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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1962-03/0012
konnten die Züge unter Umgehung der unter
französischem Artilleriebeschuß liegenden Strecke
Lutterbach-Bollweiler (Hauptstrecke Mülhausen-
Colmar) von Colmar nach Mülhausen fahren.

Schwere Wochen erlebte das Städtlein im
Kriegswinter 1944/45 durch einen Fliegerangriff
auf das Zuchthaus, in dem kriegswichtiges Material
angefertigt wurde, durch Sprengung der
Iiibrücke, durch schweres Artilleriefeuer, dem
viele Häuser zum Opfer fielen. Ein eindrucksvolles
Denkmal des elsässischen Bildhauers Saur
erinnert an die Heimsuchung des Städtleins und
an die nicht mehr Heimgekehrten.

Heute sind die Kriegsspuren verschwunden.
Ensisheim baute ein modernes Spital, erhielt
durch hochherzige Stiftung ein Altersheim, neue
Häuser wurden gebaut, dem Schulproblem die
größte Aufmerksamkeit gewidmet. Wenn auch
die Bahnlinie nach Colmar und Bollweiler als
unrentabel für den Personenverkehr eingestellt
wurde, so wird Ensisheim durch die Elektrische
nach Mülhausen bedient und durch Autobuslinien
mit Neubreisach, Colmar, Mülhausen und Gebweiler
verbunden.

Ein Rundgang durch Ensisheim

Ensisheims Stolz ist sein Rathaus, das ehemalige
habsburgische Regierungsgebäude, das
glücklicherweise erhalten geblieben ist. Im Jahre
1540 war es im Stile der deutschen Renaissance
erbaut worden; ein prächtiger Bau, dessen unterer
Teil, das gotische Hallengewölbe, an das
Basler Rathaus erinnert. Basler Baumeister haben
daran gearbeitet. Leider hat man in der
Revolution aus Haß gegen alles, was an Adlige
erinnert, die um den Bau ausgeführten Medaillons
- Bildnisse der Habsburger weggeschlagen.
Aber auch so ist das Gebäude mit seinen
Renaissancefenstern, seinen Wappen als Schlußsteine
des Hallengewölbes, seiner schönen Gliederung
ein prächtiges Werk. Seit einigen Jahren
dient es nicht mehr als Rathaus, sondern birgt
ein kleines durch einen Lokal - Geschichtsverein
angelegtes Museum und einen großen Festsaal
im Renaissancestil. Das wertvollste Objekt dieses
Museums ist unstreitig der berühmte Meteorstein
, der am 7. November 1492 am hellen Tag
mit furchtbarem „Donnerklapf" im Oberfeld unweit
der Zollhäuser vom Himmel gefallen. Die
meisten Chroniken berichten von ihm, denn den
Donnerschlag hörte man bis nach Lothringen und
Burgund, bis an die Donau und überall in der
Zentralschweiz. Der Meteorfall galt als böses
Omen für manche Umwälzung in Kirche und
Reich. Damals wog er 260 Pfund, aber gar mancher
, als erster Kaiser Maximilian I., nahm ein
Stück von ihm als Andenken mit. Man brachte
ihn in die Pfarrkirche, wo er bis zur Revolution
aufbewahrt wurde. Damals holten ihn die Colmarer
, um ihre naturhistorischen Sammlungen
zu bereichern, mußten ihn aber nach 1800 wieder
zurückgeben. Sebastian Brant hat ihn in
einem lateinischen Gedicht besungen. Goethe ritt
eigens nach Ensisheim als Straßburger Student,
um den seltsamen Himmelsstein zu bestaunen,

der auf den Hochschulen geologisch und chemisch
untersucht wurde.

Dem Rathaus gegenüber steht die Vorderfront
der ehemaligen Jesuitenkirche im einfachen
Barockstil. Im Jahre 1551 hatten die Habsburger
unter dem Einfluß des hoch gebildeten Pfarrers
Rasser in Ensisheim eine Humanistenschule, das
Seminar, gegründet, dessen Wohltäter Rasser
war. Johann Rasser war ein gebürtiger Ensis-
heimer, wirkte hier über drei Jahrzehnte als
Geistlicher, später ebenso in Colmar und war in
Kirche und Schule überaus tätig. Er hat Predigten
veröffentlicht und für das Seminar zwei
Schulkomödien verfaßt. Die eine, betitelt „Ein
christliches Spiel von der Kinderzucht", wurde
1573 in Bern gespielt; die andere „Vom König,
der seinem Sohne Hochzeit machte", spielten die
Ensisheimer Schüler und wurde 1576 in Basel
gedruckt. Im Jahre 1614 wurde das Seminar
durch ein Jesuitenkolleg ersetzt, das einen großen
Aufschwung nehmen sollte und das durch
die Habsburger die fast ausgestorbenen Priorate
Gottestal und Feldbach im Sundgau, Froide-
fontaine und Saint-Nicolas-du-Bois im Belforter
Territorium erhielt. Das Kolleg war nicht nur
ein religiöser, sondern auch durch seine Dramen
und Komödien, sowie durch seine reiche Bibliothek
ein kultureller Mittelpunkt des Oberelsaß.
Leider blieb von der Barockkirche nur die Vorderfront
erhalten. Nach der Unterdrückung des
Jesuitenordens (1774) benützte man die Gebäu-
lichkeiten als Armenhaus, dann als Lazarett, als
Gefängnis für Verdächtige in der Revolutionszeit,
zuletzt als Maison centrale dedetention. Neue
Gebäude wurden errichtet, vom JesuitenkoUeg
blieb nichts mehr übrig. So erhielt Ensisheim
sein Zuchthaus, ein weit ausgedehntes Areal.

Wohl der bedeutendste Schüler des Jesuitenkollegs
war Jakob Balde (1604/68), der aus Ensisheim
stammte, in den Orden eintrat und in
Ingolstadt starb. Durch seine klassischen Oden
und Gedichte erhielt er den Ehrentitel eines
„deutschen Horaz". Mit Recht steht seine Büste
über dem Eingang des alten Rathauses.

Auf der gleichen Seite wie das Zuchthaus
bewundert der Geschichts- und Kunstfreund den
Gasthof „Zur Krone" mit einem reich skulptier-
ten Erker und einem geschwungenen Giebel
(1610). Etwas weiter in der Hauptstraße fällt der
Gasthof „Zur Stadt Kolmar" mit einem gediegenen
Balkon auf. Noch manches alte schöne Haus
kann man in den Seitengassen entdecken, vor
allem in der Nähe der Kirche, mit Wendeltreppenturm
, altehrwürdigem Türsturz, mit Erker
und wappengeschmückten Türen. Ensisheim will
entdeckt sein, — keinen wird es gereuen.

Leider enttäuscht in gewissem Sinne die
Pfarrkirche. Das alte Gotteshaus, eine Martinskirche
, was auf eine frühe Christianisierung
weist, stürzte 1854 zusammen und wurde 1863
durch die jetzige, eine neugotische Kirche ersetzt.
Wer die Schilderung des ehemaligen Gotteshauses
liest, bedauert den Verlust dieses künstlerisch
und historisch wertvollen Bauwerkes mit
seinem Hochaltarbild des Basler Meisters Joseph

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