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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1963-04/0016
Ihrige zur Ausrottung oder wenigstens zur Verminderung
dieser schädlichen Vögel nicht beitragen
, werden jeder um 30 Kreuzer, wovon der
Denunziant ein Drittel erhält, gestraft, die Ober-
vogteiamtsuntergebenen — die Obervogteiamts-
untergebenen sind in einem Wort geschrieben —
der Chronist wiederholt, die Obervogteiamts-
untergebenen auf der Landschaft aber müssen
für jeden an ihrer Lieferung abgehenden
Spatzenkopf vier Kreuzer bezahlen".

Ist das nicht ein herrliches Erzeugnis bürokratischen
Stils, inhaltlich und nicht weniger
sprachlich? Leider ließ sich über die Resultate
des Spatzen-Ukas nichts ermitteln — zur Ehre
der Biberacher von heute, bei denen der Humor
, eine echte Heimstatt hat, nimmt der Chronist
an, daß sich ihre Vorfahren um 1805 über den
kurfürstlich - badischen Spatzenkrieg in ihrem
Kreis köstlich amüsiert haben. Vielleicht regt
die lustige Geschichte dazu an, in den Festzug
von den „Schützen" einmal eine Gruppe „Kurfürstlich
-badischer Spatzenfeldzug" einzufügen.

Sorge bereiteten dem kurfürstlich - badischen
Obervogteiamt auch die Deserteure, das heißt die
Auffindung gemeldeter Ausreißer. Ein gewisser
Josef Lang, der bei der Truppe ausgerückt war,
wurde in Biberach in gefängliche Verwahrung
genommen. Doch, er brach wieder aus, wie im
„Wochenblatt für verschiedene Leser" berichtet
wurde, „unter Zurücklassimg der Schuhe, um
desto besser fortzukommen".

Alles und jedes ward dem Kurfürstlich-Badischen
Behördenregime angepaßt. Hier eine weitere
Verlautbarung:

„Um bei Leichen- und Trauer - Anstalten unnützes
, ganz zweckwidriges Gepränge, und die
damit verbundenen nicht unbeträchtlichen Unkosten
zu vermeiden, wird Nachstehendes gnädigst
verordnet:

Es soll darauf gesehen werden, a) daß keine
Mahlzeiten bei Leichen und keine Flöre den Begleitern
gegeben werden, b) daß ledigen verstorbenen
Leuten höchstens etliche Kränze auf
den Sarg geheftet werden, c) daß Kinder für
ihre Eltern, Schwieger-, Stief-, Groß- und Urgroßeltern
nicht länger als ein Halbjahr und nur
in den ersten sechs Wochen tief trauern, d) daß
Eltern für ihre Kinder, die über vierzehn Jahre
alt sind, Geschwister füreinander, auch für des
Bruders Frau und der Schwester Mann, ingleichen
auch für Vater und Mutter, Bruder und
Schwester, drei Monate in gewöhnlicher Trauer,
e) Eltern für ihre Kinder unter vierzehn Jahren,
Brüder und Schwestern für des Bruders und der
Schwester Kind oder Enkel, über vierzehn Jahre
alt, Geschwister für einander, und wenn das
Verstorbene vierzehnjährig ist, nicht länger als
sechs Wochen in halber Trauer trauern. Für alle
übrigen darf man keine Trauer anlegen; auch
ist es f) nicht erlaubt, Zimmer, Kirchenstühle,
Kutschen, Pferde und dergleichen schwarz zu
behängen oder die Domestiken schwarz zu kleiden
, alles bei Strafe von 15 Gulden oder nach
Gelegenheit noch härter. Auch sollen bei Leichenbegängnissen
weder den Fahnen- und Kreuzträgern
, Pfarrern und Ministranten noch andern
Leichenbegleitern Flöre gegeben werden".

Der Atem droht einem auszugehen beim Lesen
dieses unerreichten Musterstücks bürokratischer
Verordnungsmanie. Karl Valentin hätte das auch
nicht besser machen können. Von Karl Friedrichs
vielgerühmten Geist scheinen seine Biberacher
Vogtei-Verantwortlichen völlig unberührt gewesen
sein — sie schwelgten wahrhaft im ungehemmten
Voltigieren des Amtsschimmels.

Übrigens war das „Nützliche und unterhaltende
Wochenblatt für verschiedene Leser" mittlerweile
zum „Kurfürstlich - Badischen Verordnungsblatt
" emporgestiegen. Es erschien jetzt
mit dem Untertitel: „Mit Kurfürstlich - Badisch
höchster Genehmigung". Das Obervogteiamt lieferte
Stoff in Hülle und Fülle. Es fand immer
neuen Grund, mit der und jener Einrichtung
oder Gewohnheit nicht einverstanden zu sein.

Besonders scharf ging man gegen die „Nachlässigkeit
" bei Gemeindearbeiten vor. Die Arbeiter
vesperten den Kurf ürstlich - Badischen Amtsleuten
zu viel und zu lang. Die Zeit des Brotessens
wurde auf eine halbe Stunde festgesetzt.
Auch mit den Straßenbauten war das Obervogteiamt
nicht einverstanden und sicher ihm zulieb
dichtete einer der Redakteure des Kurfürstlich-
Badischen Amtsblatts:

Mußt du, mein Freund, einmal mit Tod und Leben ringen,
So ist's auf einer Fahrt, von Biberach nach Ingerkingen.

Versteht sich, daß auch mit der Zensur das
Kurfürstliche Baden, freilich sehr vermutlich auf
Befehl Napoleons, die Biberacher beglückte. Bücher
mußten nicht nur vor dem Druck zensiert
werden. Die Zensur galt auch für Bücherkäufe
und Bücherausleihen. Inzwischen wurde das
Kurfürstlich - Badische Verordnungsblatt auch
Amtsblatt der Stadt Biberach, die sich zu mancherlei
neuen Unternehmungen durch die Kurfürstlich
-Badischen Beamten veranlaßt sah. So
führte man auf der Suche nach neuen Steuerquellen
im Frühjahr 1804 das Salzmonopol ein.
Die Stadt zog den ganzen Salzhandel an sich und
betraute nur einige Kaufleute mit der Abgabe
im Kleinen. Wer gegen diese Bestimmung verstieß
, wurde mit 15 Gulden bestraft.

Unzufrieden war die Kurfürstlich - Badische
Verwaltung nicht zuletzt mit der unzureichenden
Beleuchtung der Stadt. Es war verordnet worden,
daß im Sommer nach 11 Uhr, in den übrigen
Jahreszeiten nach 10 Uhr nachts niemand ohne
eine brennende Laterne ausgehen durfte, doch
wurde die Bestimmung nicht so ernst genommen,
wie die Obrigkeit das wünschte. Im Zusammenhang
mit der Erinnerung an die Laternen - Vorschrift
veröffentlichte das Kurfürstlich - Badische
Verordnungsblatt im unterhaltenden Teil folgendes
Gespräch:

X: Wie unterscheidet sich der Mon'
Von dir, Gevatter Ypsilon?

Y: Der Mon', damit ich's ehrlich sage,

Ist alle Monat voll, ich bin es alle Tage.

X: Und weißt du auch, worin dem Mon'
Ich ähnlich bin, Freund Ypsilon?
Ich borge meinen Wein, und er, er borgt sein Licht,
Doch an das Zahlen denken wir beide nicht.


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