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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1961-10/0017
mit dieser Feststellung: wir Alemannen halten
uns die Ohren zu, wenn ein Württemberger den
Versuch macht, eines der Hebel'schen Gedichte
vorzutragen; zu sehr hören wir den schwäbischen
Akzent heraus. Das hindert aber unsere lieben
Nachbarn nicht daran, Hebel sehr zu verehren.
Da war vor zwei Jahren eine wackere Tübinger
Studentin bei mir und erklärte mir, daß sie ihre
Doktorarbeit über Hebel machen werde und erbat
sich von mir einige Unterlagen. Die Dissertation
ist inzwischen leider nur in wenigen Abzügen
erschienen und für jeden Hebelforscher eine
Fundgrube. Jeden Sommer werde ich seit Jahren
mindestens zweimal auf die Jugendherberge
Platzhof bei Kandern gebeten, um vor Gymnasialklassen
aus württembergischen Städten über
Hebel zu sprechen. Ich habe noch selten so aufmerksame
Zuhörer gefunden, mit denen ich in
lebhaftes Gespräch über unsern Hebel kam. Die
zahlreichen Dankschreiben sagen mir, wie sehr
der Alemanne Hebel auch im württembergischen
Land daheim geworden ist.

Wenn wir schließlich noch die Tatsache dazu
nehmen, daß das Kultministerium Baden-Württemberg
, das bisher meist auf eigene Faust, aber
nicht immer glücklich, den jährlichen Hebelpreisträger
unter der Prominenz literarischer Größen
ausgesucht hat, nunmehr auf unsere dringliche
Bitte hin dazu übergegangen ist, Basel, Hausen
und Lörrach das Vorschlagsrecht für den jeweiligen
Hebelpreisträger einzuräumen, so ist
die Verbindung Baden - Württemberg auch in
diesem Punkt eine durchaus erfreuliche und
ersprießliche.

Im Markgräflerland vor hundert Jahren

Sifdjenbecgec

Beim Blättern in alten Zeitungen kann man
immer wieder feststellen, daß die Leute vor hundert
Jahren es genau wie wir Heutigen nicht
ungern hatten, wenn sie ins Blättle kamen. Damals
wie heute war es dem Zeitungsleser ein
angenehmes Gefühl, wenn er etwas von seiner
Person oder seinem Verein oder auch nur seiner
Gemeinde schwarz auf weiß zum Frühstück
serviert bekam. Besonders angenehm natürlich,
wenn der Zeitungsartikel den Betreffenden mit
Namen nannte und so die berichtete Großtat in
Verein oder Gemeinde keinem anderen angerechnet
werden konnte, sondern untrennbar mit
ihm verbunden blieb. Welch ein Hochgefühl für
den Besprochenen, nach einer solchen Lektüre
durchs Dorf und durchs Städtchen zu gehen, ehrfürchtig
bestaunt von den Mitbürgern und Kindern
als ein Mann, der in der Zeitung gestanden
hatte. Ob der also Besprochene den ihn lobenden
Artikel selber veranlaßt hatte oder nicht, oder
ob er ihn gar selbst geschrieben und eingerückt
hatte, konnte man ja weder dem ehrenvoll
Erwähnten noch dem Artikel ansehen. Es wird
auch in diesem Punkt nicht anders zugegangen
sein als heute.

Umgekehrt aber konnte es sehr unangenehm
sein, wenn ein Mitbürger den andern durch
einen Zeitungsartikel in ein schlechtes Licht
setzte, indem er ihn wegen irgend einer Handlung
zur Rechenschaft zog. Das kam freilich
selten vor, aber es kam vor. Der Artikel mit
dem Titel „Fischenberger Gefälligkeit", der in
Nr. 123 (vom 18. Oktober 1861) des „Amtlichen
Verkündigungs-Blattes" auf der letzten Seite zu
lesen stand, ist ein Beispiel hierfür. Offensichtlich
hatte es sich der Einsender etwas kosten
lassen, daß sein Artikel eingerückt wurde: Er
steht mitten unter den Kaufmannsanzeigen,
Stellengesuchen und Wirtsannoncen, genauer
zwischen einer Annonce aus Lörrach, die den
„Schluß der Schießübung und Wirtschaft" im

Gefälligkeit

dortigen Schützenhaus ankündigte, und einer
Annonce des Badwirts Tröndle vom Hauinger
Bad, der auf den 20. Oktober einen Abschiedstanz
ausschrieb, weil er bald „seinen Abzug"
halten wollte. Der Fischenberger Artikel ist also
sicher genau wie eine Annonce bezahlt worden,
und sicher nicht zu knapp, denn er ist im Vergleich
zu einer Annonce normalen Umfangs
recht groß. Es muß dem Schreiber also ein
Herzensanliegen die Feder geführt und den
Geldbeutel geöffnet haben. Der Text lautet so:

Fischenberger Gefälligkeit.
Einer Reparatur wegen mußte ich mein Ciavier nach
Freiburg zum Instrumentenmacher schicken und kam
dasselbe den 10. Oktober zurück nach Müllheim. Den
11. Oktober nahm ich dasselbe am Bahnhof zu Müllheim
in Empfang und bat 4 Bauern von Fischenberg,
die mit leeren Wägen und starken Zügen von Müllheim
nach Hause fuhren, mir dasselbe um guten
Lohn als Retourfuhre mitzunehmen; allein keiner
that es. Unterwegs, im „Ochsen" zu Oberweiler, sol-,
len sich besagte 4 Bauern noch recht lustig darüber
gemacht haben, daß sie mir den „Gefallen" nicht
erwiesen haben. Fischenberg ist ein Filial zu Wies
und gehört in dieselbe Bürgermeisterei. — Das ist
Fischenberger Gefälligkeit, die zwar in loco schon lange
bekannt ist; damit man sie aber auch auswärts kennen
lernt, sei dieselbe auf diesem Wege mitgetheilt.
Wies, den 12. Oktober 1861 Fleig, Lehrer

Dies also der Tatbestand, wenigstens in des
Lehrers Darstellung. Warum der Lehrer Fleig
die Ablehnung der vier Bauern so an den
Pranger stellte, erfährt man ebensowenig wie die
Gründe für das Verhalten der Bauern. Offenbar
waren, wie man zu sagen pflegt, „die Richtigen
aneinandergekommen", die schon lange einen
Pick aufeinander hatten. Waren es junge Bauern,
die der Lehrer — wenn er schon bejahrt war —
vielleicht in der Schule allzuoft über die Bank
gelegt hatte? Oder hatte er ihre Kinder zu
streng behandelt? Oder bestand zwischen Bauern
und Lehrer einfach jene da und dort anzutreffende
stumme und unausgesprochene Feindschaft
, die sich nur zum Teil aus der Verschie-

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