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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1963-03/0005
nicht gern von seiner Meinung ab. Aber jetzt
erklärte er „Ihr müßt". Dieses Ihr, deutete er
damit an, daß er jetzt fest entschlossen war abzugeben
, wegzutreten von seiner Lebensarbeit,
ohne auf die Nachfolge Einfluß zu nehmen?

Wir wissen es nicht. Und wir müssen uns dem
Willen eines Höheren beugen, der ihn abberief.
Wir können nur dankbar sein, daß wir einen
hatten, der sich selbst verzehrte in der Arbeit

um sein geliebtes Markgräflerland. Wir wissen,
daß es schwer ist, das Erbe anzutreten. Aber
auch Freund Seith hat klein angefangen und ist

unbeirrbar seinen Weg gegangen. So, wie er der
Heimat die Treue hielt, wird sie auch ihm die
Treue halten. Keiner kann jemals eine Geschichte
des Markgräflerlandes schreiben — wer wird sie
schreiben? —, ohne daß er den Namen von Karl
Seith erwähnt.

Hans Bachroth:

'Jätytfngen, bae >öocf su Süßen 5er ©tammburg bec ?ät)rtngee

Das Dorf Zähringen gehört seit dem Jahre
1906 zur Stadt Freiburg im Breisgau. pie richtigen
Zähringer aber sind stolz darauf, daß ihr
Ort älter als Freiburg ist und daß Zähringen seit
den nun bald sechzig Jahren seit seiner Eingemeindung
keiner der üblichen, gestaltlosen
Vororte der immer gestaltloser werdenden Stadt
Freiburg und erst recht kein sogenannter Stadtteil
des amorphen Gebildes geworden ist, das
sich immer noch, obwohl unter Mißachtung
mancher Tradition, Freiburg im Breisgau nennt.
Die Zähringer sind recht froh darüber, daß sich
zwischen Freiburg und Zähringen ein paar Ausläufer
des Roßkopfs schieben. Es wäre ihnen
genug, sagen sie, daß ihnen der Westwind Rauch
und Qualm des Freiburger Gaswerks und der
Rhodiaceta vor die Nase trieben. Daß die Großstadt
Freiburg — vor ein paar Jahren konnte
man noch hoffen, daß dank ihrer Struktur keine
aus ihr würde; diese Hoffnung ist inzwischen
ebenso geschwunden wie die Hoffnung auf eine
Erhaltung des alten Freiburg — daß also die
Großstadt Freiburg in der Ebene längs der
Bahnlinie und der Bundesstraße 3 nach ihrem
Vorort Zähringen greift und oben am Berg mit
den Villen der Neureichen das alte, echte Zähringer
Villenviertel Rötebuck, wo zum Beispiel
der Philosoph Heidegger wohnt, mit der Sonnhalde
verbindet, müssen die Zähringer als Tatsache
hinnehmen. Sie tun es und benützen den
Sachverhalt geschickt als Verhandlungsgrundlage,
wenn sie im Freiburger Stadtrat ihre periodische
Klage nach besserer Straßenbahnverbindung mit
der Stadt ertönen lassen. Dabei ist ihre Verkehrsverbindung
zur — der angeblich urchige Schweizer
würde sagen: zur City um vieles besser als
die anderer Stadtteile Freiburgs.

Indessen: Zähringen hat ein Eigendasein, das
von seiner Lage herrührt, und die Linien der
öffentlichen Freiburger Verkehrsmittel können
so dicht belegt werden wie sie wollen, Zähringen
wird doch immer bleiben, was es seit acht oder
neun Jahrhunderten ist: ein Dorf, Gott sei Dank,
ein Dorf, das günstig zur Stadt liegt, aber die
menschliche Lebensart und das menschliche Aussehen
eines Dorfes bewahrt hat und daneben
auch — wie die neueste Geschichte des Lokalvereins
Zähringen bewiesen hat — auch eigenes
Denken und eigene politische Kraft.

Es gibt unter den Zähringern viele und unter
den Freiburgern zum Glück immer noch einige,
die das begrüßen. Abgesehen von aller Lokalpolitik
ist es ja auch gewiß etwas, vor den
„Toren" Freiburgs — ach du lieber Gott, wie
unrepräsentabel repräsentieren sie sich! — ein
währschaftes Dorf zum Spazierengehen zu haben.
Geht man nur fünfzig Schritte von der Tramhaltestelle
bergwärts, ist man mitten im Dorf,
mitten auf dem Land. Da gluckert noch — noch!
— zwischen natürlich geböschten Ufern der Dorfbach
, die Reute, — da schnattern Enten und
zischen Gänse den Spaziergänger an. Brav und
schmal folgt die Dorfstraße den Windungen des
Bachs; das einzig Moderne an ihr ist der Teerbelag
. Neuerdings muß sie eine Verbreiterung
erleiden, wenigstens im unteren Teil, die den
Dorfbach überdeckt; die dort ein- und zukehrenden
Autofahrer scheinen etwas gegen nicht überdeckte
Bächlein zu haben, — wo haben sie wohl
Autofahren gelernt? Gleichviel: Immer noch
gehen hüben und drüben die Bach- oder Straßenränder
in Matten und Hausgärten über, in denen
die alten Häuser stehen: Es sind zum guten Teil
noch Bauernhäuser, eigentlich ganze Gehöfte, mit
breiten, aus Wacken gemauerten oder aus Fachwerk
errichteten Giebeln und mit Scheunen, an
denen das Holz grau verwittert. Auf der steinernen
oder tannenen Sohlbank der Fenster stehen
sommerüber die Geranienstöcke und auf den
Treppen sitzt der Spitz und blickt mit Herrenstolz
auf die Hühner herab, die auf dem Mist
kratzen oder als Ausgleich für den fehlenden im
Staub scharren. Auf der Dorfstraße knarren
manchmal noch die Bauernwagen unter ihrer
Ladung dahin, unter der Ladimg von Gras oder
Heu oder Kartoffeln, je nach der Jahreszeit.

Jedoch: In der eigentümlichen Atmosphäre
von Zähringen steckt mehr als Dorfluft. Es
kommt ein bestimmter Zug von Gelassenheit
hinzu, ein Zug von Selbstvertrauen, wie ihn den
alten Dörfern nur die Tradition verleiht. Zwar
sind keine denkwürdigen Schlachten in Zähringen
geschlagen, keine wichtigen Friedensschlüsse
getätigt worden. Zähringen nimmt seine Wyrde
nicht von zufälligen Geschehnissen. Aber: vom
frühen Mittelalter bis heute hat das an der
Straße gelegene und den Zugang zu den Höhen
sperrende Dorf nur immer wieder das hart£ und

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