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Dr. A. Baumhauer, Lörrach:
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Im Jahre 1842 erschien in Darmstadt ein Werk
mit dem langatmigen und verheißungsvollen
Titel: „Das Großherzogtum Baden in malerischen
Original-Ansichten seiner interessantesten Gegenden
, seiner merkwürdigsten Städte, Badeorte,
Kirchen, Burgen und sonstigen ausgezeichneten
Baudenkmäler alter und neuer Zeit, nach der
Natur aufgenommen von verschiedenen Künstlern
und in Stahl gestochen von Joh. Poppel im
Vereine mit den ausgezeichnetsten Stahlstechern
unserer Zeit". 154 zum großen Teil wertvolle
Stahlstiche zieren das Werk, zu dem Dr. Eugen
Huhn einen historisch - topographischen Text
schrieb. Ansichten von Müllheim, Kandern,
Schliengen, dem Isteiner Klotz, Lörrach und
Säckingen — um nur die Bilder von Orten aus
der näheren Umgebung zu nennen — sind in
diesem Buch in der romantischen Darstellungsweise
der Zeit einer Schilderung des Mark-
gräfLerlandes und des Hochrheingebietes beigegeben
. Das Lörracher Bild ist von K. Corradi
gezeichnet und in Stahl gestochen von I. Richter
und zeigt einen Querschnitt durch das vordere
Wiesental vom Röttier Schloß zum Hünerberg,
die Rebenhänge und das Städtchen, das sich auf
dem Hochufer über dem mit Busch und Baum
bestandenen, geschlängelten Flußbett erhebt und
sich bis zu dem als „Ufhabi" bezeichneten ältesten
Stadtteil hinzieht.
Der Autor, der das Großherzogtum von Norden
nach Süden bereiste, gelangte von Müllheim
über Schliengen, Liel und Kandern nach Lörrach
. „Die bisherige Poststraße von Schliengen
über Kaltenherberge nach Basel", schreibt er,
„ist einförmig und traurig, weshalb wir hier das
Rheintal verlassen und dem Schliengener Bach
nachgehen, wo wir in einer Stunde das Dorf Liel
erreichen, das in einem waldreichen Tale liegt
und ergiebige Erzgruben besitzt". — Uber Unter-
und Obereggenen wird Kandern erreicht, von
dessen damaligen 1400 Einwohnern Huhn sagt,
sie seien „echte, gemütliche Alemannen, wie sie
uns Hebel in seinen Gedichten und Erzählungen
anmutig zu schildern wußte". Im Kanderner Erzbergbau
mit über 40 Stollen wurden 200 Bergleute
und ebensoviele Fuhrleute beschäftigt, im
Eisenwerk wurden jährlich über 12 000 Zentner
Roheisen und 2 000 Zentner Stab- und Kleineisen
erzeugt. Im gewerbereichen Städtchen gab
es im Jahre 1842 außerdem eine Papiermühle,
eine Seidenweberei, eine Wollspinnerei, eine
Leinwandbleiche, eine Halbtuchfabrik, eine Ziegelbrennerei
und eine Glockengießerei neben
sieben Mahl-, zwei Säge-, zwei öl- und einer
Schleifmühle, drei Hanfreiben und drei Bierbrauereien
. Daß im „badischen Nizza", wie Kandern
genannt wurde, schon damals ein geselliges
Völkchen wohnte, beweisen die verschiedenen
Vereine zur Pflege von Musik und Gesang, die
Schützengesellschaft, die Lesegesellschaft und der
Gewerbeverein.
„Dem Kandertal folgend, gelangt man zum
Pfarrdorf Wollbach. Dort soll", schreibt Huhn,
„wie die Sage vermeldet und alte Zinsbücher
glauben lassen, ein Kloster gestanden haben,
Grifenweiler mit Namen, einst reich und von
Äbten regiert, aber längst verschollen. Nur noch
eine Wiesengegend trägt den Namen Grifenweiler
Matten. In der Nähe ist auch ein anderer Ort
verloren gegangen, Arbitswiler genannt, aber
kein Denkmal sagt, wann es vernichtet worden.
Vielleicht zogen dessen Bewohner nach dem
Weiler Nebenau, der ebenfalls ein größerer Ort
— die Sage will ein Städtchen — gewesen sein
soll".
Uber die Lücke kam Huhn ins Wiesental und
nach Lörrach, das ihm einen besonders guten
Eindruck hinterließ. So schreibt er vor 120 Jahren
, fünf Jahre bevor die badische Revolution
gerade in Lörrach die Gemüter aufs äußerste
bewegte, von dem damals noch so friedlichen
Städtchen: „Baden enthält nur wenige so schöne
und wohlhabende Orte wie Lörrach, und man
sollte meinen, die nahe Schweizerluft bringe auch
ein besseres Bürgertum und größere Regsamkeit
herüber, ein so guter Sinn herrscht hier unter
den Bürgern und so tätig und betriebsam ist
alles. Die Straßen sind freundlich und hell, enthalten
meistens stattliche Häuser, und die Fabriken
bringen viel Leben in den Ort. Westlich an
Lörrach lehnt sich die große Köchlin'sche Zitz-
und Kattunfabrik an, die schon seit 1753 besteht
und einen bedeutenden Absatz hat. Mehr als
tausend Webstühle gehen für diese Fabrik hier
und im vorderen Wiesental, und eine große Anzahl
Menschen gewinnt dadurch ihr Brot. Außer
dieser besteht hier eine Tabakfabrik; es sind
mehrere Seidenweber- und Halbleinfabriken
vorhanden, und der Grenzhandel bringt erkleckliche
Summen ein. In Lörrach befinden sich
mehrere Behörden, eine höhere Bürgerschule
und Fabrikschule, eine Buchhandlung, eine Buchdruckerei
und zwei Leihbibliotheken, auch ist
für gesellige Unterhaltung gesorgt. Wir können
nicht von Lörrach scheiden, ohne erwähnt zu
haben, daß hier der berühmte Jurist Hugo geboren
ist; auch entstammte gewiß der große, in
Basel geborene Mathematiker Euler einer hiesigen
Familie".
Der weitere Weg unseres Autors führt darauf
das Wiesental aufwärts, das wie wenige andere
Täler Deutschlands „in seinem biderben (!) Sohn
Hebel den erwünschtesten Sänger fand", und von
da an den Hochrhein und in den Schwarzwald,
dessen Einsamkeit und Ursprünglichkeit die
Wanderer vor 120 Jahren noch wenig zu schätzen
verstanden. Neben den wertvollen Bildern enthalten
so die Schilderungen dieses „badischen
Baedekers" aus der guten, alten Zeit manche
aufschlußreiche Tatsachen.
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