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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1961-10/0011
Tätigkeit der Gründer Dr. Alfred Kern und
Edouard Sandoz begann eigentlich mit einer
Enttäuschung. Die beabsichtigte Fabrikation von
basischen Farbstoffen Auramin, Viktoriablau,
Kristallviolett — auf Grund des von Kern und
Caro ausgearbeiteten Verfahrens zur industriellen
Herstellung von Phosgen — stieß auf unvorhergesehene
Patentschwierigkeiten. Auch die
Fabrikation von Alizarinblau war von Pech verfolgt
. Der Reaktionskessel wurde schon nach
wenigen Ansätzen durch eine Explosion völlig
zerstört. Geldknappheit machte den sofortigen
Ersatz dieser Apparatur unmöglich. Weder Anfangsschwierigkeiten
noch Mißgeschicke vermochten
jedoch die beiden Pioniere von ihrem Vorhaben
abzubringen.

1893 erlag der wissenschaftliche Leiter des
Unternehmens, A. Kern, einer Herzkrise. Nur
zwei Jahre später mußte sich auch E. Sandoz aus
Gesundheitsgrund en von der aktiven Geschäftsleitung
zurückziehen.

Doch wieder fanden sich die richtigen Männer
zur Weiterführung des Begonnenen. Die Firma
befand sich nach Uberwindung vieler Schwierigkeiten
in langsamem, aber stetigem Aufstieg, als
der erste Weltkrieg eine neue große Bewährungsprobe
brachte. Es mangelte an allem, an Brennstoff
und Rohmaterial; Kohle mußte durch Holz
ersetzt werden. Die Kette schwerer Pferdefuhrwerke
, die den unersättlichen Dampfkesseln Holz
zuführten, riß in jenen Jahren nicht ab.

Weit schwierigere Probleme stellte die Fabrikation
von Zwischenprodukten, welche vorher
zum größten Teil aus dem Ausland bezogen wurden
. Einkäufer und Chemiker zeigten sich jedoch
der Situation gewachsen. Die entschlossene und
rasche Überwindung der kriegsbedingten Isolierung
ermöglichte weitgehend die Erfolge während
des Krieges und schuf die Voraussetzung
für die spätere Entwicklung.

Die Erhöhung des Umsatzes im Jahre 1918
auf das Zwanzigfache des letzten Vorkriegsjahres
gibt einen annähernden Begriff vom Ausmaß
der Ausweitung des Produktionsvolumens.
Das Resultat erscheint besonders eindrucksvoll,
wenn man bedenkt, welche Schwierigkeiten die
Beschaffung von Roh- und Brennmaterial bereitete
und welche Schikanen in der Abwicklung
des internationalen Handels überwunden werden
mußten.

Die Gründung der pharmazeutischen
Abteilung

Die während des ersten Weltkrieges herrschende
Knappheit an Arzneimitteln gab den Anlaß zur
Herstellung von Aminophenazon als fiebersenkendem
Medikament, Phenolphthalein gegen
Verstopfung und Resorcin, das bei Hautkrankheiten
verwendet wird. Diese bescheidene Auswahl
von pharmazeutischen Feinchemikalien
wurde an Grossisten und Apotheker verkauft.
Die eigentliche Geschichte der pharmazeutischen
Abteilung beginnt aber erst 1917 mit der systematischen
pharmazeutischen Forschung.

Damals war Prof. Arthur Stoü mit dem Aufbau
einer pharmazeutischen Abteilung betraut
worden. In langjähriger enger Zusammenarbeit
mit seinem Lehrer, dem Nobelpreisträger Prof.
R. Willstätter, hatte er bei seinen Forschungen
über Chlorophyll, Methoden ausgearbeitet, die
sich für die Reindarstellung der Wirkstoffe von
Arzneidrogen als außerordentlich fruchtbar erweisen
sollten. Manche Naturstoffe sind so
empfindlich, daß sie bei der Isolierung aus der
Pflanze durch Fermente gespalten oder bei der
Reinigung unter Einbuße an Wirkung umgelagert
werden. Der Kernpunkt des neuen Isolierungsverfahrens
bestand darin, den Wirkstoff mit
chemischen Mitteln an das Zellgefüge zu binden,
ihn von unwirksamen Begleitstoffen abzutrennen
und erst dann zu isolieren.

Mit der neuen Methode gelang es, aus der
Mutterkorndroge (Seeale cornutum) bereits nach
kurzer Zeit ein kristallisiertes Reinalkaloid,
Ergotamin, zu isolieren, das unter dem Namen
Gynergen eine große therapeutische Bedeutung
erlangte.

Stoll nahm 1917 seine Mutterkorn - Untersuchungen
auf, um das wirksame Prinzip des
bereits seit einigen Jahrhunderten in der Volksmedizin
verwendeten „Gebärpulvers" (pulvis par-
turiens) aufzufinden. Das Mutterkorn wurde zum
ersten Mal im Kräuterbuch von Adam Lonicer.
1556 erwähnt. Seine Anwendung in der Geburtshilfe
dürfte aber älter sein. Der Mutterkornpilz
synthetisiert eine Reihe verschiedener Substanzen
, von denen einige bereits im 19. und zu Beginn
des 20. Jahrhunderts isoliert werden konnten
. Welche aber für die Stillung der Nachgeburtsblutungen
verantwortlich war, wußte man
nicht. So war man denn auf Extraktzubereitungen
von sehr geringer Beständigkeit angewiesen,
die gerade im kritischen Moment bei überraschend
auftretenden Nachgeburtsblutungen oft
versagten. Stoll konnte in Zusammenarbeit mit
Klinikern den Beweis erbringen, daß das neu
entdeckte Alkaloid Ergotamin Träger der Mutterkornwirkung
ist. Zum ersten Mal war nun ein
zuverlässiges Präparat vorhanden und damit das
Gespenst der gefürchteten Nachgeburtsblutungen
gebannt.

Galten die ersten Bemühungen der SANDOZ-
Laboratorien vor allem der Bereitstellung von
Mitteln zur Behandlung peripherer Funktionsstörungen
, so wurde in der Folge das Forschungsgebiet
auf die Beeinflussung zentraler,
psychischer Vorgänge ausgedehnt.

Eine Zufallsentdeckung eröffnet
ein neues Forschungsgebiet

Die Geschichte der Entdeckung der Psychose
und Halluzinationen erzeugenden Wirkung von
Delysid (LSD 25) ist schon oft ausführlich erzählt
worden. Wir beschränken uns deshalb auf das
Wichtigste. Dr. A. Hofmann synthetisierte im
Rahmen seiner Untersuchungen über die Bausteine
der Mutterkornalkaloide das Lysergsäure-
diäthylamid. Beim Arbeiten mit diesem Stoff
geriet er in einen eigenartigen, vorübergehenden
Rauschzustand, der mit einem veränderten Erle-

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