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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1963-04/0015
zu erfüllen, die ihre „Selbständigkeit" bedroht
sahen. Dekretiert ward dabei auch, Oberschwaben
solle zum Kurfürstentum Baden geschlagen
werden. Es entbehrte nicht höchst humorvoller
Züge. Am spaßigsten und zugleich am erstaunlichsten
erscheint dem Betrachter von heute, daß
in Biberach die Zuweisung Oberschwabens zu
Baden geradezu leidenschaftlich begrüßt und gefeiert
wurde. Doch davon nachher. Zunächst sei
ein Blick auf das Biberacher Pressewesen um
jene Zeit geworfen. Aus ihm kann man sich
heute am besten und bequemsten über den Ablauf
des Geschehens während des „Gastspiels"
unterrichten.

Kurz, ehe die Dinge ins Rollen gekommen
waren, ist zu Biber ach ein „Nützliches und unterhaltendes
Wochenblatt für verschiedene Leser"
ins Leben getreten. Und dieses Wochenblatt ließ
es an nichts fehlen, die Zugehörigkeit Biberachs
zum Kurfürstentum Baden in ein besonderes
helles Licht zu rücken. Als die Vertreter der
entrechteten Freien Reichsstadt aus Meersburg
von der Huldigung zurückkamen, tauchte der
Redakteur des „Wochenblatts für verschiedene
Leser" die Feder tief in die Tinte. Er schrieb:

„Durch die feierliche Handlung zu Meersburg
sind wir nun fest mit Baden verbunden und
nehmen teil an dessen glücklicher Staatsverfassung
, durch diese haben wir Treue, Gehorsam
und Unterwürfigkeit einem Fürsten geschworen,
der unermüdet tätig für das Wohl seiner Untertanen
ist, einem Fürsten, welcher in einem Zeiträume
von mehr denn fünfzig Jahren, während
welchem er das nunmehrige Kurfürstentum
Baden regiert, so unzählige Beweise seiner Weisheit
, seiner Tugend und seiner Gerechtigkeit
gegeben hat. Laßt uns, gute Mitbürger, unser
Glück ganz fühlen! Noch ist es kein Jahr, daß
wir mit banger Sehnsucht unserem künftigen
Schicksal entgegensahen, trübe Wolken verfinsterten
damals noch die Aussicht in die Zukunft
, und nun — um ein Jahr weiter und dasselbe
hat sich für jeden von uns so schön enthüllt
, jeder von uns findet sich so beruhigt — so
zufrieden — und so glücklich! Laßt uns also der
allgütigen Vorsehung — welche den Menschen
stets zum höheren Glücke führt — danken, und
laßt uns dieselbe noch bitten, daß sie die
Lebenstage unseres Karl Friedrich so lange
friste, als die ewigen Gesetze der Natur es möglich
machen!"

Soweit das Biberacher Wochenblatt. Nun, der
Markgraf Karl Friedrich von Baden-Durlach, seit
kurzem Kurfürst des mit viel politischem Klebstoff
zusammengeleimten Landes Baden, bald
dann Großherzogtum, gehörte ohne Zweifel zu
den schätzenswertesten deutschen Fürsten um
die damalige Jahrhundertwende. Er war, als
man ihm Biberach zuschanzte, beinahe schon
75 Jahre alt. Die Historiker bezeichnen ihn heute
— und das mit Recht — als einen Musterregent
des aufgeklärten Absolutismus. Er schaffte die
Folter und die Leibeigenschaft ab und förderte
mit viel Verständnis das Bildungswesen. Auch
hatte er sich — allerdings erfolglos — um einen
Bund der deutschen Fürsten im Interesse des

Reiches bemüht. Nur unwillig gab er dem
politischen Druck Napoleons nach. Kurz, das
Biberacher Wochenblatt ließ seine Sympathien
einem würdigen Fürsten angedeihen. Und, inniger
und begeisterter hätte Karl Friedrich auch
auf urbadischem Boden nicht gefeiert werden
können. Obendrein kam das „Wochenblatt für
verschiedene Leser" auf eine recht einfühlsame
Idee, den neuen Landesherrn zu preisen. Es besprach
die kurz vorher erschienenen „Alemannischen
Gedichte" Johann Peter Hebels und
zitierte aus dem „Schmelzofen" zwei Strophen zu
Ehren des Markgrafen und neuen Landesherrn:

E frohe Ma, ne brave Ma!

Jetz schenket i, und stoßet a:

Es leb der Marggrof und si Huus!

Ziehnt d'Chappen ab, und trinket us!

Ne bessere Her treit d'Erde nit
's isch Sege, was er tuet und git,
i cha's nit sage, wieni sott:
Vergelt's em Gott! Vergelt's em Gott!

Die neuen kurfürstlich - badischen Besen, die
in Biberach zu kehren anfingen, ließen es sich
angelegen sein, die Spruchweisheit über neue
Besen einmal mehr zu rechtfertigen. Die Herren
Beamten, die aus Karlsruhe erschienen, gaben
sich rechtschaffen Mühe, die neuen Untertanen
inne werden zu lassen, daß jegliche Lockerung
gesetzlicher Bindungen streng geahndet werde.
Auch in anderen, bisher vorderösterreichischen
Landesteilen, so u. a. in Triberg und im Breisgau
, ward gegen die badisch - durlachischen Federfuchser
und Amtspotentaten weidlich die
Faust im Sack geballt — die Redaktion vom
Biberacher Wochenblatt sah sich auf eine harte
Probe gestellt, kommentarlos Verlautbarungen
der kurfürstlich-badischen Behörden zu veröffentlichen
, die Widerspruch, vielfach vor allem
auch ironische Glossierung geradezu herausforderten
. Oder war man in der Schriftleitung
so angetan vom Glück, zum Land Karl Friedrichs
zu zählen, daß ihr eben alles, was reglementiert
wurde, als gut erschien? Schauen wir uns ein
wenig um unter den Verordnungen der Repräsentanten
des Karlsruher Kabinetts. Da gab es
einen Spatzen-Ukas. Hier ist er:

„Da dahier von mehren Orten her Beschwerden
erhoben worden sind, daß sich die für den
Landmann äußerst schädlichen Spatzen sehr vermehrt
haben, und der Wunsch geäußert worden
ist, daß wegen der Ausrottung die nötige Vorsorge
getroffen werden möchte, so wird hiermit
verordnet, daß die Hauseigentümer in der Stadt
und vor den Toren die Spatzennester an ihren
Häusern vertilgen, die Untertanen auf der Landschaft
aber, und zwar eine begüterte Familie
zwölf Stück, eine mittelmäßige Familie neun
Stück, eine geringere aber sechs Stück Spatzenköpfe
an die Vorgesetzten eines jeden Ortes
jährlich und für heuer das erste Mal, jedoch
ohne hiezu sich des Schießens zu bedienen, einzuliefern
haben. Die Vorgesetzten haben sofort
die Spatzenköpfe samt dem Verzeichnis der Familien
an die aufgestellten Herren Förster abzugeben
. Die Hauseigentümer in der Stadt und vor
den Toren, die dieser Verordnung innerhalb vierzehn
Tagen nicht nachkommen und also das

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