http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1963-02/0015
Es ist in einem Büchlein der in Freiburg
lebenden elsässischen Dichterin Lina Ritter
zu lesen: Sundgauische Haiku. Was ein Bett-
mimpfele ist, brauche ich nicht zu erklären, das
wissen wir noch alle aus der Zeit, als uns noch
keine Sorgen am Einschlafen hinderten. Was
ein Haiku ist, sagt die Dichterin selbst in dieser
j apanischen Versform:
Haiku sin in Japan
Vers vo siebzehn Silbe
in drei Zillete.
E Haiku isch kai Gedicht.
Numme e Aruef,
e Winke, e Frog.
In dene chleine Gsetzle
teent s wie Müsik
üs den älteste Zytte ...
Oder waihe Engelfaggte
sekundelang
in so me Haiku?
Numme drei Zillete ...
Lyt en Abglanz
vo der Dreifaltigkeit druf?
Ebb me acht cha
au in dr Muettersproch
viel sage in weni Wort?
Ja, mi Herz unterstoht si
West un Ost
mit Haiku z sammezbinde.
Für jeden Tag des Jahres ist ein Sprüchlein
zu finden. Wo und ob man das Büchlein erhalten
kann, entzieht sich unserer Kenntnis.
Wählen wir ein Haiku zum Schluß:
Jetzt waiht der Maiewind
warm iber d Felder...
Gspiersch dü nen au im Gmiet?
Wäre das in diesen Januartagen, in denen
ich dies schreibe, nicht ein Bettmimpfele, das
uns mit sedner Verheißung trösten könnte über
den eiskalten Wind aus dem Osten?
*
- Albin Fringeli aus unserem Nachbarland
der Schweiz, Hebelpreisträger des Jahres
1961, gibt nun schon im 41. Jahrgang das Solo-
thurner Jahr-und Heimatbuch „Dr Schwarz-
bueb" heraus. Wir haben seinerzeit Mensch
und Werk Albin Fringeli eingehend gewürdigt.
Wir können immer wieder feststellen: Jeder
dieser Kalender ist ein Meisterstück der Kalenderkunst
, ein Spiegel des reichen Lebens der
Landschaft. Albin Fringeli zitiert in seinem
Aufsatz über den Dichter Felix Moeschlin einen
Ausspruch Gottfried Kellers: „Glücklich, wer in
seinem Lande ein Spiegel seines Volkes sein
kann, der nichts widerspiegelt als das Volk,
während dieses selbst nur ein kleiner Spiegel
der weiten lebendigen Welt ist und sein soll."
„DrSchwarzbueb" ist ein Spiegel seines Wesens,
in ihm, in Kalender und in Kalendermann, bieten
sich Volk und Heimat dar. Schön ist es, daß
sich in Hebel, Fringeli und Stintzi das alemannische
Volkstum die Hand reicht. Hier sind die
Botschafter der Verständigung, die das Gemeinsame
sucht.
Wie in jedem Kalender stoßen wir zuerst auf
das Kalendarium. Unter jeder Monatsbetrachtung
, die stets dem entsprechenden Monatsheiligen
gewidmet ist, lesen wir das Zeichen A. F.
Otto Etnst Sutten
J. $. Lfybel über ben Kt)efnfaU
Mit zwei, seiner Führung anvertrauten jungen
Freiherren von Menzingen hat Johann Peter
Hebel um 1790 eine Schweizerreise unternommen
, die auch nach Schaffhausen führte. Bewegt
und fesselnd schilderte der Rheinische Hausfreund
seine Eindrücke vom Erlebnis, zu dem
ihm und seinen Schutzbefohlenen der Rheinfall
wurde. Die Reisebeschreibung, in der dies geschieht
, ist zwar gelegentlich auszugsweise veröffentlicht
worden, harrt aber noch der Drucklegung
.
Nun, der Rheinfall wurde von Johann Peter
Hebel auch zum Gegenstand eines seiner nahezu
150 Rätsel gemacht, die u. a. der um die Hebelforschung
hochverdiente Wilhelm Altwegg in
seine zweibändige Ausgabe von „Johann Peter
Hebels Werken" aufgenommen hat:
Das erste blinkt im weißen Schein
Gar schön und rein;
Es wird aus vieler Berge Nacht
Ans Licht gebracht
Und hat schon manchen reich gemacht;
Aus Deutschland zog's als großes Los
Der Herr Franzos.
Das andre ward vom ersten Erdensohne
Und seinem Weib in Edens Siedelei
Nur still begangen, zweifelsohne,
Denn kein Herr Pfarrer war dabei;
Seitdem isfs in der Welt bekannt.
Das Mädchen wird nach ihm nicht wie zuvor genannt.
Und manchen Mann
Kam Reue an,
Weil er zu schnell den Schritt getan.
Wie wird's nun um das Ganze stehn?
Ihr werdet in die Kirche gehn,
Um einen seltnen Akt zu sehn.
O nein! Gehört nur kann es werden
In wenig Kirchen auf der Erden.
In Gottes höchstem Tempel steht's,
Und über schroffe Felsen geht's,
Es donnert wie der jüngste Tag,
Schlag auf Schlag.
An dieses Rätsel, in dem Hebels Schalk und
Humor so köstlich aufblitzen, aber auch seine
Bewunderung und Ehrfurcht gegenüber dem
elementaren Sturz der gletschergrünen Wasser
tiefempfundenen Ausdruck findet, wieder einmal
zu erinnern, besteht umso mehr Anlaß, als
der Schluß des Gedichtes deutlich erkennen läßt,
daß Hebel — ähnlich wie Goethe und viele andere
erlauchte Geister — den Rheinfall für eine
Schöpfung der landschaftsgestaltenden Natur angesehen
hat, die anzutasten der Mensch sich nicht
einfallen lassen dürfe ...
Eine Fülle von Bauernregeln ist beigetügt. Einen
fesselnden Beitrag bietet der Aufsatz des Herausgebers
: „Aussaat und Ernte — Johann Peter
Hebels Wirkung auf die Nachwelt." Er läßt eine
weitere Arbeit aus seiner Feder folgen: „Mundart
in Stadt und Land" und gibt dazu das Bild
des Ausblicks vom Fringeliberg ins weite Land
hinaus. Die Betrachtung über den Dichter Felix
Moeschlin, dem auch wir aus dem Nachbarland
unsere Grüße und Wünsche entbieten, habe ich
schon erwähnt. Es folgt ein reicher Strauß von
Arbeiten, hervorragende Männer der Heimat uns
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