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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1963-05/0017
Greifen wir gleich ein Gewächs heraus, das recht als
Trumpfbeleg gelten kann für die alte Weisheit, daß,
was dem einen Uhl, dem andern Nachtigall ist. Die
Quecke kann uns in Verzweiflung versetzen, wenn wir
uns daran machen, ihr beizukommen. Agriopyrum re-
pens, die kriechende, meist die „Gemeine" genannte
Quecke ist ein ausdauerndes Gras, dessen Wurzel das
Erdreich mit seinen weißen Wurzeln richtig durchwühlt.
Damit hängt es zusammen, daß der Volksmund wohl
auch vom Fluhtgras, der Spuhlwurz, dem Schleichgras
spricht. Die Bezeichnung Quecke knüpft an „queck"
oder „quick" an, das lebendig bedeutet. Nun, dieses Gewächs
ist in der Tat quicklebendig. Vielleicht gab diese
Quicklebendigkeit den ersten Anlaß, danach zu forschen,
ob den Wurzeln, die so gar nicht zu bekämpfen sind, am
Ende heilsame Säfte innewohnen könnten, weil man an
ihr doch auch etwas Gutes finden wollte! Jedenfalls ist
die Verwendung von Sud aus Queckewurzelstöcken in
der Volksarznei weit zurückzuverfolgen in der Geschichte
. Fast handelt es sich um ein Universalheilmittel.
Es mildert den Reiz bei Erkrankung der Harnwege, reinigt
das Blut, verdrängt den Husten, löst die Verschleimimg
, fördert den Haarwuchs. Man bereitet aus der
Queckewurzel Sirup oder gar ein weinartiges Getränk,
röstet sie und gewinnt einen Kaffee-Ersatz. Von einem
seltsamen Mittel gegen Bettnässe berichtet man aus
Ostpreußen: Man achtet bei der Kartoffelernte darauf,
ob einem eine Kartoffel zu Gesicht kommt, durch die
eine Queckenwurzel hindurchgewachsen ist. Sie kocht
man und läßt den von dem peinlichen Leiden behafteten
Patienten den Sud kosten. Die Droge aus dem
Queckenwurzelstock schmeckt süß und enthält Zucker,
Schleim und das Triticin, eine gummiartige Substanz.
Auf mageren Weideplätzen ist die Quecke als Futtergras
nicht unbeliebt. Und ihr eng verflochtenes Wurzelwerk
hilft an Flußufern den Sand befestigen.

Der Huflattich bereitet dem Bauer oft bittere Sorge.
Er kommt fast von ungefähr, etwa von einem Bach her,
an dessen Rand er sich wohlfühlt, klamm und leise auf
eine Matte und will sich dann nicht mehr vertreiben
lassen. Der Großstädter kennt seine hübschen gelben
Blumenkrönlein auf niederen schuppigen Stengeln, die
sehr zeitig im Frühjahr den Schutt schmücken, der da
und dort von den im Krieg zu Ruinen verwandelten
Häusern noch übriggeblieben ist. Blütchenundbeflaumt
anmutende Blätter von Tussilago farfara werden gesammelt
und getrocknet. Man brüht daraus einen Tee,
der gegen Krankheiten der Atmungsorgane angewendet
wird. Die neuzeitliche Pharmazie bietet Mittel von
Tussilago an. Offenbar haben die Alten schon um den
Hustenreiz vertreibenden Huflattichtee gewußt. Tussis
nämlich heißt der Husten. Frische Huf lattichblätter verordnet
die Volksmedizin auch zum Auflegen bei Hautentzündungen
.

So harmlos die Schafgarbe aussieht — sie kann in
Gärten und auf trockenen Wiesen doch recht zudringlich
werden. Botanisch hat die Pflanze einen schönen
Namen. Achillea heißt sie, Achilles zu Ehren benannt.
Man erklärt sich das aus dem Umstand, daß der Kriegsheld
aus dem Kreis der trojanischen Kämpfer ein Schüler
des heilkundigen Zentauern Chiron gewesen sein
soll—der Goethekundige denkt an den „Zweiten Faust",
in dem der weise Chiron ebenfalls auftaucht. Tausendblättrig
, millefolium, ist die Gemeine Schafgarbe zubenannt
nach den fein zerteilten Laubblättern des Gewächses
. Der deutsche Name will sich nicht recht aufhellen
lassen — Schafe zwar fressen die Pflanze gern—,

