http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1961-08/0017
ben, die untere Gesichtshälfte vorgedrückt, die
Nase verlängert und mit einer häßlichen Spitze
versehen. Auch von diesem Hebelporträt mit
seiner erstarrten, ins 18. Jahrhundert zurückweisenden
Typik kann die beseelte Freiburger
Zeichnung nicht abstammen, wohl aber umgekehrt
.
So darf nach allem mit guten Gründen angenommen
werden, daß in dem Freiburger Hebelbildnis
jene bisher verschollene Zeichnung Müllers
vom Jahre 1810 vorliegt.
Für unsere Fragestellung nicht im strengen
Sinn beweiskräftig, aber doch wertvoll für sie
und wertvoll besonders für den Aufweis der
Authentizität des Freiburger Porträts ist die Tatsache
, daß es nach Physiognomie und Psychologie
den literarischen Schilderungen von Hebels Aussehen
und Wesen sehr genau und wohl am besten
von allen authentischen Hebelporträts entspricht.
So etwa jener von Karl Bähr aus dem Jahre
1827 "):
„Zwar nur mittlerer Größe, aber wohl gebaut und
in der letzten Zeit seines Lebens ziemlich stark, gab
sein dunkles, scharfblickendes Auge, die hohe edle
Stirn und die etwas gebogene Nase sehr schnell den
Mann zu erkennen, der im Besitze ... ausgezeichneter
Eigenschaften sich befand. Um den Mund spielte ein
freundliches Lächeln, wenn er scherzte. Sein früher
dunkles Haar hatte sich in ehrwürdiges Silbergrau
verwandelt..."
Übereinstimmend damit schrieb G. F. Sonntag
1838 in der Einleitung zur Neuen Ausgabe von
Hebels Werken2*):
„Sein Äußeres war sehr ansprechend; sein Gesicht
heiter, edel und geistreich; seine Augen braun und
freundlich; seine Stirn hoch; seine Nase etwas gebogen
; sein Haar kraus, — früher dunkelbraun, und
später silbergrau. Sein Körper war wohlgebaut; nicht
ausgezeichnet groß, doch etwas mehr als mittelmäßig;
seine Haltung aufrecht und würdig, sein Gang etwas
mit der Brust vorwärts gekehrt, und gleichgültig
hinschlendernd..."
An Wesenszügen Hebels werden in der gleichen
Einleitung angeführt23):
„Die Gabe eines angenehmen gesellschaftlichen Umgangs
hatte wohl selten ein Mensch, wie Hebel sie
besaß. Seine freundliche Heiterkeit, seine ruhige
Sanftmuth, seine edle Bescheidenheit, seine eigen-
thümliche Laune, seine kindliche Naivetät, sein unerschöpflicher
Witz, und sein tief eindringendes geistreiches
Wesen machten ihn zum liebenswürdigsten
Gesellschafter. In allen Orten und Gegenden, wo er
sich aufhielt, weilte Jedermann mit Vergnügen in
seiner Nähe; so wie es ihm selbst sehr angenehm
war, in der Gesellschaft freundlicher und heiterer
Menschen zu seyn, und zu ihrem Frohsinn beizutragen
. Nur in großen glänzenden Versammlungen
zeichnete er sich nicht aus; seine Bescheidenheit und
Abneigung gegen alles Prunkende hielt ihn zurück."
In der Einleitung zur Hebel-Ausgabe von 1843
sagt A. Preuschen ähnliches24) über Hebels Erscheinung
; über seine Wesensart berichtet er25):
„Eine unerschöpfte heitere Laune, ein Witz, der nie
verletzte, nie ans Triviale oder gar ans Gemeine
auch nur streifte, die feine Ironie, welche die Gattung
fast unschuldig persiflirte, während sie die Persönlichkeit
bei Seite liegen ließ oder sie durch Urbane
Form versöhnte und dem Getroffenen nur die Freude
des Mitlachens ließ, ein reicher Schatz an Kenntnissen
in den Gebieten, die allgemeines Interesse
ansprechen, die Klarheit und Einfachheit seiner Rede,
seine unvergleichliche Kunst zu erzählen, machten
ihn zur gefälligsten Erscheinung in jedem geselligen
Kreise. Aller Pathos war ihm fremd; im einfachsten
Gewände wußte er das Erhabene und Große dennoch
in seinem vollen Werte darzustellen.
