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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1962-12/0007
Wege dahin machten sie an der genannten
Wiesenbrücke Halt

Als ich nun auch diesen Gefangenen zugeführt
wurde, empfing mich der Polake zornglühend
mit den Worten: „Du Hund, was
brauchst Du einen Stock?" Damit riß er mir
denselben aus der Hand und warf ihn über den
Graben in das Wiesengelände hinein. Ich wollte
mich nun verteidigen und berief mich auf die
von der Reichsverfassung proklamierte Religionsund
Gewissensfreiheit. Der Oberst aber wie die
ganze wilde Schar schrie und brüllte mich so
heftig an und überhäufte mich so sehr mit
Schimpfworten, daß ich nicht zu Worte kommen
konnte.

Gleich darauf ließ er aber Stricke herbeiholen
, und wurden wir Gefangene nun alle an
Wagen angebunden, die zur Weiterbeförderung
der Freischaren requiriert worden waren, und
mußten wir in starkem Schritt denselben folgen.
Dem Bürgermeister Schanzlin von Kandern
wurde jedoch zur größeren Schmach ein Strick
um den Hals gebunden. Auf dem Wege durch
Rütteln rief einer meiner nächsten Nachbarn,
als er mich erblickte, in nicht gerade wohlwollender
Absicht aus: „Der chömmt nümme!" d. h.
der kommt nicht mehr heim.

Als wir vor Kandern angekommen waren,
wurde die ganze Gesellschaft zum feierlichen
Einzug aufgestellt. Voran ging die Musik, dann
folgten Bewaffnete, hierauf wir Gefangene, von
denen Bürgermeister Schanzlin mit seinem Strick
um den Hals am meisten Aufmerksamkeit erregte
. Der Einmarsch endigte am Wirtshaus
„Zur Stube", in dessen unterem Raum, der als
Fruchthalle diente, wir nun eingeschlossen
wurden.

Unterdessen war die Nacht hereingebrochen,
und ihre dunklen Fittiche lagen schwer über
der mit Sorgen und Jammer erfüllten Einwohnerschaft
. Da viele der Gefangenen aus Kandern
selbst waren, so brachten ihnen Verwandte
reichlich Speise und Trank herbei, so daß wir
alle keinen Mangel litten; uns aber auch mit
Betten zu versehen, gab der Kommandant nicht
zu, da wir, wie er sich äußerte, morgen so viel
Blei in unserer Brust hätten, daß wir überhaupt
keine Betten mehr nötig hätten. So mußten wir
uns damit begnügen, auf den Kornsäcken zu
liegen.

Die Nacht über hielten die gut gesinnten
Bürger von Kandern die Wachtposten besetzt,
um uns zu beschützen und etwaigen Mißhandlungen
vorzubeugen. Den andern Morgen wurden
einige Gefangene in Freiheit gesetzt, und
ein wohlgesinnter Freund, Fabrikant Zürcher
von Kandern, der elsässisch-französischer Bürger
war, durfte uns mit seinen französischen Abzeichen
besuchen, aber kein Wort mit uns reden. Bei
seinem Weggang rief er uns zum Tröste die
Worte zu: „Der alte Gott lebt noch!" Dies durften
wir auch in diesen schweren Tagen reichlich
erfahren.

An demselben Morgen kam der Oberkommissär
Rinderschwender, bekannt als früherer libe-

06 ift ein Fleines J)förtct)en ju befnes f>ecjena TLütj
Witt ?eit, baf; bu es öffneft, bu felbec ptetjft bafür.
Unb bringt ein ©djlmmer ein aus fel'ger ßfnbecjeft,
jöann madjt ein ftiller ^ubel bas f^erj bic roieber weit.

Alter Spruch / Holzschnitt: Ernst Dombrowskl

raier Abgeordneter der 40er Jahre, von Säckingen
herüber und hielt Gericht ab. Glücklicherweise
setzte er den unwirschen Polen ab und
entließ auch einige Gefangene; die meisten aber
wurden zurückgehalten. Bei einem Verhör erklärte
ich, daß ich mir keines Vergehens bewußt
sei, außer daß ich mich für die rechtmäßige
Obrigkeit ausgesprochen und in der Kirche für
den Großherzog gebetet hätte; aber gerade , das
galt als ein Kapitalverbrechen und war Grund
genug, mich nicht frei zu geben. So wurde es
unter mancherlei Besorgnissen und Unruhen
wieder Abend.

Von Freiburg war eine bewaffnete Schar
vom zweiten Aufgebot mit zwei Kanonen als
Exekutionstruppe eingerückt. Alle Häuser mußten
beleuchtet werden, die Mannschaft wurde in
die Quartiere verteilt, und es mußte jedem Mann
von seinem Quartiergeber noch eine besondere
Tagesgebühr ausbezahlt werden. Indessen wurde
der Leichnam des erschossenen Hauptmanns
Schmidt in die Stadt gebracht und die Beerdigungsfeier
auf Dienstag vormittag anberaumt:
Nun erlebten wir aber eine Nacht, die allen
unvergeßlich bleiben wird. Es entlud sich in dieser
Nacht nämlich ein furchtbares Gewitter.
Unaufhörliche Blitze verstärkten die Beleuchtung
der Häuser, und heftige Donnerschläge erschütterten
den Erdboden. Nicht weniger stürmisch

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