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Dr. A. Baumhauer, Lörrach:
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Vom Dorf zur Stadt im Jahr 1682
Im Rheinknie am Dreiländereck wie auch an
einem der wichtigsten Wege zum hohen Schwarzwald
, nämlich an der Öffnung des Wiesentales,
liegt Lörrach, mit seinen 32 000 Einwohnern die
südwestlichste Kreisstadt der Bundesrepublik.
Grenzlagen können sich im Guten wie im Bösen
auswirken unter den in Jahrhunderten sich wandelnden
Konstellationen der beteiligten europäischen
Mächte, bald fördernd, bald verheerend.
Gefährlich und verderblich wirkte sich französisches
Machtstreben von Vaubans Festung Hüningen
am jenseitigen elsässischen Rheinufer aus
und hinwiederum der Gegendruck im habsburgi-
schen Breisgau, in Rheinfelden und Stetten,
wenn dort geschah, was in Wien oder Innsbruck
befohlen wurde. Tatsächlich sind seit weit über
1200 Jahren Volkstum wie Sprache der Bewohner
hüben wie drüben im Kern dieselben, vom
beherrschenden Tüllinger Berg aus gesehen nach
allen vier Himmelsrichtungen hin im weiten
alemannischen Land. Fruchtbringend und bedeutsam
für die Beschäftigung der Bevölkerung
des Markgräflerlandes, für ihre Kultur, für Handel
, Verkehr und Industrie war immer die Nähe
der Stadt Basel, die seit Römerzeiten ein wichtiger
Absatz- und Umschlagplatz für Landesprodukte
war, ein Mittelpunkt im kulturellen und
kirchlichen Leben am Oberrhein und Ausgangspunkt
für weitgespannte Unternehmungen des
Deutschen Reiches nach Italien hin.
Ins Tal der Wiese eingebettet, liegt Lörrach
(296 m über dem Meeresspiegel) inmitten recht
reizvoller, verschiedenartiger und abwechslungsreicher
Landschaften. Im Osten erhebt sich über
dem waldigen Schedel- und Hünerberg (410 m)
die Hochfläche des Dinkelberges, der seinen
Namen trägt von der heute seltenen Getreideart
, dem Spelz oder Dinkel, die früher hier sehr
viel angepflanzt wurde. Im Süden, an der Mündung
der Wiese in den Rhein, vermählen sich die
beiden Abschnitte des Stromes, Hoch- und Oberrhein
, am Fuß der Basler „Pfalz". Der Tüllinger
„Berg" im Westen (460 m) trennt das Wiesental
vom Rhein- und Kandertal als letzter Ausläufer
des leicht gewellten Markgräfler Hügellandes.
Vom Dorf Tüllingen, das 1935 nach Lörrach eingemeindet
wurde, schrieb Landvogt Friedrich
von Leutrum anno 1739: „Dieser Ort liegt erhöht
und lustig... Hier wachset ein gut glas wein,
rother und weißer; gibt auch vihl wein, der guth
auf das lager sich schickt und von denen Baslern
gern eingekauft wird. Es stehen dahero die Tilliger
Untertanen ziemlich wohl". Den Kamm des
aussichtsreichen Berges deckt das „Käferholz",
wo Markgraf Ludwig von Baden, der Türkenlouis
, 1702 die Franzosen bekämpfte. Von Norden
und Nordosten grüßen die hohen Schwarzwaldgipfel
, der Blauen und der Beleben, während
, besonders bei Föhnwetter, aus dem Süden
einige Gipfel der Alpenkette herüberleuchten.
Auf den Schottern und Kiesen, welche Lörrachs
Fluß die „Wiese" seit der letzten Eiszeit
ins Tal schwemmte, auf der geologischen Nieder-
ternasse und auf dem steilen Hochgestade entstand
der eine Siedlungskern der zukünftigen
Stadt, auf dem halbkreisförmigen Schwemmkegel
aus fruchtbarem Lehm und Löß des von
der Rheinfelderstraße herfließenden, Bächleins
der zweite. Beide Dorfteile, die sog. „Ufhabi"
und die Häuser an der Kirche und am Burghof
wuchsen später zusammen entlang der leicht
gekrümmten, von Süden (Basel) nach Norden
(Schopfheim) ziehenden Hauptstraße, die sich
innerhalb der Stadt in Rippenform aufteilt, während
am rechteckigen Marktplatz die von Rheinfelden
(von der Ufhabi) kommende Straße einmündet
. Zur Zeit der Stadtgründung (1682) besaß
Lörrach etwa sieben bis acht Gassen, die von
900 Einwohnern bewohnt wurden. Diese Lage
an der Kreuzung zweier wichtiger Straßen, der
Wiesentalstraße von Basel nach Schopfheim—
Titisee und der Strecke von West nach Ost (Tannenkirch
, Schallbach, Luckepaß zum Waidhof,
Degerfelden, Rheinfelden), das heißt vom Mark-
gräflerland zum Hochrheintal, ist für Lörrach als
zollfreie Verbindung, welche den Schweizer Ausgang
des Tales abschneidet, besonders wichtig
geworden. Der Ausbau dieser über zwei Pässe
führenden Verbindung erfolgte erst 1757, nachdem
der badische Markgraf Karl Friedrich sich
mit den Österreichern als den Herren von Degerfelden
und Rheinfelden, von Inzlingen und Stetten
geeinigt hatte. Nötig wurde diese neue
Straße, weil die Stadt Basel einen hohen Zoll
von allen ihr Gebiet berührenden Waren erhob.
Weil die ursprüngliche Straße eine Steigung bis
zu 14 °/o aufwies, wurde sie 1830 umgebaut. Die
Straße nach Tumringen, das wie Tüllingen 1935
nach Lörrach eingemeindet wurde, ist eine
Abzweigung der wichtigen alten Paßstraße ins
Kander- und Rheintal. Seit der zweiten Hälfte
des 16. Jahrhunderts verkehrten hier die Kutschen
der markgräflichen Landpost zwischen
Ober- und Unterland. Im Jahre 1745 wurde Lörrach
der Thum- und Taxischen Post angeschlossen
. Von Lörrach nach Basel gab es seit 1810
private Postwagenverbindungen. Im Jahre 1862
wurde Lörrach durch eine Privatbahn mit Basel
verbunden, die zunächst nur bis Schopfheim gebaut
wurde und später vom Staat übernommen
wurde. So konnte man 1876 bis Zell reisen, wo
1889 der Anschluß an die Bahn nach Todtnau
vollzogen wurde. 1877 wurde die „strategische"
Bahn Lörrach—Weil gebaut, wobei das Schweizer
Gebiet am Tüllinger Berg durch einen 865 m
langen Tunnel umfahren wurde.
Mitten im jetzigen Stadtkern, zwischen der
Graben- und der Teichstraße, zu beiden Seiten
der Tumringerstraße, entdeckte man vor Jahren
ein großes alemannisches Gräberfeld mit Reihengräbern
wohlhabender freier Sippen aus der Zeit
zwischen 500 und 700 nach Chr. Die dazugehörige
Alemannensiedlung muß wohl in der Gegend des
Engelplatzes zu suchen sein. Den Namen unserer
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