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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1963-04/0008
Dr. Robert Feger, Freiburg:

Heuenburg* jöiz <$zWd)tt einte preisgegebenen <5taM

Don Äon|tantin edjöfec

Dieser Tage erscheint eine Stadtgeschichte von
besonderer Prägung. Der Verfasser ist Konstantin
Schäfer, den Oberländer Heimatfreunden und
Historikern als Redaktor der schönen Zeitschrift
„Die Markgrafschaft" und als Verfasser vieler
tief- und hintergründiger historischer und kulturhistorischer
Aufsätze wohlbekannt und hochgeschätzt
. Der Titel seines Buches lautet: Neuenburg
, die Geschichte einer preisgegebenen Stadt.
Diese Fassung "des Titels sagt bereits genau aus,
wie und von welchem Standpunkt her Konstantin
Schäfer die Geschichte Neuenbürgs betrachten
will, — nämlich vom Erleben des Menschen
her, der die große Geschichte der Dynastien und
Nationen erleidet und sich dabei dennoch lebend
behauptet. In der Einleitung bestimmt Schäfer
diesen seinen besonderen Blickpunkt recht präzise
mit folgenden Worten: „Die Absicht dieses
Buches: Es will Rechenschaft geben von dem
Leidensweg einer Stadt in der Vergangenheit,
will ihr Wesen als das einer lebendigen Stadtpersönlichkeit
zeigen. Es will aber auch aus der
Forderung an die Zukunft die Verantwortung
der Gegenwart sichtbar machen. Darüber hinaus
muß alles geschichtliche Geschehen ein Spiegel
sein, in dem wir uns selbst erkennen. So ist es
immer das menschliche Antlitz, das uns aus
allem anblickt".

Noch persönlicher faßt das Vorwort des Buches
den gleichen Gedanken. Dort sagt Schäfer:
„Es kam mir darauf an, das Wesen dieser Stadt
als einer lebendigen Persönlichkeit zu erfassen
und hinter allem das menschliche Antlitz zu
suchen".

Kann Geschichte wahrer aufgespürt und dargestellt
werden als unter diesem entschiedenen
humanistischen Leitgedanken? Sie kann es nicht,
und man wünschte den Schreibern der sogenannten
großen Geschichte, die sich nur allzuoft
in Nationalismen, Ideologien und klischierten
Ressentiments erschöpfen, etwas von der Gesinnung
und Geschichtskonzeption, etwas von der
phrasenlosen Ehrlichkeit der historischen Schau,
etwas von der hohen Menschlichkeit des Wertens
und Urteilens, wie man sie in Schäfers
Neuenburger Geschichte antrifft.

Man muß dieses Buch selbst lesen, um festzustellen
, wie sehr Schäfer seine selbstgesetzten
historiographischen Maximen zur Freude des
Lesers auch getreu befolgt. Hier mögen nur
einige treffend formulierte Kapitelüberschriften
zeigen, wie lebendig der Verfasser die große,
ferne Geschichte der Staaten sich im Erleben der
Stadt Neuenburg und seiner Bürger spiegeln
läßt: Chronikhaft sind die ersten Kapitel überschrieben
: „Von der Entstehung der preisgegebenen
Stadt" und „Wie das Mühlenspiel weiterging
und Neuenburg freie Reichsstadt wurde". Dem
der Stadt entstammenden Geschichtsschreiber
Mathias von Neuenburg und seiner Zeit ist ein

späteres Kapitel gewidmet. Nach weiteren, nur
von der Historie her betitelten Kapiteln heißt
eines, das die burgundische Zeit der Oberrheinlande
behandelt, bezeichnenderweise: „Peter von
Hagenbach und das Motiv der Schuld". Aus der
verworrenen Zeit des Dreißigjährigen Krieges
berichtet ein Kapitel „Drei Bittschriften aus dem
Dreißigjährigen Krieg". In das 16. bis 18. Jahrhundert
führt ein Kapitel „Die Ratsbesatzung",
das über die Struktur des Neuenburger Stadtregiments
, über den Rat und seine Zusammensetzung
nicht nur theoretisch informiert, sondern
durch Vorführen von historischen Vorgängen anschaulich
belehrt. Das feindliche Herübergreifen
des französischen Nachbarn in die deutschen
Oberrheinlande findet ebenso seine deutliche
Spiegelung in der Geschichte Neuenbürgs wie
die Ereignisse der französischen Revolution.
Neben den politischen Ereignissen und ihren
Auswirkungen sind immer wieder und zwar jeweils
an den chronologischen Schwerpunkten
auch wirtschaftliche oder technische Dinge dargelegt
. So etwa wird in dem Kapitel 33 mit dem
Titel „Die Brücke" die Bedeutung des Neuenburger
Rheinübergangs grundsätzlich erörtert
und die Neuenburger Brücke in der Phase ihrer
Planung zu Ende des 18. Jahrhunderts besprochen
. Und wie menschlich spiegeln sich die das
ganze Oberrheingebiet berührenden Fakten der
Rheinkorrektion Tullas in dem schönen Kapitel
„Der Herr Johannes und der Bannstreit!" Die
neueste Zeit macht mit der Darstellung der
Kriegsereignisse 1870/71 und 1939/45 die schicksalhafte
Situation Neuenbürgs als einer Grenz-
und Brückenstadt noch einmal erschütternd deutlich
, vor allem in der völligen Zerstörung der
Stadt durch französische Artillerie im Juni 1940.
Doch vermag Schäfer sein Werk zu schließen mit
dem tröstlichen Bericht über den Wiederaufbau
des Zerstörten, der Neuenburg bei aller Bewahrung
des Alten ein neues Gesicht gegeben hat.
Das Buch schließt mit der Mahnung an die
Gegenwart, aus den zwei Möglichkeiten, die
Neuenburg stets besaß, nämlich entweder Sperrriegel
oder Brücke zu sein, der besseren zur Erfüllung
zu verhelfen, — der Möglichkeit, Brücke
zu sein über den Rhein, — der Möglichkeit, die
„Frieden zwischen den beiden Ufern und Sicherheit
" für den Menschen bedeutet.

Man sieht dem in sorgfältiger Diktion und
dennoch in lebensvoller Sprache geschriebenen
Werk Schäfers auf den ersten Blick nicht an, daß
sich hinter der interessanten Darstellung eine
intensive und jahrelange Forscher arbeit allzubescheiden
verbirgt. Forschungsarbeit nicht nur
in gedruckten Quellen und Sekundärliteratur —
doch von ihr gibt die Bibliographie des Buches
ein Bild —, sondern eigentlich historische, umfangreiche
an archivalischem Material. Wer in
den letzten Jahren den Verfasser in seinem Arbeitszimmer
in Neuenburg aufsuchte, fand ihn

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