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Kochbuch / nach dem ich es durch Artzneyvef-
ständige und erfahrne Leuth nachmahlen ubersehen
lassen / und noch vor meinem Tod / dessen
ich bey disem hohen und erlebten Alter / und
vast ohn underlaß obligenden Schwachheiten /
stündlich nach dem willen Gottes gewarthen
thu / an den Tag kommen lassen wollen. . . . =
Die Autorin beweist nun, daß auch die Heilige
Schrift = an vielen orthen bezeuget / daß die
H. Vätter jhren lust /■ underhaltung und gasund-
heit auß der Kuchen (Küche) gesucht und gepflogen
/....=. In untertänigsten Worten, wie
sie nur zu jener Zeit möglich und verständlich
waren, widmet die tüchtige Arztfrau nun ihr
Buch ihrer Fürstin. Sie endet in ihrem Vorwort:
= Das will ich / neben angeregten meinen lieben
angehörigen / sampt und sonders / die noch
übrige zeit meines Lebens mit meinem eynbrün-
stigen unnd andächtigen Gebätt zu GOtt / für
dero ob höchstermeldten Hertzgeliebten Herren
und Gemahel / auch Ewer Churf. Gn. dero Chur-
fürstlichen Erben und Verwandten / umb dero
Gottselig / Gesundheit / und langes Leben /
glücklicher Regierung / und aller zeitlicher unnd
ewiger; Wolfahrt / getrewlichen eyngedenck zu
seyn und zu beschulden / nimmermehr in keinen
Vergeß zu stellen. Dero zu Gnaden nachmahlen
underthänigst ergeben. Dathum zu Altorff /
Anno 1596.
Ew. Churf. Gn. underthänigste gehorsame
willige Dienerin / Anna Weckerin /
Wittib derzeit daselbst. =
Aus den folgenden Zeilen und Blättern dieses
seltenen Buches sind nicht nur die Vorfahren als
Feinschmecker zu erkennen, es gibt auch Einblick
in die Kultur jener Zeit. Daneben ist es für
den Sprachforscher eine gute Fundstelle. Alte
Ausdrücke sind uns heute kaum oder nicht mehr
verständlich. Die Ausducksweise ist sonderbar
für unsere heutigen Begriffe.
Bei der Betrachtung der Aufzeichnungen müssen
wir uns vergegenwärtigen, daß es zu jener
Zeit noch keine chemische Industrie, damit auch
keine Pillen, Tabletten, Tropfen und Spritzen
gegeben hat. Der Arzt mußte sich mit den ihm
zur Verfügung stehenden Mitteln behelfen. Und
das war eben die Nahrung in der dem Kranken
bekömmlichen Zubereitung.
Nehmen wir einige „Kostproben" aus diesem
Kochbuch, an dieser Stelle eben nur schriftliche.
Der erste Teil enthält Suppen. Wir lernen zu
heute noch bekannten jene der damaligen Zeit
kennen. Neben Fleischbrühe von Rind, Kapaunen
, Hühnern, Milch und Raum (Rahm) gab es
Suppen aus Rosinen, Mandeln, Mohn, Wein,
Haber (Hafer), Lunge, Nieren, Gehirn und gebähtem
Brot. Lese selbst:
„Eine kräftige Kapaunen / oder Hünersuppe.
Wenn der Capaun / oder Henne wol gekochet
ist / so nimm den Halß sampt dem Kopff / die
Flügel / die Beine und Leber / und stosse es
alles in einem Mörsel wol / und klein / will man
es aber noch kräftiger haben / so nimm die
Krafft / oder das Fleisch von der Brust / schneide
es klein / und thue es auch darzu / geuß die
Hünersuppen oder ifi manglung eine feißte Rindfleischbrühe
daran / und treibe es mit einander
durch ein enges Siblein / oder Härinthuch / thu
es in ein Töpflein / und würtz es mit Ingwer /
Saffran / geschnittenen Muscatenblümen / oder
einer geribener Muscatnus / und setze es wider
ein wenig zum Fewr. Darnach nimm gebehete
Semmeln oder Brot / und reibe sie wol mit einer
Muscatnus / und brich kleine stücklein davon /
thu sie in ein Schüssel / und richte die Suppe
darauff an / sie ist kräfftig und gesund".
Wer zerreibt heute noch Kopf, Hals und
Beine zu einer Suppe? Trotzdem waren sie
Feinschmecker, unsere Altvorderen. Zu einer
Weinsuppe nahmen sie keinen Haustrunk. Es
mußte Malvasier oder „andern köstlichen Wein"
sein. An anderer Stelle: „Nimm Malvasier oder
den besten Wein", oder „Nimm ein junges
Schweinlin von sechs Wochen / biß auff drey-
zehn sinds am besten / ..." „Kalbfleisch an
einem Spießlein balde gut zu braten". Gebache-
nes Hirn, Schöpskeul, ein gefüllt Milchlin (Milch-
lig), ein herrlich Essen von der Zungen, gefüllte
Kalbs- oder Lambs-brüste", und noch mehr solcher
Feinheiten.
War es Mangel an anderm Fleisch oder gehörte
es zum guten Ton, den Tisch auch mal mit Vögeln
zu garnieren? Jedenfalls gibt das Kochbuch Auskunft
, wie „geröste Vögel mit einem Södlin,
Vögel oder Tauben eynzumachen, Ein gedämpftes
von Vögeln oder Hünern, Ein vast gut Essen von
kleinen und großen Vögeln / sonderlich wann sie
alt sind. ,nimm die Vögelin so man Spießvögelin
heißt / als Fincken und dergleichen.. /,
Bei den Fischgerichten scheint der Hecht eine
große Rolle gespielt zu haben, aber: „Ein herrlich
Essen von einem gefüllten Hechtdarm. Wann
du einen vast großen Hecht hast / so nimm den
Darm / wasch jhn schön auß / blaß jhn mit
einem Rörlin auff / daß er desto größer werde..,
Grüne Neunaugen in einem braunen Södlin,
Steinbeißen gut zu sieden". Auch über die Zubereitung
von Schnecken, wann man sie kocht,
nämlich „in dem Mertzen", welche man nimmt
und wie sie in den gekochten Schalen serviert
werden, gibt das Buch Auskunft.
Noch viel könnte daraus erzählt werden, über
„Oepffelmüß, Mandelmüß, Weinmüß, Pirnmüß,
Holunderblüt-Müß, Feygenmüß und viele andere;
Uber die Zubereitung von „Ziger", „Raum"
(Rahm), Habemäl, Gerste, Gallarte, Kräutern,
Salaten, Saurampffer, Cichorij, Rapuntzel, Arto-
schecki, Kürbes, Castanien, Binetsch, Mangold,
Kabißkraut und Darten (Torten) aller Art. Nudeln
sind erst spät genannt, obwohl man schon damals
aus „Mäl und Eyern" gute Teige zu machen
verstand. Und wo bleibt die Kartoffel? Nun, sie
wurde ja erst etwa 120 Jahre nach diesem Büchlein
in Deutschland eingeführt (1770).
Nur ein kleines Beispiel, was auch für den
Sprachforscher für „Leckerbissen" darin sind:
„Schöl die Murcken und schneid sie.:. / am
Rheinstrom nennt man es Cucumern" (Gurken).
Sag mir, was Du in Deinem Leben gegessen
hast und ich sage Dir, wann Du gelebt hast.
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