Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1961-08/0004
ZMc $cftung6fta&t 3elfort

Seltsam geformte Höhenzüge treten an die
durch, die Burgundische Pforte führende Straße
heran und begleiten sie wie Mauern. Felsen
wachsen empor oder sind es schon Befestigungsanlagen
der alten Festungsstadt, die diese strategisch
wichtige Stelle zu bewachen hat? Eine
ganze Weile schon fahren wir an Forts und Kasematten
vorbei, die da und dort zwischen Gebüschen
und Bäumen sichtbar werden. Eine Bastion
will uns den Weg versperren, aber man hat für
die Straße eine tiefe Bresche in das Mauerwerk
gelegt.

Blicken wir von hier aus über die das Tal
umschließenden Hügelketten, wird uns klar, daß
die Natur selber Beifort zur Sperrfeste bestimmt
hat. Wohlbehütet von dem gigantischen Befestigungswerk
, den einst waffengespickten Wällen
und Schluchten, liegt die Stadt dort unten und
verspricht mit ihren roten Dächern und den
Kirchen mehr, als sie zu halten vermag. Ein
pompöser Bahnhof, Warenhäuser mit schreienden
Fassaden, Kasernen, öffentliche Gebäude im
Allerweltsstil, Restaurants und Kaffeehäuser,
eine nüchterne Markthalle und eintönige Flußufer
: so begrüßt uns der neuere Teil der Stadt.
Aber auch der alte vermag nicht allzu viel zu
bieten. Sogar die Kirchen sehen irgendwie abweisend
aus, so daß wir sie erst gar nicht betreten
, sondern ohne Aufenthalt der eigentlichen
Festung, Le Chäteau, zustreben, die düster und
drohend wie eine Felswand über dem Dächergewirr
emporwächst. Die „Porte de Brisach", an

der wir vorbeikommen, läßt uns die Stärke der
Befestigungsanlagen ahnen. Zwischen Mauern,
die turmhoch emporragen, liegen tiefe Schatten.
Schächte und dunkle Stollen steigen in den Berg
hinein und hauchen uns den faden Geruch nach
Moder und feuchtem Gestein entgegen. Ein
düsterer Tunnel tut sich auf und geleitet uns
durch einen Bergvorsprung hinaus in das klare
Licht des Tages. Wir stehen vor dem berühmten
Löwen von Beifort, einem von dem Kolmarer
Bildhauer Bartholdi geschaffenen Denkmal. Hoch
aufgerichtet, ein Bild ungezähmter und unbe-
zwungener Kraft blickt der Löwe stolz über das
Land. Wir könnten uns kaum ein eindrucksvolleres
Symbol für die Standhaftigkeät der
Festung vorstellen, die 1870 einhundertdrei Tage
lang belagert worden war und unbezwungen, erst
auf Befehl der eigenen Regierung, von dem tapferen
Oberst Denfert-Rochereau übergeben wurde.

Als wir ein wenig scherzend den alten Veteranen
, der hier oben seinen Dienst versieht, fragen,
ob der Löwe auch ungefährlich sei, geht er auf
unseren Scherz ein und erklärt mit ernster Miene:

„Oh, Sie können beruhigt sein, er verspeist
täglich nur die ersten drei Besucher, jetzt ist er
gesättigt und friedlich!"

Die heitere Schlagfertigkeit des Mannes hat
plötzlich der Festungsstadt alles Drohende genommen
. Sogar die Sonne zeigt sich und verklärt
mit ihrem Licht Straßen und Dächer wie auch
den Place d' Armes, dessen Denkmal uns ein
trotziges „Quand meme" (Dennoch) entgegenruft.

Satjrt burdj biz 3ucgun5i'fcbe -Pforte

Getrieben von dem Wunsche, möglichst rasch
das ersehnte Burgund zu erreichen, haben wir
das Elsaß, jenen reich gesegneten Garten Gottes,
in Eile durchfahren. Bald muß sich die burgundische
Pforte wie ein strahlendes Tor auftun. Aber
da liegt nur eine flache Senke vor uns, die im
Osten von den Hängen des Jura und im Westen
von den nebelverhangenen Vogesen bewacht
wird. Wir hatten eine andere Vorstellung von der
Burgundischen Pforte und sind nun erstaunt, in
ihr lediglich eine anmutige Hügellandschaft zu
finden, der man nicht einmal ansieht, daß über
sie die europäische Wasserscheide hinzieht. So
niedrig ist hier der Wall zwischen Mittelmeer
und Nordsee, daß der Rhein im Tertiär noch bequem
dieses Hindernis nehmen und seine Wasser
südwärts zur Rhone strömen lassen konnte. Auch
die Pflanzen und Tiere des Mittelmeerraumes
drangen durch dieses Tor nordwärts. So kommt
dieser Landschaft, die mit ihren Wiesen, den eingestreuten
Waldstücken und den baumumsäumten
Wegen etwas eintönig und gänzlich unheroisch
wirkt, doch eine besondere Bedeutung zu. Hier
ist europäisches Schicksalsland. Wie oft war dieser
Raum, der jetzt in der Morgenfrühe unberührt
vor uns liegt, erfüllt vom Geklirr der Waffen
, dem Gewieher und dem Hufschlag der Rosse,
dem Rattern und Donnern der Geschütze! Wie
viele Heerzüge und Völkerschaften fluteten einst
durch diese weite Pforte, die neben dem unbe-
zwinglichen Alpenkamm sich als bequemer Ubergang
zwischen Nord und Süd anbot. Kimbern
und Teutonen zogen durch sie hinunter bis nach
Orange (dem einstigen Arausio) und brachten
dort im südlichsten Teil des späteren Burgunderreiches
den Römern im Jahre 105 v. Chr. eine
schwere Niederlage bei. Nachdem die Germanen
dann 101 v. Chr. bei Aix (Aquä Sextiä) entscheidend
geschlagen worden waren, strömten die
Reste des Heeres durch die Burgundische Pforte
zurück. Doch wieder wurde an dieses Tor gepocht:
Ariovist drängte mit den suebischen Stämmen
und Nordgermanen gen Süden. Auf diese Heerscharen
stieß 58 v. Chr. Julius Cäsar auf seinem
Zuge nach Gallien und schlug sie im nahen Sundgau
. Germanische Kriegsgefangene durchschritten
die Burgundische Pforte, und mancher von
ihnen dürfte hier als Arbeiter angesiedelt wor-

2


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1961-08/0004