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sog. „Hornwerk" in Form eines Halbmondes versehen
; desgleichen wurde ein weiteres, starkes
Fort derselben Art als Brückenkopf auf dem
rechten Ufer errichtet. Die Brücke wie auch die
beiden Werke konnte man nur unter dem Schutz
der Hüninger Kanonen bauen, denn das rechte
Ufer gehörte ja dem Feinde, dem Markgrafen
von Baden. Nach Artikel 23 des Friedens von
Ryswick (1697) mußte Frankreich sich verpflichten
, diese Schanzen auf der Insel wie auf dem
rechten Ufer auf seine Josten schleifen zu lassen
, den Grund mit den dort errichteten Gebäuden
dem Hause Baden zurückzugeben und die
Rheinbrücke abzubrechen. Jedoch hielten die
Franzosen diese Abmachung nicht ein und besetzten
im Spanischen Erbfolgekrieg (1701—14)
die Werke von neuem. Der Brückenkopf war
eine ständige Bedrohung der Markgrafschaft und
der habsburgischen Lande am Rheinknie. Daher
errichteten die verbündeten Gegner Frankreichs
als Gegenmaßnahme die Sternschanze auf der
hohen Rheinterrasse bei der Leopoldshöhe. Nach
dem Frieden von Rastatt wurden dann endlich
die „Hornwerke" auf der Schusterinsel und im
Brückenkopf geschleift und dem Boden gleichgemacht
, doch im Polnischen Erbfolgekrieg (1733
bis 1735) gelang es den Franzosen noch einmal,
die Brücke und die Befestigungen aufzubauen
und zum Angriff gegen Prinz Eugen auszuwerten
.
Der zweite Pariser Friede vom Jahre 1815
bestimmte, daß die Befestigungsanlagen Hüningens
zu schleifen seien; die Festung hatte ihre
militärische Rolle ausgespielt, wenn sie auch
noch bis 1870 eine französische Garnison besaß,
die dann bis 1876 durch'deutsche Truppen abgelöst
wurde. Als Hauptstadt des seit der französischen
Revolution errichteten Kantons Hüningen
, als Brückenstadt und Verkehrspunkt vor
den Toren Basels und als Sitz verschiedener
Industrieunternehmungen hat das Städtchen,
auch nachdem ihm seine eigentliche militärische
Daseinsberechtigung entzogen worden war, eine
gewisse Bedeutung behalten.
Gerhard Geiger:
?um Problem bec üerfdjttwn&enen Äöcfec
„Wüstung, allgemein menschliche Wohnstätten,
die aus irgendwelchem Grund verlassen sind; im
engeren Sinn Dörfer, die entweder verlassen bzw.
verschwunden sind (abgegangene, ausgegangene
Dörfer mit den zugehörigen Fluren [Wüste Marken
]) oder solche, die in anderen Gemeinwesen
aufgegangen sind". (Nach Meyers Lexikon, 1930.)
D. Red.
I.
Uberall künden alte Flurnamen, alleinstehende
Gehöfte und Kapellen wie auch verfallene Mauerreste
von der Vielzahl heute verschwundener,
im» ausgehenden Mittelalter und in späteren
Jahrhunderten abgegangener Dörfer. Um ihren
Untergang legt sich das Rankenwerk der Sagen.
Aber selbst die wissenschaftliche Forschung ist
sich heute noch uneins in der Beurteilung der
auslösenden Faktoren des großen spätmittelalterlichen
Wüstungsvorganges, wenn . auch heute
wiederum die Wüstungsforschung im Mittelpunkt
siedlungsgeographischer und historischer
Forschungen steht.
Aus der Erkenntnis heraus, „daß beide
Koniponenten einer Siedlung, Wohnplatz und
Wirtschaftsfläche, durch den Wüstungsvorgang
physiognomische Veränderungen erfahren", unterschied
Scharlau zwischen Orts- und Flur-
Wüstungen, <sind jedoch im Hinblick auf die
Siedlung „als der Einheit von Wohnplatz und
Wirtschaftsfläche" nur als „partielle Wüstungen"
anzusehen, „die in ihrer Gesamtheit eine totale
Wüstung ausmachen". „Erreicht der Wüstungs-
vorgang seinen Endzustand, treten totale Ortsund
Flurwüstungen auf, wird dieser Vorgang
jedoch unterbrochen und stagniert in der erreichten
Phase, so entstehen partielle Orts-bzw. Flurwüstungen
". So sind etwa heutige Einzelhöfe,
die an der Stelle ehemaliger Dörfer stehen
oder im Walde gelegene Kirchen und Mühlen,
„Relikte eines früheren Siedlungsgebildes", partielle
Ortswüstungen. Man hat sie auch als
„Rest- oder Zeugensiedlungen" bezeichnet (30,
1933, S. 9/10, 13 f.).
Nach dem heutigen Stand der siedlungsgeographischen
und rechtsgeschichtlichen Forschung
lassen sich im Mittelalter zwei „Wüstungsperioden
" feststellen. Die erste der beiden Wüstungswellen
ist verursacht durch Ballungen, das Zusammenlegen
kleinerer Dörfer und die Gründung
zahlreicher Städte; sie fällt in der Hauptsache
in das 11. und 12. Jahrhundert und ist
durch eine Bevölkerungszunahme und Beyölke-
rungsgruppierung charakterisiert. Die zweite
Wüstungswelle ist vor allem dem ausgehenden
Mittelalter zuzurechnen und wird durch einen
Bevölkerungsrückgang verusacht, der in unmittelbarer
Beziehung zu der von agrarhistorischer
Seite herausgestellten Agrarkrise steht (1,1955).
Die Wüstungen des 11. bis 13. Jahrhunderts fallen
in eine Pertode des Aufschwungs. Sie ist in
Verbindung zu bringen mit den Anfängen und
der Ausbreitimg des Städtewesens. Sie erfaßte
die stadtnahen Dörfer, ihre Einwohner zogen in
die neuangelegten Städte, ihre Fluren gingen in
der Stadtflur auf oder wurden zusammengelegt.
Die seit der Mitte des 14. Jahrhunderts einsetzende
zweite Wüstungswelle ist durch den
Bevölkerungsrückgang bestimmt. Die langsame
Entvölkerung wurde noch in ihren Auswirkungen
durch andere, mehr am Rande verlaufende,
zeitlose und zeitbedingte Erscheinungen, kriegerische
Katastrophen, verheerende Krankheiten,
Seuchen und Pest etc. verstärkt.
Wir haben es hier also mit zwei ursächlich
verschiedenen Wüstungsvorgängen zu tun, die
sich allerdings zum Teil überschneiden, während
sie in anderen Gebieten wieder durch mehr als ein
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