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Maulwurf es im Monat März lehrt Eine solche falsche
Lehre muß das Auge des Freundes der Landwirth-
schaft um so schmerzlicher berühren, wenn sie in
einem Kalender sich befindet, der in Stadt und Land
als ein angenehmer Hausfreund gekannt und mit
seinen munteren Erzählungen und sonst so nützlichen
Belehrungen, mit seinen gut vaterländischen
Gesinnungen in jedem Hause beliebt und gerne
gesehen ist. Es ist bekannt, daß der Verleger dieses
Kalenders sich mit der Verbreitung des ebenso guten
deutschen Familienbuches „Die Gartenlaube" befaßt.
Leser dieses lehrreichen Buches werden sich erinnern
, wie in demselben die verkannten nützlichen
Freunde der Landwirthschaft in der Thierwelt,
worunter insbesondere der Maulwurf, zur Schonung
empfohlen sind. Es will sich nun nicht recht zusammenreimen
, wenn der eifrige Verbreiter der „Gartenlaube
" und zugleich Verleger des vielgelesenen
„Lahrer Hinkenden" in beiden Volks-und Familienschriften
so verschiedene sich bekämpfende Lehren
über den Maulwurf unter die Leute bringt Von
den gemeinnützigen Gesinnungen und Bestrebungen
des „Hinkenden Boten von Lahr" darf aber gehofft
werden, daß derselbe dieser Rüge nicht nur nicht
zürnen, sondern auch in Zukunft die Belehrungen
über den Maulwurf nicht aus ältern Kalendern abschreiben
, vielmehr nach der unumstößlichen Lehre
der Wissenschaft und den neuern praktischen Erfahrungen
in den neuen Kalender aufnehmen wird...
Das war eine deutliehe Sprache. Eine derartige
Rezension würde sich der Lahrer Kalendermann,
der für seinen Absatz im Oberland zu fürchten
hatte, nicht hinter den Spiegel stecken, so war
anzunehmen. Zudem war es möglich, daß dem
Markgräfler Leser des Artikels — die Alemannen
sind ja bekanntermaßen eigenwillige und
selbständige Leute — der allzu häufige Wink
mit der Wissenschaft auf die Nerven ging: der
Bauer pflegt von der Wissenschaft nicht viel zu
halten, und ihre bloße Erwähnung schreckt ihn
eher ab, wenn ihm nicht auch ihre Gründe plausibel
gemacht werden. Hebel hatte diese Gründe
und Reweise anno 1807 noch überzeugend vor-
und nahgebracht, — die Artikelschreiber von
1861 schrieben einen matten und nicht überzeugenden
Stil. Wie dem nun auch sei, — nachdem
der zweite Artikel zu Gunsten des Maulwurfs
erschienen war, erhoben sich Gegenstimmen
; ob sie nun echte „Volkesstimme" darstellten
oder vom Verleger des Lahrer Kalenders
veranlaßt waren, bleibe — weil nicht auszumachen
— dahingestellt. Im „Oberländer Boten"
Nr. 152 vom 25. Dezember flackerte die Schermausfehde
wieder auf:
In Nr. 149 des „Oberl. Boten" ist wiederholt das
Fangen des Maulwurfs mit einer Verächtlichkeit
besprochen, als wäre der Maulwurf mit seiner unerhörten
Gefräßigkeit der einzige Beförderer des
Gartenbaues.
Eine jede Hausfrau baut und pflegt ihren Küchengarten
, und sieht mit Freude und Stolz auf die
Üppigkeit der Gewächse und das Gedeihen ihres
Fleißes an denselben. Aber, o weh, auf einmal
kommt der Maulwurf oder mehrere, und während
dieselben ihre über alles Maß gepriesene Gefräßigkeit
befriedigen, ist der Boden des Gartens in Kreuz
und Quer nach allen Richtungen durchbohrt und
aufgewühlt, daß der Garten einer Ruine gleicht
Ja, Einsender! wir sprechen hier aus Erfahrung;
man könnte noch vieler Thiere Gefräßigkeit rühmen,
wenn man den Schaden umgehen wollte, den sie
dadurch verursachen. F.
