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land". Nur ist zu sagen, daß der kindertümlidie
Ton der Realbücher sich zu einem höheren, volkstümlich
- wissenschaftlichen, anschaulichen Stil
ausgewachsen hat, der nicht bloß durch die
eigene Wendigkeit des Verfassers, sondern auch
.durch die Pietät vor den Meistern vorbildlich
anregend sich auswirkt. So kann man sich vorstellen
, daß Albin Fringeli, der sein Schwarzbubenland
kennt wie die Hosentaschen seiner
Buben jähre, sich mit Freude der Aufgabe hingegeben
hat, als der Betreuer der Heimatbücher
Dr. Walter Laedrach und sein Verleger Paul
Haupt an ihn gelangten, das sprachliche Bild
einer Heimat zu schaffen, die wirklich noch eine
Heimat ist, wenn auch die Fabriksirene und der
Benzinwagen das Lied des Heimatvogels übertönen
können. Dem Schilderer Albin Fringeli
gelingt es, mit seiner Feder die Landschaft seiner
Heimat augenscheinlich, bildhaft vorzuführen,
dramatisch die Vergangenheit aufzudecken und
dazu mit dem Auge des Poeten die Stimmungen
der Straßen und Sträßchen, der steilen Gäßchen,
sonnigen Gärtchen, den roten Äckerlein, der einsamen
Weiden und grünen Waldwiesen lebendig
zu machen. Man darf ihn zu dieser Heimatschau
beglückwünschen, auch dazu, daß das Schwarz-
bubenland, wie seine Betreuer es behaupten,
noch eine Heimat ist, die sich ihrer Eigenart,
ihrer Einfachheit und, sagen wir es nur, ihrer
altväterischen Allüren nicht schämt und sich
noch eigenköpfig wehrt, wenn die Fremde mit
glarigen Manieren die rotbemalten Lefzgen zeigt.
Daß ein Heimatvogel, der schon früh den
Abgesang der Alten anhört, im Volksliedton den
Schnabel übt, kann uns nicht wundern, wenn wir
wissen, daß Albin Fringeli seine praktische Lehrzeit
als Schulmeister im Dorfe Grindel verlebte,
wo Grolimund einst die Volkslieder des Schwarz-
bubenlandes gesammelt hat. Die ersten Mundartverse
FringelAs sind denn auch Frühfrüchten zu
vergleichen, die leicht und appetitlich munden,
vielfach Liebes- und Schatzgedichte, oft mit
witziger Pointe den Spötter verratend, der über
sich selbst noch lachen kann; oft aber bedauert
der Dichter auch wehmutvoll im alten Volksliedton
Trennung und Abschied der Liebenden oder
der Verliebten:
Vom Brünnli vor em Hüüsli
Han ig männg Lied vernoh,
Jetz tuet my Brünnli schwyge,
Es isch zum Gfriere cho.
Vom Sdiätzli han i gsunge
Im Brünneli ums Gwett,
My Liedli isch verfrore,
Will äs ne angre het.
Der Ton dieser kurzen Strophen ist volkslied-
haft, weil Bild und Gleichnis einträchtiglich einhergehen
. Sie rufen nach dem Vertoner, und
man möchte sie in der Samstagsnacht singen
hören.
Diese Frühfrüchte des Mundartdichters Albin
Fringeli sind im Sammelband „Der Holderbaum"
sorgfältig umgeben von reiferen, reicheren Gaben
seiner Mundartlyrik, betitelt „Heimet", „Schwar-
buebelang", „Schwarzbuebe". Aus diesen Gedichten
tritt das blutrote Eigenerlebnis hervor,
das Ausklang der Anschauung und der mitschwingenden
Stimmung ist. Diese Gedichte lassen
den Leser keineswegs an den Schreibtisch
eines Stubenpoeten denken; denn sie muten,
ursprünglich auf dem Mutterboden der Heimat
gewachsen, echt und unliterarisch, naturhaft
empfunden an. Dabei ist zu sagen, wie übrigens
bei sämtlichen Mundartgedichten Fringelis, daß
nirgends sdiriftsprachliche Wendungen in den
natürlichen Gang der Mundart sich einmischen,
daß auch der Rhythmus aus der Stimmung der
Motive herausspricht. Das ist von einem Dichter,
der auch Musik liebt und übt, fast selbstverständlich
. Diese Heimatgedichte entsprechen der Forderung
, die einst Theodor Storm in einem Aufsatz
über das Wesen der Lyrik niedergelegt hat:
das Erlebnisgedicht soll den Lokalton haben; dieser
Lokalton, der unmittelbar ein Bild hervorhebt
, ist ein besonderes Kennzeichen dieser
Gedichte.
Du muesch emol do ufe cho,
Süsch chenne mir is nit verstoh.
Ne Grabe, das isch öisi Stroß;
Ne armi Chueh isch öiser Roß.
Schauen wir nicht aus diesem Bilde ein Bäuer-
lein mühsam, den Sack am Buckel, einen vom
Wildwasser ausgefressenen Karrweg hinansteigen
?
Ne Wage chesslet nidsig,
Und 's isch doch feischtri Nacht.
I loos, wie d'Reder gyxe,
Und wie dr Rieme chracht:
Dr Vatter bringt vom geeche Rai
Die letschte schwere Garbe hei.
Ne Wage chesslet nidsig,
Aer chunnt vom Sunnerai.
Ghör d'Reder lysli chlage:
„Jetz goht er sälber hei".
Dr Vatter schloft. Jetz ruehit er us...
Ne Garbe fahrt is Totehuus.
Ein solches Gedicht, episch aufgebaut aus zwei
sinnbildlich sich angleichenden Erlebnissen, läßt
einen nicht los. Man hört den späten Erntewagen
in die Tiefe kesseln und hört auch die Räder,
wenn behutsamer die Fahrt eines auf der Höhe
bei der Arbeit verunglückten Bauern in die Tiefe
geht Die Rührung, die man erlebt, ist nicht
sentimental, weil sie aus der unmittelbaren Anschauung
lebendig wird.
Heimaterlebnis im allgemein menschlichen
Sinne vermitteln auch die Gedichte „Vom Nöi-
johr bis zum Silväschter", „Die Alte un die
Junge" und „Im Chilchhof zue". Diese ernsten
Gedichte enthalten Fragen und Antworten eines
Beobachters, der das eigene Erleben, Freude oder
Mitleid, mit dem Erleben eines ganzen Volkes
verbindet. Fringeli wird Schilderer erlebter
Schönheit in der Landschaft, in der Arbeit, in
der Andacht. Und seltsam, die erlebte Schönheit
in der Natur erinnert auch einmal an ein Bü-
dungserlebnis dessen, der in der Kunst sich umgesehen
. Da ist der alte krumme Apfelbaum,
durch dessen Geäst das Herbstgold des Abend-
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