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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1963-05/0004
Emü Baader, Lahr. J0\)Qm ynfc (J^ftfatl Wü^mH

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Die Welt wird schöner mit jedem Tag, so sagen wir
mit Ludwig Uhland in diesen Frühlingstagen nach dem
harten Winter. Von Tag zu Tag wandelt sich unsere
Erde mehr und mehr, „bis zum fernsten tiefsten Tal"
in einen Blumengarten.

Vielleicht ist der blühende Kirschbaum das herrlichste
Wunder der Frühlingszeit. Zwei Dichter hohen
Ranges haben die Schönheit der Kirschblüte gepriesen:
Der Alemanne Johann Peter Hebel und der Schwabe
Christian Wagner.

Bereits im Jahre 1807 schrieb Hebel ein Konzept zu
seinem gerühmten „Liedlein vom Kirschbaum". 1811
erhielt das Gedicht seine endgültige Form, es erschien
erstmals im Rheinländischen Hausfreund vom Jahre
1811. „Erst weiß wie Schnee, dann grün wie Klee, dann
rot wie Blut, schmeckt allen Kindern gut!" so lautet ein
altes Kinderrätsel. Ob wohl Hebel an dieses Rätsel
dachte, als er jenes Gedicht schrieb, das anfängt:

Der lieb Gott het zuem Früehlig gsait:
„Gang, deck im Würmli au sy Tisch!"

In weiteren Strophen preist er die Schönheit der
Kirschbaumblüte.

Un wider het der lieb Gott gsait:
„Deck jetz im Immli au sy Tisch!"
Druf het der Chriesbaum Blüete trait,
viil tausig Blüete wiiß un frisch.

Un 's Immli siht's un fliegt druf los
früeih in der Sunne Morgeschiin.
Es denkt: Das wird my Kaffi sii;
si henn doch chosper Porzeliin.

Wie suufer sinn die Chächeli gschenkt!
Es streckt sy troche Züngli drii.
Es trinkt un sait: „Wie schmeckt's so süeß!
Du mueß der Zucker wolfel sii."

Während nur der Alemanne die volle Schönheit von
Hebels Kirschbaumlied ganz fassen kann, schrieb der
1835 geborene, 1918 zu Warmbrunn im Schwabenland
gestorbene Bauer und Dichter einen einmalig schönen
Lobgesang auf den „Blühenden Kirschbaum" in hochdeutscher
Sprache. Hätte Christian Wagner auch nur
dieses eine Gedicht uns hinterlassen, müßten wir ihn
in die Reihe der großen deutschen Lyriker zählen.

Das Gedicht lautet:

Ungezählte frohe Hochzeitsgäste,
Groß und kleine, einfach und betreßte,
Herrn und Frauen, Edelfräulein, Ritter,
Ungezählte Väter wohl und Mütter,

Ungezählte Kinder, Großmatronen,
Jägerinnen viel und Amazonen,
Freche Dirnen wohl mit Ernsten, Frommen
Auf dem Edelhof zusammenkommen.

Ungezählte bräutlich schöne Zimmer,
Da und dort wohl mädchenhafter Flimmer,
Ungezählte rosige Hochzeitsbetten
Und daneben heimlich traute Stätten,
Rosenfarbig ausgeschlagne Stübchen
Für die Harfnerinnen und Schönliebchen,
Ungezählte Schalen mit Getränken,
Ungezählte Köche wohl und Schenken,
Ungemeßner Raum zu freiem Walten
In dem Hochzeitshause ist enthalten.

Ungezähltes Kommen oder Gehen,
Abschiednehmen, Kehren, Wiedersehen,
Essen, Trinken, Tanzen, Liebesgrüßen,
Liebgewordenes Umarmenmüssen;
Ungezähltes inniges Umfassen,
Götterfreies Sichgewährenlassen;
Ungezähltes Leid- und Selbstvergessen
In dem hift'gen Saale — währenddessen
Ungezählte selige Minuten
An dem Freudenheim vorübernuten.

Die Handschrift dieser Verse befindet sich im Schiller
-Nationalmuseum zu Marbach am Neckar. Auf Anregung
eines Wagner-Verehrers wird eine originalgetreue
Wiedergabe der Handschrift einen Platz finden
in dem Wagner-Museum, das auf Veranlassung der Gemeinde
Warmbronn und des Deutschen Schillervereins
im Geburtshaus Wagners eingerichtet wurde. Dort finden
sich zahlreiche Handschriften und alle Bücher des
Dichters sowie Fotokopien seines Briefwechsels mit
Männern wie Hermann Hesse und Cäsar Flaischlen.

Christian Wagner war einer unserer größten Natur-
dichter. Wer könnte sein Gedicht vergessen

Dein ist alles, all der Blumen Blühen,
wenn hervor sie aus dir selber glühen,
all die Rosenknospen auf der Erden,
wenn sie Rosen in dir selber werden.

Dein ist alles, was ob Tal und Hügeln
lichtvoll sich in dir mag widerspiegeln,
dein der Himmel selbst und selbst die Sterne,
wenn du Glanz hast für den Glanz der Ferne.

Ist nicht der Geist Hölderlins, Mörikes und Goethes
in Christian Wagners Naturgedichten lebendig?

Paul Stintzi, Mülhausen:

Lina Kitter, 5er Ölfäfler /Mdjtertn, gum <3m$

Lina Ritter — unter diesem Namen ist sie in die
Literatur der Oberrheinlande getreten — stammt aus
Neudorf, dem „Neiderfle", wie die Elsässer sagen, in
der heutigen Dreiländerecke am Rhein vor den Toren
von Basel gelegen. Der Vater starb, als das Kind noch
keine zwei Jahre alt war. Die klein gewordene Familie
zog nun in das Elternhaus der jungen Witwe, in dessen
Atmosphäre der Geborgenheit die frühen Jahre der

Vaterlosen gebettet waren. Besonders die hochkultivierte
Mutter übte auf das heranwachsende Kind einen
tiefen Einfluß aus. Es kam die Zeit, da Lina Ritter jeden
Morgen nach St. Ludwig in ein von Schwestern geleitetes
Pensionat ging. Später besuchte sie die Mülhauser
Höhere Töchterschule. Dort schrieb sie mit kaum siebzehn
Jahren ihren ersten Einakter, kurz darauf gar ein
Drama. Der Höhenflug ihres ersten dichterischen Er-

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