http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1961-07/0014
Goethe die Malerin mit seiner „Iphigenie" bekannt
gemacht: „Ich konnte einer Vorlesung
meiner Iphigenie nicht entgehen... Die zarte
Seele Angelikas nahm das Stück mit unglaublicher
Innigkeit auf; sie versprach mir, eine
Zeichnung daraus aufzustellen, die ich zum Angedenken
besitzen sollte". Angelika Kauffmann
führte dieses Vorhaben aus, zeichnete ihm für
seinen „Egmont" ein Titelkupfer und unterstützte
ihn bei seinen eigenen zeichnerischen
Versuchen. Ein Porträt Goethes konnte jedoch
den Dichter nicht befriedigen: „Es ist ein hübscher
Bursche, aber keine Spur von mir".
Hören wir Herders Urteil über dieses Bild:
„Goethes Bild hat sie sehr zart ergriffen, zarter
als er ist, daher die ganze Welt über Unähnlich-
keit schreit, die doch aber wirklich im Bilde
nicht existiert. Die zarte Seele hat ihn sich so
gedacht, wie sie ihn gemalt". Und Goethes Urteil
über ihr Gesamtwerk: „Das Heitere, Leichte,
Gefällige in Formen, Farbe, Anlage und Behandlung
ist der einzig herrschende Charakter der
zahlreichen Werke unserer Künstlerin; keiner
der lebenden Maler hat sie, weder in der Anmut
der Darstellung, noch in Geschmack und Fähigkeit
den Pinsel zu führen, übertroffen".
Zum Unterschied der geistig - künstlerischen
Gemeinschaft, die die Malerin mit Goethe verband
, entwickelte sich die Beziehung zu Herder
zu einer „Seelenfreundschaft". Schon einen Tag
nach seiner Ankunft in Rom, am 20. September
1788, berichtet Herder seiner Gattin: „Angelika
ist eine feine, reine Seele, ganz Künstlerin,.. der
Hauptzug ist Simplizität, Reinheit und Feinheit"
und in einem späteren Brief: „Sie ist eine gar
zarte, jungfräuliche Seele". Am 23. Februar 1789
schreibt er nach seiner Rückkehr aus Neapel nach
Rom: „Sie ist eine Dichterin mit dem Pinsel und
hat eine sehr zarte Empfindung. Sie grüßt Dich
sehr und hat mir angetragen, mein Gemälde ihr
zu lassen zum Pendant von Goethe, den sie auch
gemalt hat". Bald nachher spricht er in einem
anderen Brief wieder ausführlich über seine
Begegnung mit der Künstlerin: „Die Stunden,
die ich bei ihr zubringe, sind mir ohne allen
Vergleich die liebsten, die ich in Italien genossen
habe. Ich wollte, daß sie in unserem Kreise
wäre, welches aber nie sein kann und sein wird,
leider!" Ähnlich urteilte Herder über ihr Werk.
Bei der Kunstanschauungen fanden ihre Gemeinsamkeiten
in der Verehrung der Antike. Herder
bewunderte die „eingeborene moralische Grazie
ihrer Menschen". In seinen „Abhandlungen und
Briefen über schöne Literatur und Kunst"
schreibt er dann weiter: „Selbst der Wilde wird
durch ihre Hand milde, ihre Jünglinge schweben
wie Genien auf der Erde; nie war ihr Pinsel eine
freche Gebärde zu schildern vermögend, . .. ein
Engel gab ihr ihren Namen, und die Muse der
Humanität war ihre Schwester" — eine Verehrung
und Bewunderung, die wieder auf ihre
realen Bezüge zurückgeführt wird, wenn wir
eines Kunsthistorikers objektiv abwägendes Urteil
über diese Beziehungen anführen: „Es war
amüsanter, mit einem schönen Weib als mit
einem Kerl im schmutzigen Malerkittel zu plaudern
" 4). Aber selbst Jacob Burckhardt mußte
Angelika Kauffmanns Werk eine gewisse Anerkennung
zollen: „ .. das Bild der Angelika Kauffmann
könnte immer noch eines von denjenigen
sein, in welchen sie die genießbarste von
der Künstlergeneration des schwächlichen Antikisierens
ist" 5).
Die allgemeine Neigung, „die antike Kunst
in zu sentimentaler Beleuchtung und darum mit
einseitigem Urteil zu betrachten", wurde durch
die weitreichende Wirkung dieser Künstlerin
sehr gefördert. Die von ihr in ihren Gemälden
angestrebte Verbindung des Idealen mit einer
charakteristischen Aussage der verschiedenen
Motive mußte mißlingen.
II.
Uns sollen in diesem Zusammenhang weniger
die Künstlerin selbst und das Urteil der heutigen
Kunsthistoriker über ihr Werk als vielmehr die
nachweisbar in das Oberrheingebiet und Lothringen
eingewanderten Brüder des Vaters der
Malerin bzw. deren Nachkommen beschäftigen.
Wir verzichten deshalb auch auf eine Schilderung
des Lebens der anderen, in Vorarlberg
verbliebenen und dort verstorbenen Brüder des
Vaters Angelika Kauffmanns, Jodok und Michael
Kauffmann").
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts
arbeitete im Elsaß ein Vetter Angelika Kauffmanns
, der Büdschnitzer und Porträtmaler
(Johann) Peter Kauffmann. Der 1764 in Reute
in Vorarlberg geborene Künstler war schon mit
14 Jahren nach Gebweiler gekommen und dort
bei dem Holzschnitzer Ritter in die Lehre gegangen
. Nach fünfjähriger Lehrzeit wanderte er
nach Paris; später finden wir ihn in Mailand,
1797 ist er in Rom bei seiner berühmten Base.
Angelika Kauffmann zuliebe nahmen sich Canova
und Thorwaldsen seiner an. Von 1817 bis zu
seinem Tode 1829 war er in Weimar als Porträtmaler
tätig. „Offenbar hatte ihm Goethe im Angedenken
an seine verstorbene Freundin den
Dienst erwiesen" '), denn wohl nur durch seine
Fürsprache ist Peter Kauffmanns Berufung nach
Weimar zu erklären.
Zur gleichen Zeit etwa arbeitete in der
Schweiz der Porträtmaler Joseph Kauffmann
aus Staufen im Breisgau. „Er darf vielleicht mit
dem am 2. März 1734 zu Herrenalb getauften
Sohn Joseph des Joseph Johann Kauffmann
identifiziert werden, wäre also ein Halbbruder
der Angelika Kauffmann" 8) Um diese Zeit, von
1766 bis 1781, war Angelika Kauffmann in England
, wo sie unerwartet große Triumphe feierte.
So durfte sie die englische Königin und König
Christian von Schweden malen.
Leider sind die verwandtschaftlichen Beziehungen
der Künstlerin zum damals noch vorder-
österreichischen Breisgau und dem Elsaß bis
heute noch nicht aufgedeckt und harren noch
ihrer Erforschung, eine recht umfangreiche Aufgabe
, zumal nur ein Bruchteil von Angelika
Kauffmanns Briefwechsel9) mit ihren Verwandten
in Schwarzenberg im Bregenzer Wald ver-
12
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1961-07/0014