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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1963-05/0005
lebens hinderte sie nicht, daheim in der Landwirtschaft
mitzuhelfen. Weitgehende Förderung ihrer geistigen
Entwicklung verdankte sie dem Bartenheimer Pfarrer
Dr. Sauter, der sie in Philosophie und Literatur und
zuletzt auch in die öffentlichen Vorlesungen an der
Basler Universität einführte.

1911 horchte das Elsaß auf: Eine junge Landsmännin
hatte ein Drama voll Blut und Leben geschrieben und
ließ dieses in Basel mit großem Erfolg aufführen: „Die
Grafen von Pfirt." Im Mittelpunkt dieses Dramas steht
der Vatermord auf Schloß Pfirt und die Demütigung
der Pfirter Grafen durch den Harnescar. In das Gefäß
klassischer Sprache gefüllt (fünffüßigen Jambus) war
der neue Wein, gährend und brausend und doch schon
voll Ahnung kommender Abgeklärtheit.

Zwei Jahre später gab das Elsässer Theater Mülhausen
als Uraufführung Lina Ritters Dreiakter in
urwüchsigem Dialekt: JPeter Hagenbach." Zum ersten
Male griff hier eine begnadete Dichterin das Erlösungsmotiv
auf und stellte es in den Rahmen dex Heimat:
Peter von Hagenbach, der burgundische Vogt, der durch
ein Mädchen bezwungen und von schwerer Schuld
erlöst wird. Es ist ein von der tiefen Heimatliebe der
Dichterin durchdrungenes Spiel, ein jubelndes Bekenntnis
zu dem schönen, vielgeprüften Land, ein Aufruf
, sich in den Dienst der Heimat zu stellen. Der über
das Elsaß und über Europa hereinbrechende Krieg
wurde für Lina Ritter zur Tragödie. Sie folgte dem von
ihr geliebten Manne, der aus Straßburg ausgewiesen
wurde. Es war für sie, die so eng mit ihrer Heimat verbunden
war, ein schweres Opfer.

In Baden fanden beide eine zweite Heimat. In stillen
Stunden, oft heimwehkrank, flüchtete Lina Potyka-
Ritter in die Dichtimg. Manches ist unveröff entlicht geblieben
, aber 1927 erlebte ihre „Wiwertrej" (Weibertreue
) einen großen Erfolg in Mülhausen. Auch hier
wieder dasselbe Leitmotiv: Die Frau, die den schuldigen
Ritter von Schwanau durch ihre große, tiefe
Liebe entsühnt und die ihn aus der brennenden Burg
hinausträgt, das Motiv der Weiber von Weinsberg am
Oberrhein.

Dann blieb es um Lina Ritter lange still, nur hier
und dort Skizzen, Novellen, Erzählungen. Neue Prüfimg
brachte ihrem Gatten der politische Umschwung
1933. Sie zog mit ihm und ihren Kindern nach Freiburg.
Beim unseligen Bombenangriff 1944 erlebte sie eine
neue Heimsuchung. Erst nach bitteren Jahren war diese
überwunden.

Kurz nach 1940 hatte Lina Ritter ihren Roman
„Martin Schongauer" veröffentlicht. Er hat vor kurzem
nach mehreren Auflagen eine neue Herausgabe erlebt.
Sie hatte diesen Künstlerroman vom Oberrhein nach
jahrelangen eingehenden Studien niedergeschrieben,
Historisches und Kulturhistorisches aus dem 15. Jahrhundert
zu einem farbensatten Bild des Geschehens am
Oberrhein verarbeitet. Armagnaken und Burgunder,
Geiler von Kaysersberg und Meister Mathias vom Isen-
heimer Altar treten und stellen sich um Martin Schongauer
, der nach dem Breisacher „Jüngsten-Gericht-

Zyklus" eigene und fremde Schuld entsühnt hat und
htoüberschlummert mit dem Leitmotiv des Werkes:
Heimat, Friede, Sichverstehen in Güte und Liebe. Von
der ersten Stunde ihres Schaffens an war dies das Leitmotiv
von Lina Ritters Leben.

In diesen Rahmen fügt sich auch ihr nach 1950 auf
dem Odilienberg und an andern Orten aufgeführtes
Weihespiel „Hört, Brüder, hört!" ein Odilienfestspiel
mit modernem Einschlag. Auf der einen Seite Eticho,
der wilde Herzog, der heidnische Gewaltmensch, auf
der andern Seite Odilia, die reine, heilige Seele. „Ihr
Herz war eine Sonne", schrieb einmal Friedrich Lien-
hard, der elsässische Dichter und Lyriker, als er das
schönste Odiliengedicht in einer gottbegnadeten Stunde
verfaßte. Auch in diesem Werk Lina Ritters der Sieg
der Güte und Liebe über Bosheit und Gewalt. Über die
Heimat hinaus wächst Odilia in die Welt des Rein-
Menschlichen.

Leider blieb ihr Roman um Leo IX., den elsässischen
Papst, bis heute ungedruckt. Auch hier gingen der
Niederschrift jahrelange Vorstudien voraus. Der Roman
entwirft ein packendes Gemälde von Heimat, Welt
und Kirche um 1050, in dem als Künder des Friedens,
als treuer Sohn seiner Heimat Leo steht, der große Sohn
aus dem Geschlecht der Grafen von Egisheim.

Viele Manuskripte unsrer Jubilarin liegen brach, die
Ungunst der Zeiten haben eine Drucklegung verhindert
. Aber was Lina Ritter ihrer Heimat am Oberrhein
geschenkt hat, ist bleibende von Herzen kommende
Gabe. Dafür sei ihr hier aufrichtig gedankt, an diesem
Tag des dankbaren Rückblicks auf 75 reiche Lebensjahre
.

2ln t\n KUtec^PotyFa

Wenn du schwätzisch, hört me s bruuse,

töne, singe — s schwingt in aim,

s waiht aim aa un hebt aim uuse

us em Gwüehl im holt aim haim.

Loos, me hört us alte Tage

lieb un lind e Muetterwort:

dort dur s Hof tor gahrt e Wage,

glückli bisch am alte n Oort,

Mit em Vadder uf de Matte,

uf em Acher mit de Chnecht,

subtil gohsch dur Gmüesrabatte,

schmecksch der Grund un s wohlt der echt.

Land un Lüt, vergangni Zyte

ahnt me in de Wörtli dinn:

wie me glacht het, glebt un glitte,

gspüürsch du un verrootsch der Sinn.

Du vertiefsch di in die alte

Schrifte un de gisch üs Bricht,

lebig machsch versunkni Gstalte,

losch si rede n im Gedicht.

So n e Lebe lang im Sage

bisch du dynre Haimet nooch

bis in dyni alte Tage

in der liebe Muettersprooch.

Hubert Baum

Dr. A. Baumhauer:

1200 Jatyz ©tetten im flöiefental

Als das Dorf Stetten im Jahre 1908 in die
industriereiche, emporstrebende Kreisstadt Lörrach
eingemeindet wurde, war diese Verbindung
gewiß keine durch irgendwelche historisch bedingten
Gründe erfolgte Neigungs-, sondern vielmehr
eine reine Vernunftsehe. Allzuviele politische
, religiöse wie auch wirtschaftliche Gegensätze
hatten sich in den vergangenen Zeiten tren-

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