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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1962-04/0014
Und:

Baut die Ameise hoch ihr Haus,
Fällt der Winter trocken aus.

Ähnlich:

Türmt die Ameis hohe Haufen auf,
Folgt ein langer, strenger Winter drauf.

Doch damit der an Tiere anknüpfenden Praktiken
genug — werfen wir einen Blick ins
Pflanzenreich, um zu sehen, welchen Gewächsen
Wetterprophetie zugeschrieben wird. Wer einigermaßen
wachen Sinnes in Feld und Wald und
im Garten sich umsieht, weiß, daß es sehr viele
Kinder Florens gibt, die ihre Blüten schließen,
wenn Regen zu erwarten ist. Sie tun es lange,
ehe wir Menschen merken, daß sich die Witterung
zu ändern anschickt. Vielleicht das anschaulichste
Beispiel gibt die Silberdistel ab, die Carlina
acaulis, die denn auch Wetterdistel heißt.
Da strahlte der weit und voll geöffnete Blumenkorb
der Silberdistelblüte den Vormittag über
der Sonne entgegen — mit einmal schließen sich
die steifen Kronblätter zusammen zu einem
stacheligen Gebilde, das einer Knospe gleicht.
Und richtig nach ein paar Stunden streift ein
Sommergewitter über die Weidfelder. Regen
peitscht hernieder. Der Silberdistel kann er freilich
nichts anhaben. Kommt dann nach einer
halben oder einer ganzen Stunde die Sonne wieder
hinter dem davon schwimmenden Gewölk
hervor und lohnt es sich noch, so öffnet die
Wetterkünderin wieder ihre Blüte, sie, die viel
früher als die Wanderer, ja, selbst als die
Bauersleute auf den Äckern gefühlt hatten, was
sich dann tat. Der Vorgang, um den es sich
handelt, die scheinbare Befähigung der Pflanze,
dem Wetter zuvorzukommen, hat die Botaniker
immer wieder beschäftigt, ohne daß die Gelehrten
sich über das Problem restlos einig geworden
wären. Man nimmt an, daß das Schließen
und Öffnen durch Spannungsunterschiede hervorgerufen
wird, die durch Licht und Wärme
zwischen den äußeren und inneren Gewebeschichten
der Hüllblätter ausgelöst werden.

Und nun mögen einige weitere Wetterregeln
folgen, die auf Beobachtungen an Pflanzen sich
beziehen:

Blühen Disteln reich und voll,

Ein schöner Herbst uns erblühen soll.

*

Stehen die Blüten der Königskerze — auch
Wollblume genannt — tief am Stengel, wird
frühzeitig Schnee fallen, folgen auf die untersten
Blüten viele Blätter, wird nach dem ersten
Schneefall eine längere, schneefreie Zeit kommen
; stehen aber die Blüten nahe an der Spitze
des Stengels, dann wird es erst bei der zweiten
Hälfte des Winters schneien.

Fürwahr eine recht seltsame Praktik. Man
begegnet unter sozusagen botanischen Wetterregeln
bisweilen solchen, die erkennen lassen,
daß sie auf Beobachter zurückgehen, die aus der
Prophetie einzelner Gewächse fast eine Geheimniswissenschaft
machen möchten. Es handelt sich
ja in diesem Fall auch um eine Königskerze,

der schon um ihres vornehmen Namens willen
eine ungewöhnliche Befähigung zum Vorhersagen
zugetraut wird.

Doch hören wir weiter pflanzliche Wetterankündigungen
:

Spate Rosen im Garten,

Schöner langer Herbst — der Winter läßt auf
sich warten.

Aber auch:

Viel Rosen — Winterrosen.

Verständlich erscheint es, daß zahlreiche Wetterregeln
aus dem Laub der Bäume und aus
seiner Neigung, im Herbst früh sich aus dem
Geäst zu lösen bzw. lange an ihm haften zu
bleiben, Schlußfolgerungen ziehen.

Fällt das Laub früh oder spat von den Baumen,
Wird der Sommer früh oder spät das Feld räumen.

Und:

Sitzen die Blätter am Baume fest,

Ein strenger Winter sich erwarten laßt.

Ferner:

Wenn das Laub von Bäumen und Reben vor Martini

(11. November) fällt,

Ist ein kalter Winter bestellt.

Gerne setzt man Eiche und Esche zueinander in
Beziehung:

Grünt die Esche vor der Eiche,
Halt der Sommer große Bleiche,
Sproßt aber die Eiche vor der Esche,
Hält der Sommer große Wäsche.

Begreiflich erscheint es, daß den Galläpfeln
— in den Praktiken „Eichäpfel" genannt — um
ihrer Absonderlichkeit wegen besondere Bedeutung
zugemessen wird:

Willst du aufs Wetter im folgenden Jahre achten,

Mußt du im Herbst die Eichäpfel betrachten.

Haben sie Maden,

Wird's Jahr wohl geraten.

Haben sie Fliegen,

Wirst du ein Mitteljahr kriegen.

Haben sie Spinnen,

Wird ein schlechtes Jahr beginnen.

Sind sie im Innern ordentlich trocken,

Wachst viel Weizen und viel Roggen.

Werden sie aber feucht befunden,

Einen nassen Summer sie dir verkünden.

Oder:

Sind der Eichäpfel viel und sind sie früh,
Bringt ein Winter große Kalt', Schnee und Müh.

Auch auf den Saft der Bäume achtet man gerne.
So:

Fließt noch im Herbst der Birke Saft,
Bleibt der Winter ohne Kraft.

Aber:

Findet man die herbstliche Birke ohne Saft,
Erscheint bald der Winter mit aller Kraft.

Von solchen Wetterregeln, die meist zeitlich
sehr weit zurückliegen, noch diese:

Willst du wissen, ob der Winter kalt oder warm
wird sein,

So gehe am Allerheiligentag wissensdurstig

In ein Gehölz von Buchen: [hinein

Allwo du ein Zeichen magst suchen:

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