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heute noch auf jene fernen Zeiten hin. So grüßt
uns der an der Hauptstraße gelegene Fachwerkbau
, das „Pfifferhüs", eine mittelalterliche Gaststätte
für die Pfeifer, mit seinem geraniengeschmückten
Erker, an dessen dunklem Gebälk
von Meisterhand die Verkündigung Mariens ein-
geschnitzt ist.
Auch der Pfeifertag selber wird heute wieder
am ersten Sonntag im September festlich begangen
. Aus nah und fern strömen die Menschen
zusammen, um die reizvolle Stadt zu bewundern
: Die beiden von Storchennestern bekrönten
Türme, die hübsche Parkanlage des „Herren-
gartens", malerische Winkel in den Gassen und
Gäßchen, oder den am Sinnplatz gelegenen
Rappertsweiler Amtshof, an dem eine Gedenktafel
an den hier 1801 geborenen Physiker Carl
August v. Steinheil erinnert.
Dann herrscht reges Leben und Treiben zu
Füßen des aus dem 13. Jahrhundert stammenden
Metzgerturms, der mit altertümlicher Uhr, Wasserspeiern
und fein ziselierter Steingalerie auf
den Marktplatz niederblickt. Dort läßt der
Renaissance-Brunnen statt des sonst gespendeten
Wassers an diesem festlichen Tage den berühmten
Rappoltsteiner Riesling und Trarninerwein
hervorsprudeln — eine unentgeltliche Spende, an
der sich nicht nur die in malerischen Trachten
erschienenen Elsässer, sondern auch die vielen
Fremden gerne laben.
Lina Ritter - Potyka:
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Wer am Vorletzten Herbstsonntag dieses Jahres
durch die nordwestlichen Dörfer des Kaiserstuhls
fuhr, konnte sich über die vielen Leute
wundern, die den Rheinauen zustrebten; manche
in feierliches Schwarz gekleidet, die Frauen
bunte Sträuße in der Hand. Es wäre ihm auch
aufgefallen, daß in dem schönen Dorf Jechtingen
Männer mit Musikinstrumenten in einen Lastwagen
stiegen; auch ein alter „Herr Pfarrer"
stand unter den Wartenden
. Außerhalb des Dorfes,
dem Rheine zu, wallten sie
in Scharen durch Feld und
Flur. Zu einer Trauerfeier
schienen sie nicht zu gehen
; es lag auf den Gesichtern
eine helle, fast
frohe Erwartung. Auch an
die Vorverlegung des Allerseelenumgangs
war nicht
zu denken; dafür hätten
sie die Dörfer nicht verlassen
.
Die Gruppen im Hof der
Herberge „Zum Sponneck"
gesellten sich zu vielen andern
, die durch den Burggarten
dem freien Wiesenrund
zustrebten. Ein rechteckiges
Blumenbeet, daraus
zwei Gedenksteine ragen
, war aller Ziel. Dort
wurde der zehnte Todestag
des Malers Adolph
B ü h 1 e r in einer würdigen
Gedenkstunde begangen
.
Die gleichen Heere von
dunklen und helleren Wolken
, wie sie Bühler im Frühlingswehen und
im Herbststurm gemalt, zogen jetzt über die
Versammlung hin, — keine offizielle Prominenz,
wenige Verwandte und Freunde, aber fast alles
Bewohner. der umliegenden Orte. Feierlich
stimmte die Dorfmusik den Choral an. Es öff-
Hans Adolf Bühle:
nete sich schon da und dort der Wolkenvorhang,
als von Männerstimmen ein wehmütiges Volkslied
erklang. Plötzlich brach die Sonne durch —
sie wollte auch teilhaben an dieser Feier der
Herzen. Der junge Pastor las die Psalmen von
der Herrlichkeit aller Hilfe von oben, zeichnete
dann in warmen, eindringlichen Worten ein
Schaffensbild des Heimgegangenen, und erinnerte
an seine große Menschenliebe. Die Bauern
und Bäuerinnen aus der
Umgebung nickten als eifrige
Zeugen. Im Westen
schien der alte Rhein stillzustehen
, in immer wiederkehrenden
Sonnenminuten
leuchtete der neue Kanal
auf.
Dann zog die Versammlung
an die Mauer des
Sponneckturms, angesichts
des leider verwitterten
Freskos, das der Meister
als Botschaft der größten
Weisheit: Mann, Frau und
Kind sind die gottgewollte
Einheit, weit über die Lande
hinaus verkündet hat.
Die Töne aus den Musikinstrumenten
schienen jetzt
heller zu klingen, die Stimmen
der Sänger gingen
noch mehr ins Gemüt. Vor
die mit blaugelbem Tuch
verhüllte Burgmauer trat
nun der Bürgermeister von
Jechtingen, bezeugte unter
freiem Himmel die Zusammengehörigkeit
des Meisters
mit seinen Mitbürgern
und der Bevölkerung der Umgebung.
Hans Adolph Bühler sei nicht nur ein großer
Künstler, er sei auch ein großer Menschenfreund
gewesen, für den Letzten und Ärmsten
immer zum Helfen bereit. Gleich warm
und von edlem Stolz erfüllt sprach der Bürger-
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