Wie hatte Hebel Einwürfe aus dieser Richtung
1807 schon abgetan? „Dafür ist in einer fleißigen
Hand der Rechen gut.. . ", hatte er geschrieben,
und sicher mit Recht. 1861 aber ging im Mark-
gräflerland der literarische Schermauskrieg fröhlich
weiter. In Nr. 153 des „Oberländer Boten"
vom 30. Dezember 1861 meldete sich nun eine
Stimme zu Wort, die den Preis der durch die
Maulwurfvertilgung möglichen Arbeitsverminderung
mit untertänig buckelnder Behördenfrömmigkeit
verbindet:
Landwirthschaftliches
Den Maulwurf betreffend
Im „Oberländer Boten" 1861 Nr. 149 lesen wir eine
Beschuldigung gegen die Gemeindebehörden, daß
dieselben bis im Frühjahr gegen den Maulwurf
wieder in den Krieg ziehen werden. Dem Einsender
jenes Artikels ist jedenfalls nicht bekannt warum
man gegen den Maulwurf in den Krieg zieht warum
man denselben zu vertilgen sucht: der Maulwurf ist
jedenfalls als Insektenfresser bekannt, auch in dieser
Beziehung nützlich, im anderen Theil aber ist der
Maulwurf ein garstiges Thierchen und mehr schädlich
, das dem Landwirth die schönsten Wiesen vor
der Heuetzeit mit Grundhäufchen aufwühlt, so daß
er, wenn man diesem keine Schranken setzte, die
Sichel statt der Sense brauchen müßte. Darum, ihr
praktischen Landwirthe, die ihr mit mir schon durch
große und kleine Maulwurfshäufen die Sense gezogen
und das Verdrießliche dieses gewiß auch kennt
stehet fest zu euern Gemarkungsbehörden und lasset
eine Anempfehlung, wie solche in Nr. 41 des „Oberl.
Boten" und jetzt zum zweiten Mal zum Vorschein
kommt nicht auftauchen und behaltet die Lehre des
„Lahrer Hinkenden Boten", welcher anempfiehlt im
Monat März die Maulwürfe zu fangen, ehe sie
Junge werfen. B—.
Man glaubt es dem Artikel ohne weiteres, daß
er von einem „praktischen Landwirth" geschrieben
wurde; ohne Rücksicht auf Stil sagt er das,
worauf es ankommt, unverblümt. (Daß er in
dem Sichel - Sense - Vergleich statt des heute
sicher fällig gewesenen Worts „gebrauchen" das
kräftigere „brauchen" im Sinne von „benutzen"
setzt, berührt sehr sympathisch; heutzutage
macht man leider ja bei uns, überlagernden
Sprachtendenzen folgend, kaum mehr einen
Unterschied zwischen den beiden Worten, fälschlicherweise
, versteht sich.) — In der Sache Maulwurf
bringt der Schreiber allerdings nichts
Neues; er begnügt sich, das Längstbekannte zu
wiederholen, und glaubt damit die Maulwurfanhänger
zum Schweigen gebracht zu haben, und
dies außerdem als Jahresabschluß sozusagen.
War das der Fall?
Keineswegs. So leicht ließen sich die Maulwurfanhänger
im MarkgräfLerland denn doch
nicht abschießen. Das neue Jahr 1862 sieht die
Schermausfehde im Oberland lustig weitergedeihen
. Sie wird nun allerdings, da Gründe
und Gegengründe immer die gleichen sind und
beide Seiten nichts Neues vorzubringen haben,
rein literarisch. Mit anderen Worten: Das Altbekannte
wird in neuen literarischen Formen
dargeboten, um den Leser zu fesseln und auf
dem Weg über das Wohlgefallen an der schönen
äußeren Darbietung für den Gehalt der Artikel
zu gewinnen. Wie dies geschah, sei noch eine
kurze Spanne weit verfolgt. Schon die Nr. 1 des
„Oberländer Boten" vom 1. Januar 1862 zeigt die
Pro-Schermaus-Leute wieder auf dem Plan; sie
haben einen Artikel aus den einmal erwähnten
„Landwirtschaftlichen Berichten" von Babo, dort
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