aber was Garbe bedeuten soll, das ist nicht geklärt. Was
schadet's — der Schafgarbentee wirkt stärkend, belebend
, krämpfelindernd, löst und vertreibt mancherlei
Schmerzen. Der Heilkundige, der nach Eugen Ostner
Europa geheilt hat — nun, zum wenigsten hat er erheblich
dazu beigetragen, den Europäer, den Irdischen überhaupt
, zu vernunftgemäßen Lebensregeln aufzurufen—,
Sebastian Kneipp, rühmt die Heilkraft der Schafgarbe
in einem Atemzug mit der des Johanniskrautes, das
desgleichen als Unkraut attackiert wird. Hypericum —
dies die botanische, auf die Flora der Griechen zurückgehende
Bezeichnung — ist uns in verschiedenen Spielarten
bekannt — volkstümlich ist das Echte Johanniskraut
, perforatum zubenannt, was durchlöchert heißt
wegen des durchscheinend punktierten Blattes. Weil
der Volksglaube in dem Sommerblüher, der am Johannistag
, 24. Juni, meist indessen schon zeitiger seine
Knospen öffnet, Fähigkeiten der Abwehr von Gewittern
und bösen Geistern vermutet, heißt das Johanniskraut
auch Hexenkraut. Den Charakter des Johanniskrauts
als Unkraut auf Futterwiesen deutet der Ausdruck
Hartheu an — nun, der Stengel ist derb, fast ein wenig
holzig. Aber sein Ruf in der Volksmedizin ist kaum zu
übertreffen. Übergeben wir Sebastian Kneipp das Wort.
Er destilliert die Blüten ungetrocknet mit bestem öl in
der Sonne oder am Ofen sechs bis acht Wochen. Man
bekommt dann einen herrlichen Balsam, der laut Sebastian
Kneipp besonders gut bei Anschwellungen,
Hexenschuß, Gicht, Verrenkungen und ähnlichen unerbetenen
Behinderungen wirkt. Bei Leibschmerzen
nehme man sechs bis acht Tropfen auf Zucker. Dieser
heilkräftige Balsam läßt sich gut bis zu zwei Jahren
aufbewahren. Aber auch Verschleimungen der Brust
ist mit Tee aus Johanniskrautblüten beizukommen.
Dann sagt unser Gewährsmann, dem man so gern immer
wieder einmal seine Reverenz erweist, zum Schluß:
„Mütter, denen kleine Bettnässer viel Arbeit und Kummer
bereiten, wissen von der stärkenden Wirkung des
Tees aus getrockneten Johanniskrautblütchen manches
zu berichten."

Im Gegensatz zu dem tüchtig in die Stengel schießenden
Hypericum wuselt der Hühnerdarm, die Stellaria
—so benannt nach den Blütensternchen—auf der Erde.
Für den Bauer wird dieses eifrig wachsende Pflänzlein
häufig zum Unkraut. Man kann nur staunen, wie rasch
es einen Acker überwuchert und unter sich das Erdreich
gegen Licht und Luft abriegelt. Als Hausmittel steht es
dafür im Register der heilsamen Unkräuter obenan.
Man bereitet aus den Blättern Tee, der gegen Verschleimimg
gut sich verwenden läßt. Unsere Schwarzwälder
Großmutter — mütterlicherseits — gab zu dem Tee von
Stellaria einen kräftigen Schuß Wein, was uns Buben
bisweilen Veranlassung gab, ein wenig Komödie zu
spielen, so zu tun nämlich, wie wenn wir vor Verschleimung
kaum mehr atmen könnten.

Wo sich das Hirtentäschlein — Capsella bursa pasto-
ris — einmal angesiedelt hat, versteht es sich darauf,
seine Position zu behaupten. Die dreieckigen, taschenähnlichen
Schötchen haben der Pflanze den traulich berührenden
Namen eingetragen. Aber wo es in Masse
auftritt, auch bisweilen im Garten, helfen ihm die niedlichen
Früchtchen nichts. Das Verdikt „Unkraut" ist
ihm sicher. Die Volksmedizin verwendet Blätter, Blüt-
chen benebst Schötchen. Man setzt sie mit Wein an, in
dem sie gesotten werden. Sie stillen dann Leibschmerzen
und Blutflüsse. Auch Tee brüht man von Blättchen,
Blütchen, Schötchen an und schreibt ihm gute Wirkung

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