Wie er im Gespräche den Glanz, wornach begabte
Männer zuweilen streben, so wie alles Gesuchte,
Künstliche und Geschraubte vermied, so war er in
Benehmen und Haltung ungezwungen. Sein ganzes
Wesen zeigte den Ausdruck einer natürlichen Würde,
einer Freimüthigkeit und eines Wohlwollens, die ihm
schnell die Herzen gewannen. Jüngere, wie ältere
Personen, Frauen wie Männer, Gelehrte, wie Nichtgelehrte
, fanden sich von seiner Gesellschaft und der
Unterhaltung mit ihm hingezogen. Er erfreute sich
einer eigentümlichen Popularität unter allen Clas-
sen und Ständen der Gesellschaft, die in diesem
Umfange nur durch seltene, das reine Menschliche
im Menschen ansprechende, Vorzüge erworben werden
konnte.
Daß er mit diesen Eigenschaften überall gesucht und
gefeiert ward, liegt in der Natur der Sache. Auch
ließ sich das freundliche Gemüth leicht finden, und
nur in großen, glänzenden Versammlungen ruhte
seine Unterhaltungsgabe. Freund der Einfachheit,
bis zu einer gewissen Schüchternheit bescheiden,
zog er sich hier in sich selbst zurück..."
Fügen wir diesen Berichten noch eine Erinnerung
Kölles in seinem bereits zitierten Aufsatz
„Zu Hebels Ehrengedächtniß.." hinzu, die Kölles
erste Begegnung mit Hebel betrifft26):
.....Da begegnete mir im Hardtwalde ein Mann im
grauen Frack, die Hände unter den Schößen, und
blickte mich im Ausweichen (Kölle war zu Pferd.
D. Ref.) mit blitzenden Augen beinahe spöttisch an.
Die Mischung von Gutmüthigkeit und Schalkhaftigkeit
fiel mir auf, und ich wurde das Gesicht lange
nicht los... "
Und schließlich ist noch Kölles Charakteristik
anzuführen, die der Adjunkt seinem Bericht von
der Entstehung der Müller'schen Porträtzeichnung
folgen läßt17):
.....Sie gibt den Mann wieder, wie er freudig aufgeregt
am meisten Er selbst war. Denn sonst
konnte er wohl eine priesterlich demüthige oder verdrießlich
nachdenkende Miene machen. ... Einmal,
als er mir seinen „Bergmann von Falun" vorlas,
überwältigte ihn der Gegenstand bis zum Zittern
der Stimme bei feuchten Augen. Der etwas schiefe
Hals gab ihm durchaus nichts kopfhängerisches. In
seiner Kleidung war er eher nachlässig, aber nicht
unreinlich; im Essen mäßig, den Wein liebte er, daher
trank er ihn mit Maaß. Sein Geräthe war einfach
, man erkannte überall die Junggesellenwirtschaft
. Er liebte viel Bewegung im Zimmer und
außerhalb, und seine körperlichen Leiden erforderten
diese; doch konnten seine genauesten Bekannten nur
errathen, daß er unwohl sei, er klagte nie, war aber
stille, und eher weicher als gereizter denn gewöhnlich
. Den Geistlichen zeigte er nie zur Unzeit... Es
lag in seinem Wesen ein Ruhen auf sich selbst, eine
Einigkeit mit sich selbst, seiner Lage und mit der
Welt überhaupt, wie ich sie nur noch bei einem
Menschen getroffen habe, und dieses war ein Gärtner
. Auch Hebel liebte die Botanik mit Leidenschaft.
Er war wohlthätig ohne Prunk, wohlwollend wie
wenige, und der Natur der Menschheit in ihren
reinsten und uranfänglichen Beziehungen näher als
irgend ein Mensch..."
Zum Schluß sei noch die Charakteristik eines
Schülers von Hebel angeführt, der zwischen 1811
und 1814 noch einmal in engeren Kontakt mit
Hebel kam, Friedrichs von Biedenfeld. Dieser
schrieb im Jahre 1859 im „Stuttgarter Morgenblatt
" 28):
„Hebel war groß, breitbrüstig, ging ziemlich stark
in den Knien, wodurch sein Gang ungeachtet des
festen Auftritts etwas von hinten nach vorn Wiegendes
an sich hatte; er gestikulierte wenig, aber
sehr energisch, entschieden, sehr bezeichnend... Den
15
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1961-08/0017