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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1963-01/0007
Die „partielle" Ortswüstung Biengen - Dottighofen mit dem „Sinnighofer
Bück", der Stätte des verschwundenen Dorfes „Sinnighofen".

Aufn.: Gerhard Geiger

Jahrhundert getrennt sind. Ein weiteres unterscheidendes
Merkmal dieser beiden Wüstungswellen
ist darin zu sehen, daß die Stärke der
zweiten Wüstungswelle die erste bei weitem
übertraf.

Uneinig ist man sich auch bei der Beurteilung
der Folgen der Wüstungsvorgänge. Im wesentlichen
stehen sich hier zwei Anschauungen
gegenüber; beide werden von Historikern vertreten
.

Der Verfassungs- und Wirtschaftshistoriker
Theodor Mayer sieht in den Wüstungsvorgängen
die Merkmale eines „Fortschritts" der spätmittelalterlichen
Landwirtschaft (20,1928). Dieser Auffassung
hat sich auch von geographischer Seite
Scharlau angeschlossen. In der durch die Exten-
sivierung abgelegener Wirtschaftsflächen verursachten
Flurwüstungen ist ein „überzeugender
Beweis" dafür zu sehen, „daß ein Teil der
Wüstungen geradezu als Anzeichen eines Fortschrittes
der Landwirtschaft angesehen werden
darf" (Scharlau, Studium Generale, 1956, S. 519).

Auch für andere Historiker sind die Wüstungen
als „eine positive Bewegung zu bewerten".
Der Wüstungsprozeß wird als eine Korrektur
des mittelalterlichen Ausbaus, als ein „Gesundungsprozeß
" betrachtet, da die Kleinheit der
Rodungsfluren und die Zersplitterung der Fluren
des Altsiedellandes die spätere landwirtschaftliche
Krise geradezu bedingt habe, eine Krise,

die nur durch die Schaffung von Großfluren
überwunden werden konnte (Leingärtner zit.
nach 32, 1957, S. 60 f.).

Eine vollkommen gegensätzliche Anschauung
wird von dem Agrarhistoriker Abel vertreten.
Für ihn ist die Tatsache der Wüstungsvörgänge
allein der Beweis für die Krise der Landwirtschaft
(vgl. 32, S.601).

Jede dieser Thesen schließt die andere nicht
aus, beide Anschauungen enthalten „einen richtigen
Kern", „wenn auch in unterschiedlichem
Bedeutungsumfang" (32, S. 61).

Man argumentiert heute etwa so: „Das ausgehende
15. und 16. Jahrhundert sind ... als die
Zeit gekennzeichnet, in der sich der agrarwirt-
schaftliche Wiederaufstieg anbahnte und schließlich
durchsetzt. Die damals einsetzende Steigerung
des Getreidebaus führte (wie im Hochmittelalter
) ... zu einer Selektion der Böden,
d. h. zu einer Extensivierung ertragsarmer Flächen
, und damit zu einer flächenmäßigen Verringerung
des landwirtschaftlichen Nutzungsareals
durch Rückverwandlung von Acker in
Weide, wobei es — und zwar als äußeres Kennzeichen
eines gewissen Wohlstandes der Landwirtschaft
— wiederum zur Entstehung von
Flurwüstungen kam". „Man wird daher die
Flurwüstungen nicht ganz mit Unrecht ...mit
derartigen Fortschritten der Landwirtschaft in
Verbindung bringen dürfen" (32, S. 61).

Die Ursachen des Wüstungsvorganges
Die Kriegstheorie, die man früher in überwiegendem
Maße den Wüstungen zugrunde gelegt
hatte, ist heute in ihrer Bedeutung weitgehend
eingeengt. „Die historischen Quellen zeigen
deutlich, daß die meisten heutigen Wüstungen
schon erheblich früher (als etwa im Dreißigjährigen
Krieg, auf den man sie früher zurückführte
) ausgegangen sind, und zwar besonders
gehäuft im ausgehenden Mittelalter, überdies
keineswegs in besonderem Zusammenhang mit
Kriegszerstörungen" (Scharlau, Studium Generale
, 1956, S. 516). Die tatsächlich durch Kriege
zerstörten Dörfer sind in der Regel bald wieder
aufgebaut worden. Zu berücksichtigen sind jedoch
die mittelbaren Auswirkungen der Kriege,
so die Wirtschaftskrisen und die Landflucht (21,
1944, S. 198). Durch all diese kriegerischen Ereignisse
und besonders den Dreißigjährigen Krieg
entstanden jedoch eine Vielzahl von „zeitweilig
wüsten" (temporären) Dörfern. Man hat in Zusammenhang
mit dem Dreißigjährigen Krieg
geradezu von einer „temporären Wüstungsperiode
" gesprochen (32, S. 70). Hervorzuheben
ist, daß in all diesen Fällen die Siedlungskontinuität
meist nicht unterbrochen wurde; die
von Kriegen, Pest und Seuchen entvölkerten
Orte wurden bald mit dem Ansteigen der Bevölkerungszahlen
wieder besiedelt.

Die „Ballungstheorie" (die Theorie „erster
Verstädterung"), von Huppertz vertreten, wendet
sich gegen die Annahme einer allgemeinen
Agrarkrise während des ausgehenden Mittel-

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