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Dr. Karl Mötsch, Freiburg:
3bolf (Mattatfer - au* RanöjaFob^Walec
Es ist nicht allgemein bekannt, daß der Hebel-
Maler Adolf Glattacker, der vor kurzem durch
eine hohe Auszeichnung geehrt wurde, zeitenweise
auch mit dem Volksschriftsteller Heinrich
Hansjakob in persönlicher Verbindung stand und
uns dessen Kopf mit dem typischen großen Hut
in einem vortrefflichen Aquarell erhalten hat.
Im Jahre 1906 wohnte Glattacker eine Zeitlang
in Freiburg und lernte bei dieser Gelegenheit
durch einen Freund die Kooperatoren Hansjakobs
und durch diese ihn selber kennen. Glattacker
bat Hansjakob, ihn malen zu dürfen, was dieser
schließlich erlaubte und mit ihm zwei Sitzungen
vereinbarte. Da aber das Bild noch nicht fertig
war, bat Glattacker um einige weitere Sitzungen.
Der kribblige Hansjakob, der nichts so sehr
haßte wie langweiliges geduldiges Warten und
Sitzen, ließ den braven Bittsteller wissen, er
habe zu weiteren Sitzungen weder Zeit noch
Lust. Aber auch Glattacker hatte seinen Dick-
kopf: das Bild blieb unvollendet. Bald darauf
fuhr Glattacker nach Paris, blieb aber mit dem
Kooperator Dr. Trunz in brieflicher Verbindung,
der dem Maler schließlich ein paar Photos
schickte, nach denen Glattacker das Bild vollenden
konnte. Er schickte dann das Bild zusammen
mit einem weiteren Gemälde an Pfarrer Dr.
Trunz nach Freiburg, der es in seinem Besitz
behielt; wenigstens fand man es nach dem Tode
von Dr. Trunz im Jahre 1953 in Andelshofen am
Bodensee in dessen Nachlaß. Einen Teil dieser
Hinterlassenschaft, unter der sich auch das Bild
Glattackers befand, konnte die Hansjakob-Gesell-
schaft Freiburg i. Br. im Jahre 1956 erwerben.
Glattacker erfuhr von dieser „Entdeckung" und
erzählte gelegentlich, er habe seit dem Jahre
1907, als er das Bild damals an Pfarrer Dr. Trunz
geschickt hatte, nichts mehr von ihm gehört, und
er hätte es doch einmal so gern in einem Buch
veröffentlicht gesehen. Ebenso gerne hätte er
einige Erzählungen Hansjakobs illustriert, aber
durch seine Reise und seinen längeren Aufenthalt
in Paris sei nichts daraus geworden. Noch
heute sei er aber ein großer Verehrer von Hansjakob
. Doch konnte ihm die Hansjakob - Gesellschaft
wenigstens einen Wunsch erfüllen: Sein
Aquarell prangt als Titelbild auf dem Hansjakob-
Jahrbuch 1958 (Herausgegeben von der Hansjakob
- Gesellschaft im Verlag Rombach, Freiburg
Br., 1958). Außerdem hat sie bei der diesjährigen
Landwirtschaftsmeister-Ehrung auf der
Biereck das eingerahmte Bild Glattackers mit
einer Widmung an neun junge Meister als Hansjakob
- Ehrengabe überreicht.
So feiert dieses schöne Aquarell nach einer
halbhundertjährigen Verschollenheit eine würdige
Auferstehung: das Hansjakob - Land und
das Hebel - Land finden aber in der Person
des Malers Adolf Glattacker eine sinnvolle Verbindung
.
jö\z Rei'mat im £Jdjt Wactin f)ei'begger6
Seit Martin Heidegger in seiner Meßkircher
Ansprache „Der Feldweg" vor sechs Jahren zum
erstenmal einem weiteren Kreis verriet, daß ihm
der Begriff „Heimat" ein sehr ernstes Problem
ist, ist er zumal für uns Menschen am Oberrhein
zum liebenswerten Landsmann geworden, auf
den wir, weshalb sollte dies verschwiegen werden
, stolz sind. Seine Reden über Johann Peter
Hebel sind unvergleichliches Krongut der Deutung
von Werk wie Menschentum des Dichters.
Viele von uns, die sich schwer tun, in der Philosophie
dieses alemannisch - europäischen Geistes
einigermaßen „heimisch" zu werden oder gar in
ihrem Grund Wurzel zu schlagen, lassen sich
immer wieder neu und erfreut fesseln von seinen
Betrachtungen über Sein und Sendung der
Heimat, so insbesondere auch von seiner Ansprache
am Heimatabend des Meßkircher Jubiläums
im vergangenen Jahr, die von der regsamen
Verwaltung der 700jährigen Stadt nun
auch im Druck erschienen ist.
Aus dieser kernechten, wundervollen Rede
sollen hier einige der Leitgedanken folgen, die
in sie verwoben sind:
Martin Heidegger erinnert daran, daß der
Mensch der Gegenwart auch auf dem Land aus
dem „Heimischen" durch die auf ihn einwirkenden
Einflüsse von außen her ins „Unheimdsche"
fortgezogen werde, und fährt dann fort: „Die
Gefahr droht, daß, was einmal Heimat hieß, sich
auflöst und verfällt. Die Gewalt des Unheimischen
scheint den Menschen so zu überwältigen,
daß er dagegen nicht mehr aufkommt. Wie können
wir uns dem Andrängen des Unheimischen
gegenüber zur Wehr setzen? Nur so, daß wir
die spendenden und heilenden und bewahrenden
Kräfte des Heimischen unablässig wecken, daß
wir die Kraftquellen des Heimischen immer
wieder zum Fließen bringen und ihrem Fluß
und Einfluß die rechte Bahn verschaffen. Solches
bleibt am ehesten dort möglich und am
nachhaltigsten dort wirksam, wo die Kräfte der
umgebenden Natur, wo der Nachhall der geschichtlichen
Uberlieferung beisammen bleiben,
wo das - Herkommen und die von altersher
gepflegte Sitte das menschliche Dasein bestimmen
. Dieser entscheidenden Aufgabe vermögen
heute nur noch die ländliche Bezirke und kleinen
Landstädte zu genügen — vorausgesetzt
freilich, daß sie ihre außergewöhnliche Bestimmung
immer neu erkennen; vorausgesetzt, daß
sie die Grenze zu ziehen wissen gegenüber dem
großstädtischen Leben und den riesenhaften
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