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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1963-03/0011
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An dem uralten Römerweg gelegen, der sog.
Bergstraße, die Marseille' mit Straßburg verbindet
, hat Egisheim wie kaum ein anderes elsässi-
sches Städtchen sein mittelalterliches Gepräge
bewahrt. Kreisrund, wie auf der Töpferscheibe
gedreht, liegt die Altstadt vor uns. Engbrüstige
Häuser, eines malerischer als das andere, sitzen
an dem Mauerkranz und kehren ihre mit Erkern
und Treppchen geschmückte Rückseite einer
Gasse zu, die ebenfalls kreisförmig, dem Laufe
der eigentümlichen Ringgräben folgend, um die
Stadt herumführt. Sogar eine zweite, dahinter
liegende Gasse, hat sich der drehenden Bewegung
angeschlossen. So kann man den Stadtkern
nicht nur von außen, sondern auch von innen
umwandern und dabei im Spiel des Lichtes und
im Wechsel der Tageszeiten sich erfreuen an
den schiefwinkligen Häusern mit ihren balkengestützten
Pultdächern, vorgekragten Stockwerken
und den ausgetretenen Treppchen, die zu
einer geschnitzten Haustür hinaufführen. Mögen
auch die alten Stadttore, welche die breite Hauptstraße
einst abriegelten, gefallen sein —, erhalten
geblieben sind doch noch mehrere historisch
interessante Dinghöfe, so der Unterlindenhof, der
Pairiserhof, der Kaiserhof, der Eschauer Hof, die
beweisen, wie viele bedeutende elsässische
Klöster schon früh Güter zu Egisheim besaßen.
Das ehemalige Gasthaus „Zum weißen Roß", ein
sehr altes, massiv gebautes Haus, dessen Ecke ein
steinerner Löwe aus dem 14. Jahrhundert ziert,
diente dem Marechal de France de Turenne am
Tage vor seinem Siege bei Turkheim (17.1.1674)
als Absteigequartier. Der ein wenig von der
Hauptstraße zurückliegende Unterlindenhof »des
einstigen Colmarer Dominikanerklosters schiebt
ein schmales Haus wie einen Schiffsbug ;nn die
Gassenenge. Unweit davon öffnet sich der Schloßplatz
, das Herzstück von Egisheim. Es ist noch
nicht lange her, daß man dort ein hochgiebliges
Haus in eine Weinstube umgebaut hat, wo wir
im Erdgeschoß zur Einstimm\uig von dickbauchigen
Weinfässern und einer ausgedienten Kelter
empfangen werden. Was man uns hier symbolisch
zeigt, wird in der geschmackvoll ausgestatteten
Wirtsstube im ersten Stock kredenzt:
Egisheimer Wein bester Kreszenzen. Durch die
Butzenscheiben fällt das Sonnenlicht und malt,
sich im Glase brechend, goldene Kringel auf den
blank gescheuerten Tisch. Während wir Schluck
um Schluck genießerisch über die Zunge rollen
lassen, denken wir daran, daß auf den vor Nordwinden
geschützten Kalkhügeln um , Egisheim
bereits im 4. Jahrhundert Reben gepflanzt wurden
. Viele Generationen hindurch hat sich seither
vom Vater auf den Sohn jenes fachliche
Können der Winzer vererbt, eine Art Berufsgeheimnis
, das der Qualität des Weines zugute
kommt.

Im Mittelalter besaßen die Bischöfe von Straßburg
und einige bevorzugte Abteien Weingüter
auf dem Pfersigberg und dem Eichberg.

Riesling und Gewürztraminer gingen dank
ihres Rufes nach Colmar, Straßburg und Basel

und wurden auf dem Wasserweg nach nordischen
Ländern verschickt. So stand der Egisheimer
Wein auf den Tafeln der Könige von England
und Holland. Auch ein Weinkenner par excel-
lence, Voltaire, besaß hier Weinberge. Die Reblaus
vernichtete zwar die Rebenbestände, aber
bald spendeten neue Weinstöcke ihre Früchte,
und wie ehedem genießen die Egisheimer Weine:
Silvaner, Pinot, Tokay, Muskat, Riesling und
Gewürztraminer einen hohen Ruf.

Nach diesem kleinen Lobgesang auf den Wein
wenden wir uns der Geschichte Egisheims zu.
Sie liegt, zum Bild geworden, vor uns, wenn wir
vom Fenster der Weinstube aus auf den brunnen-
durchrauschten Platz blicken. Hier haben sich
noch deutlich erkennbare Reste der eigenartigen
Pfalz erhalten, nämlich die Ringmauer einer
wahrscheinlich aus der Stauf er Zeit stammenden*
aber schon im 8. Jahrhundert begründeten Wasserburg
. In dem heute stark veränderten Schloß
hat wahrscheinlich der aus dem alten, 1144 erloschenen
Geschlecht der Grafen von Egisheim
stammende Papst Leo IX., einer der wenigen
Päpste deutschen Geblüts, im Jahre 1002 das
Licht der Welt erblickt. Er war der Sohn von
Hugo IV., Geschwisterkind Kaiser Konrad des
Saliers, und seiner Frau Heilwige von Dabo, der
Erbtochter des Grafen Ludwig von Dabo (Dags-
burg).

Bei der Geburt des Sohnes Bruno, der erst
als Papst den Namen Leo annahm, soll, einer
ergreifenden Sage nach, dem Vater geweissagt
worden sein, sein Kind werde dereinst viel
mächtiger werden als er selber. Auf Grund dieser
Prophezeiung glaubte Graf Hugo, Bruno
werde ihn später vom Throne stoßen und ihm
die Herrschaft entreißen. Er gab daher einem
Jäger den Befehl, das Kind im Walde zu töten.

Nach vielen Jahren machte sich Graf tiugo,
von Gewissensqualen getrieben, als Büßer nach
Rom auf den Weg, um dort vom Papste selber
die Absolution für seine Untat zu erbitten. Reuevoll
legte er die Beichte ab. Da beugte sich auf
einmal der Papst zu seinem Vater nieder, schloß
ihn bewegt in die Arme und erzählte, daß er
durch Gottes Fügung damals am Leben geblieben
sei. Die Prophezeiung hatte sich auf wunderbare
Weise erfüllt.

Dem Papste zu Ehren hat man 1889 zu Egisheim
eine neuromanische Leo-Kapelle errichtet,
die Kunstmaler Martin aus Colmar mit Bildern
aus dem Leben des heiligmäßigen Papstes ausschmückte
. Im Gotteshaus wird in silbervergoldetem
Schrein ein Teil der Hirnschale des
großen Mannes aufbewahrt. Sein Standbild krönt
den Brunnen, zu dem abends die Bauern ihf
Vieh zur Tränke führen: ein friedvolles Bild,
das kaum ahnen läßt, daß das Leben Papst Leos
von Unruhe, Kampf und Krieg erfüllt war. Im
Jahre 1049 zum Papst ausgerufen, führte er die
Reform im Geiste Clunys für die gesamte Kirche
durch. Sein Kampf galt der Simonie, dem Kauf
und Verkauf geistiger Würden. Ebenso der

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