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Josef Reinhart:
2Ubin Semgeli'
Hebelpreisträger 1961
Es ist wohl kein Zufall, daß unter den Schweizer
Dichtern viele im Bauernhause daheim gewesen
sind. Wir denken dabei an Alfred Huggen-
berger, Joseph Joachim, Simon Gf eller und nicht
zuletzt an unseren Albin Fringeli. Im Bauernhause
erlebt der junge Mensch, abgesehen von
der starken Verbundenheit mit den Eltern, den
Geschwistern, mit Knecht und Magd und Nachbarschaft
, die Vertrautheit mit dem Wesen der
Haustiere, mit den Arbeiten drinnen und draußen
. Es ist so, wie einst der Philosoph Paulsen
gesagt hat, daß das Bauernhaus und das Bauernleben
durch die enge Bindung des jugendlichen
Geistes mit den Dingen des Alltags eine Stätte
reinster, natürlichster Bildung bedeuten. Wenn
dazu eine Mutter hinter dem Kinde steht, die
mit ihrem Gemüt, ihrem Herzen, ihrem Weitblick
den Erlebnissen des jungen Menschen den Goldglanz
der Poesie zu verleihen vermag, so ist es
kein Wunder, daß einem Bauernkinde früh schon
der Antrieb zur poetischen Gestaltung dieses
Lebens mitgegeben wird.
Solches hat auch Albin Fringeli, geb. 24. März
1899, der Dichter und Verklärer seiner Heimat,
des Schwarzbubenlandes, erlebt. Auf dem „Stürmenhof
", auf der Höhe bei Bärschwil, hat er
seine Jugend verbracht, ist als Bub dabei gewesen
, wenn der Vater bei den Kühen im Stall
früh und spät die Hand rührte, dabei gewesen,
wenn die Sense durch das feuchte Gras sirrte.
Er hat als Knabe die Bänder gelegt, wenn die
Schwestern den Weizen zum Binden brachten.
Das alles und vieles andere haben tausend
und abertausend Bauernbuben mitgemacht. Aber
Albin Fringeli hat mit den Augen eines Vaters
und einer Mutter sehen gelernt, hören gelernt
auf die Stimmen der Menschen und der Tiere,
gelernt zu vernehmen, was die alltäglichen Dinge
reden.
Zu dem Gesagten kommt für den Bauernbuben
vom „Stürmenhof" noch etwas anderes: der Weitblick
über Landschaft und Ferne, über Wiesen,
Wald und den eigenwilligen Fluß, die Birs, den
Jurafluß, der sich den Weg bahnt durch Schluchten
und Riegel bis hinab in die Ebene. Wie oft
ist der Bub dort oben auf dem Stürmenkopf
gestanden und hat sich staunend, aber auch nachsinnend
über die Entstehung dieses Wunders der
Heimat seine Gedanken gemacht. Und noch
etwas: Albin Fringelis Vater und Großvater
haben den Buben mitgenommen in die Wälder,
wenn es im Weinmonat auf die Jagd ging. Was
wunder, wenn Fringeli in seinen Ohren und in
seinem ganzen Wesen als Dichter und Mensch
einen Nachklang der Romantik in sich verspürt,
was natürlich nicht heißen soll, daß er die Heimat
, das Leben der Dörfer und der Häuser nicht
auch mit den scharfen Augen des modernen
Beobachters verfolgt.
So ist er als guter Beobachter, aber auch als
Träumer, zur Schule gegangen, zuerst in Bärschwil
. Warum Albin Fringeli, der Bauernbub,
nicht auch wie sein Vater auf dem eigenen Hofgut
die Scholle betreuen wollte, das ist heute
schwer zu sagen. Vielleicht hat ihm der Deutschlehrer
an der Sekundärschule Laufen das Vorbild
eines Lehrers gegeben. Sei dem wie ihm
wolle, der Bauernbub vom „Stürmen" kam als
Seminarist nach Solothum in die Lehrerbildungsanstalt
. Man sagt sonst, das Heimweh könne
einen jungen Menschen zum Dichter machen. Bei
Johann Peter Hebel, dem Lieblingsdichter Albin
Fringelis, war es so. Seltsam, oder war das
eine Selbstverständlichkeit, der Seminarist Albin
Fringeli hat in seinen Aufsätzen gerne Erinnerungen
aus seiner Frühzeit im Schwarzbubenland
erzählt, und in den Ferien hat er sich von
alten Leuten seiner Heimat berichten lassen über
halbvergessenes Brauchtum in den Dörfern und
auf den Höfen des Schwarzbubenlandes. Diese
Emsigkeit, diese schöne Neugier nach dem Tun
und Lassen der Volksgenossen, war wohl der
Anfang zu der späteren Hingabe an die Erforschung
des Volkstums in Sitte, Brauch und
Sprache, im Werktag und Sonntag, wie solches
dem späteren Kalendermann, dem Sprecher am
Radio und dem Dichter zugute kam.
Der junge Lehrer hat seine Tätigkeit an einer
Gesamtschule des Schwarzbubenlandes, an der
Schule von Grindel, aufgenommen. Die Gesamtschule
war der Lehrplatz für den Schulmeister
Fringeli. Aber die Hochschule mit dem bekannten
Geschichtslehrer Emil Dürr, dem früh verstorbenen
Anreger Fringelis für die Heimatgeschichte,
und dem Betreuer der Volkskunde, Hoffmann-
Krayer, lockte den jungen Heimatforscher zum
Studium nach Basel. Was diese beiden Hochschullehrer
dem Studenten Fringeli neben den Vorlesungen
durch ihre Teilnahme an den persönlichen
Anliegen für die wissenschaftliche und
leidenschaftliche Hingabe an die Dinge der Heimat
bedeutet haben, das wissen nur diejenigen,
die sein bisheriges Wirken verfolgten. Ein Jahr
Studienaufenthalt an der Sorbonne in Paris vermittelt
dem jungen Lehrer nicht nur fremde
Sprache, fremde Kultur, vielmehr auch die Bekanntschaft
zweier Förderer deutscher Dichtung,
Fernand Baltensperger und Henri Lichtenberger.
Auch als Bezirkslehrer, zuerst in Neuendorf,
dann in Nünningen, hat Albin Fringeli die Verbindung
mit der Hochschule Basel aufrecht erhalten
. Es bedeutet eine Art von Tragik, wer
kann das sagen, daß durch den Tod zweier Hochschullehrer
dem jungen Forscher und Dichter der
Doktorhut bis heute versagt geblieben ist.
Daß ein junger Verehrer Gotthelfs und Hebels
schon vor mehr als dreißig Jahren auf den Gedanken
gekommen ist, selber einen Volkskalender
zu schaffen und herauszugeben, braucht uns
nicht zu wundern. Heute, da wir diese Zeilen
niederschreiben, ist „Dr Schwarzbueb" bereits
ein „alter Knab" geworden, der aber von seiner
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