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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1962-04/0017
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Wer in diesen Frühlingstagen durch unsere
Laubwälder wandert, begegnet nicht nur ungezählten
Anemonen, den „bleichen Zionstöchtern",
die weiße Tüchlein umgebunden haben, sondern
auch den „ungleichen Schwestern": einem Pflanzenwesen
, das zugleich hellrote und blaue Blütenkronen
trägt. Es ist dies eine unserer schönsten
Frühlingsblumen: das Lungenkraut (Pumo-
naria offizinalis).

Die Blumen ähneln in der Form jener der
Schlüsselblume; die „ungleichen Schwestern"
sind aber keine Primeln; sie zählen vielmehr —
wie das Vergißmeinnicht und der Boretsch — zu
den „rauhblättrigen Gewächsen".

Der Name „ungleiche Schwestern" ist zumal
in der Schweiz im Gebrauch. Wie kam diese
eigenartige und schöne Frühlingsblume, die vom
März bis zum Mai einen Schmuck unserer Wälder
bildet, zu dem Namen Lungenkraut?

Einst glaubten die Menschen an die sogenannte
„Signatur der Pflanze". Sie bestand
darin, daß man glaubte, jede Pflanze trage
besondere Kennzeichen für eine besondere Heilkraft
. Herzstärkende Heilpflanzen hatten Herzform
, Mittel gegen Leberleiden hatten Leberform
; gegen Gelbsucht und Sommersprossen
wandte man den gelben Saft des Schöllkrautes
an, gegen Sodbrennen und Seitenstechen die
Brennessel. Das Lungenkraut stand von je in
dem Rufe, die kranke Lunge heilen zu können.
Die Blüten unserer Frühlingsblume sind nämlich
zuerst hellrot, dann violett, dann dunkelblau. So
ist auch das Blut, das vom Herzen zur Lunge
und von der Lunge zurück zum Herzen strömt,
bald hellrot, bald dunkelblau, je nachdem, ob es
mit Sauerstoff gesättigt durch die Pulsadern
schießt oder durch die Blutadern (Venen) sauerstoffarm
getrieben wird. Es schien also in unserem
Kraut wie in einer menschlichen Lunge ein
Austausch zwischen arteriellem und venösem
Blut als Heilmittel vorgezeichnet.

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Lebensdaten: geboren 14. 4.1906, aufgewachsen
in Sulzburg im Markgräflerland, Ahnen
stammen aus Kippenheim, wohin Jacobus Baum,
„der alt Schriiner" während des Dreißigjährigen
Krieges, von Schlesien kommend, eingewandert
war. Zum Stamme Baum gesellten sich die aus
der Schweiz gekommenen Goetz aus Schmieheim,
auch Stulz, der Schneider „vom Adel" ist darunter
, und von der Mutter her kam die Lahrer
Sippe der Meurer. Rotteckoberrealschule Freiburg
, — Inflation verhinderte den geplanten
Beruf des (Musik-) Lehrers, — denn schon der
Großvater, ein Poet bei Gelegenheiten, war in
Bötzingen am Kaiserstuhl Lehrer gewesen, —
Kaufmannslehre in Mannheim, dann über Villingen
, Karlsruhe nach Freiburg, Prokurist in
einem Kunstseidenwerk, jetzt freie Kopf- und
Handarbeit.

Zum Dichten kam ich 1944 in schwerster Zeit
aus der inneren Flucht in die Welt des Einfachen
. „E chlaini Strickeri" hat noch die Tonfolge
und die Versgestalt Hebels. Aber schon in
diesem ersten Gedicht versuchte ich, eine eigene
Gestaltung in das Idyllische der Mundart zu
bringen. So hob ich, neben der Gegensatzwirkung
von Jung und Alt, Lernen und Können, die
Gedichtmitte heraus durch den kindlich geformten
Lehrsatz: „Ai Noodle drii un ummeglayt, —
durzoge un *e Letschli draiht!", der dann wie ein
nochmals aufklingendes Thema in der Schlußzeile
wiederkehrt. Auch war ich, wie es Burte
gezeigt hatte, bemüht, die alten, allmählich
schwindenden Wörter festzuhalten. Ich sah, wie
außer diesen uralten Wörtern, Gebräuche, fest-
eingebürgerte Lebensformen und anderes dahin-
sank. Dies bewog mich, der strengen Gesetzmäßigkeit
im Gedicht da und dort besondere
Beachtung zu schenken.

So baute ich mein erstes Buch „Johr us
Johr ii" 1948 zahlensymbolisch nach dem Jahreslauf
auf: sieben Tage ergaben sieben Gedichtsgruppen
, zwölf Monaten entsprachen zwölf Zeilen
und so fort. Es gab damals schon vier solcher
Gedichtfolgen, deren Einteilung sinngemäß ähnlich
waren: eines von dem Schwaben Sebastian
Blau, eines von dem Kärntner Merker, eines
von dem Schweizer Georg Thürer und eines von
Josef Weinheber. Ich zog sie alle zu Rate und
bin auch heute noch überzeugt, nicht ein Wort
abgemalt zu haben.

In meinem Bestreben, Formales zu gestalten,
entstand unter anderem die Versform eines
Sechszeilers, bei dem sich die männlichen Reime
der ersten, zweiten, fünften und sechsten Zeile
gleichen, dazwischen unterbrechen zwei weibliche
Reime das Bestimmte, Kräftige der andern.
In dieser Art ist zum Beispiel der Dezember in
allen Gedichten durchgeführt. Diese Dezember-
Folge ist übrigens die bekannt gewordene „Alemannische
Weihnachtslegende", zu der ich auch
die Musik schrieb. Im Dezember 1961 wurde sie
zum elften Male gesendet.

Wenn Burte schon das Sonett in die Mundart
eingeführt hatte, so versuchte ich noch andere
Versarten: die Sapphische Strophe, die GhaseLe,
eine mit einer alkäischen Zeile, die Hymne, das
Akrostichon und anderes. Davon angeregt, hat
Hermann Burte dann auch das Akrostichon verwendet
und zwar in den zwei letzten Gedichten
in „Seele des Maien", wo er die Lobpreisung an
Hebel mit seinem eigenen Namen verbindet.
Das letzte wird ja in der Vertonung von Franz
Philipp überall im Lande gesungen. Daran möge
man erkennen, daß die Auferlegung eines
strengen, ja starren Maßes für den schöpferischen
Menschen bisweilen zum Bedürfnis wird.

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