Magd lobte den Geni über den
grünen Klee: Jeden Tag sei in seiner Kammer
das Bett schon gemacht. Es sei alles mustergültig
in die große Truhe geräumt. Also... ! Und da
dies jeden Tag so war und blieb, blieb auch sie
der Knechts-Kammer fern.
Eines Tages, es war schon Herbst, fuhren wir
mit Roß und Wagen an der Kirche vorbei, wo
die Pfarrköchin am Wäscheseil die roten Kölsch-
Federbetten aufhing. Unser Geni hatte nur einen
Blick hingeworfen und sofort wurde er unruhig,
sprang vom Wagen hinab und rief dem Vater
zu: „I hab nur 's Räbmässer vrgässe, Meischder!"
und weg war er.
Am andern Tag ging es wie ein Lauffeuer
durchs Dorf: der Pfarrköchin habe man vom
nahen Rebboden her zwei Oberbetten und drei
Kopfkissen gemaust. Der Schandarm und der
Boüzei-Benni traten in Tätigkeit. Sie nahmen
den und jenen väterlich ins Gebet — vergebens.
Frauen wollten im Dorf die Wannenflicker gesehen
haben und von denen wisse man ja, daß
sie..., aber auch dieser Hinweis erwies sich
als falsch.
Wochen waren darüber vergangen — unsere
Mutter erzählte es später manchmal — da sei
unser Vater mitten in der Nacht aus dem Schlaf
hochgefahren, habe sich eine Kerze angezündet
und noch im Halbschlaf vor sich hingeschwätzt:
„Nadiirlig, des isch dr Geni gsi! dä heißt
doch nit umesunscht dr Federe-Narr! Dä het diä
Bedder gmoist!" Er sei dann auf die Bühne
?tr>üfrfje geftect un tjüt
Still un stumm stöhn d' Hüüser
wie verloren in der Nacht.
D' Welt isch nümme üser,
wenn kei Lut an's Ohr meh schlacht.
Sie will untertuuehe
in e Meer, wo niemer mißt —
Chalt tuefs eim ahuuehe
usem Muvl, wo alles frißt.
's blibt kei Brösli Bode
vo dym Gartegländ meh dy,
's waiht e fremden Ohde
drüber her un sugt en ii.
Au die leere Stroße
sin jetz nümme do für d' Lütz
Alles ghört im große
unsagbare Namelose
zwüsche gestert, morn un hüt!
Hedwig Salm
geschlichen in des Genis Kammer und da habe
er diesen selig schlummernd unter einem Berg
von Deckbetten und Kissen gefunden.
Vater holte den Schandarm nicht; aber die
Hilferufe zwischen ein paar wuchtigen Schlägen,
die Besserungszusicherungen, die rissen auch
mich aus dem abgrundtiefen Bubenschlaf.
Am anderen Morgen wunderten sich einige
Frauen, darunter die Pfarrköchin, denn am
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