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Gerhard Geiger:
Slurfocmen ©übbafcens
(Schluß.)
Die blockförmige Flurform der Reutfelder ist
neben anderen Faktoren darauf zurückzuführen,
daß man zum Umbrechen des Rasens einen
eigenartigen Pflug verwendet hat. Es ist nicht
der im Bereich der Gewannfluren des Rheintales
übliche Pflug mit schwach gewölbtem, eisenbeschlagenen
Streichbrett, sondern ein „Stichelpflug
" — mancherorts auch ein „Reißpflug" —,
der hier zur Verwendung kam. Der schwere
Reißpflug ") wurde gewöhnlich von sechs Ochsen
gezogen und ist von recht altertümlicher Bauart
. Er wurde ausschließlich zum Umbrechen des
Rasens verwendet, ein eigentliches Pflügen war
mit ihm nicht möglich, da die Schollen nur aufgebrochen
, nicht aber gewendet wurden. Wollte
man dies trotzdem erreichen, so mußte man
kreuz und quer pflügen IS). Mit einem „Stichelpflug
", einem Hakenpflug, wurde die Saat in
den Boden gebracht18a).
Die Mehrzahl dieser Reutfelder wurde jedoch,
wie dies heute noch bei der Feld - Gras - Wirtschaft
des Südschwarzwaldes üblich ist, mit der
Hacke bearbeitet. Gras- und Daueräcker und
Dauerwiesen im „zahmen Feld" sind vom „wilden
Feld" geschieden, das nur der Beweidung
vorbehalten ist, wobei jedoch zum Teil nach
einer Aufteilung der Allmende auch Felder und
Wiesen in die Weidflächen verlegt wurden
Der Grund für diese Trennung zwischen „zahmem
" und „wildem" Feld liegt in der Agrar-
verfassung des Südschwarzwaldes; hier sind, wie
bekannt, die Weidfelder meist im Besitz der
Gemeinden"). Das „zahme" Feld ist im südlichen
Schwarzwald stark parzelliert, die einzelnen
Flurstücke liegen im Gegensatz zum Mittelschwarzwald
in Gemengelage an der Peripherie
der Siedlung, während im mittleren Schwarzwald
, einem Gebiet der Streusiedlung mit Erbhöfen
die einzelnen Gehöfe am Rande oder in
unmittelbarer Nähe ihrer Blockflur liegen. Die
stark parzellierten, zum Dorfe hin gelegenen
Gewanne der Schwarmsiedlungen des Südschwarzwaldes
weisen das Bild eines gewann-
flurartigen Parzellengefüges auf; die äußeren
Flurareale kommen dagegen in ihrer bereits
regelmäßigeren Streifeneinteilung oft in Gemengelage
liegenden Blockstreifenfluren nahe.
Die starke Parzellierung des Besitzes ist vielerorts
die gleiche wie in den Weinbaudörfern der
Rheinebene, übertrifft diese sogar noch in extremen
Fällen"). Im Durchschnitt kommen etwa
18 bis 20 Parzellen, die über die Gewanne zerstreut
liegen, auf einen Besitzer").
Die mit diesem Flurformentypus verbundenen
Siedlungen sind durch allmähliches Zusammensiedeln
, durch Dorfballungen und fortwährenden
Ausbau aus Einzelhöfen oder kleineren
Hofgruppen erwachsen"). Ein wesentlicher Faktor
, der diesen Dorfverdichtungen zugrundelag,
ist in der Sitte der Erbteilung zu sehen; sie erst
ermöglichte die dauernden Teilungen der Fluren
und damit die Zersplitterung des Besitzes, ein
allmähliches Zusammenrücken der Höfe. Als
treffendes Beispiel für diesen sich allmählich
weiterentwickelnden Vorgang ist die Entstehung
der fünf Dorfgemarkungen Bernaus herauszustellen
, die ahe auf St. Blasianische Lehenshöfe
zurückgehe! Im ganzen charakterisiert sich
also der Süaschwarzwald als ein Rückzugsgebiet
älterer Flurformentypen und älterer, extensiver
Nutzungssysteme. Sind im Rheintal und in der
Vorbergzone die Dreifelderwirtschaft mit ihren
Weiterbildungen die vorherrschenden Betriebssysteme
, so kommt diese Aufgabe im Südschwarzwald
mehr der Egarten- oder Feld-Graswirtschaft
zu ").
Die Dreifelderwirtschaft ist heute im Oberrheintal
durch die Flurbereinigungen des letzten
Jahrhunderts verschwunden. In einigen wenigen
Gemeinden, zum Beispiel Grißheim17), ist noch
heute deutlich die Unterteilung der Flur in drei
Felder, in ein Ober-, Mittel-, und Unterfeld in
den Flurnamen zu erkennen. Als ein Relikt dieser
alten Flurverfassung läßt sich ein Komplex
von 18 Gemeinden nennen. In diesen Gemeinden
wird noch heute das Ackerland nach dem
System der Dreifelderwirtschaft bebaut. Es ist
eine verbesserte Dreifelderwirtschaft, die naturgemäß
heute auf die Brache verzichten kann.
Eine Auflockerung erfährt diese alte Flurverfassung
in der Gegenwart durch den Anbau von
Hackfrüchten und Grünfutter sowie durch eine
Ausdehnung des Obstbaues. Oft sind auch nur
selten drei Felder vorhanden; daneben gibt es
Ackerfluren, die nie in diese Dreigliederung miteinbezogen
waren und immer individueller
Nutzung vorbehalten blieben". Die stark parzellierte
Flur dieser Gemeinden ist zumeist eine
Miniaturgewannflur1'). Das herausragende Kennzeichen
dieser verbesserten Dreifelderwirtschaft
ist nun aber der noch heute streng eingehaltene,
zielgebundene Anbau, ja selbst alte Uberfahrtsrechte
bestehen noch, nachdem der Flurzwang
längst der Vergangenheit angehört.
II.
Zur Genese der Flurformentypen
Robert Gradmann1) hatte in der Gewannflur
eine Flur der Landnahme gesehen; für ihn war
die Markgenossenschaft mit ihrer Feldgemeinschaft
der Schlüssel für die Entstehung der Gewannflur
. Erst allmählich wurde Kritik an seiner
grundlegenden, genialen Konzeption — Landnahme
in der jüngeren Steinzeit, Ausbau der
kontinuierlich besiedelten Flächen im Mittelalter,
Konstanz der Siedlungsgebiete bis in die Gegenwart
— vorgebracht*), die sich mit der von
Müller-Willes) herausgestellten Erkenntnis, daß
das süddeutsche Haufendorf mit seiner Gewann-
flur nicht uralt sei, verdichtete: das Haufendorf
entstand durch einen Ballungsvorgang, ein Zusammensiedeln
kleinerer Gehöftgruppen (Drub-
bel) mit ihren Langstreifenfluren und viehbetonter
Wirtschaft zu größeren Dorfformen mit Gewannflur
und getreidebetonter Landwirtschaft4).
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