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Eine Würdigung des bedeutenden Gelehrten und Volkskundlers
Schon vor 25 Jahren, als der um das Elsaß
verdiente Forscher und Gelehrte seinen 50. Geburtstag
beging, würdigte, man sein erstaunlich
reiches und erfolggekröntes Wirken in der
Monatszeitschrift „Elsaßland" mit einer Bibliographie
seines über ein Dutzend Bücher und 200
Nummern umfassenden Schrifttums. Diese kraftvolle
Gelehrtengestalt erregt auch heute noch
berechtigtes Aufsehen. Josef Lefftz ist Denker
und Forscher, der vom Alter nicht berührt erscheint
, der mit einer Riesenarbeitskraft am
Werk ist und sedner Heimat immer noch eine
Fülle schönster Geschenke macht, dessen ungewöhnliche
Arbeitslust man bewundert, dessen
Meisterleistungen allmählich internationale Anerkennung
finden. Große Menschen aber sind es
wert, daß man ihrer in Liebe und Verehrung
gedenkt. Ungebeugt durch Leiden und ^Prüfungen
schwerer Jahre ist Lefftz seinen geraden Weg
gegangen, eine Persönlichkeit, wie es deren nicht
viele mehr gibt.
Lefftz stammt aus Oberehnheim, wo seine
Vorfahren schon im 15. Jahrhundert die Scholle
bebauten. 1913 trat er als Kandidat des höheren
Lehramtes in den Elsaß-Lothringischen Staatsdienst
ein und später in den Dienst der Universi-
täts- und Landesbibliothek Straßburg, wo er bis
zur Vollendung des 68. Jahres als Oberbibliothekar
, wirkte und im Ruhestand noch eine Unsumme
gelehrter Arbeit im Dienste der Heimat
und der Wissenschaft leistete. Schon seine Erstlingsschrift
, eine bahnbrechende Murner-Dissertation
(1913) war ein glückhafter Wurf. Der
Fischart-Biograph und damals beste Kenner der
elsässischen Literatur des 16. Jahrhunderts, Prof.
Dr. Adolf Hauffen, hat dieses Murner-Buch bewundert
als eine „vorzügliche im Umfang und
ihrem inneren Wert weit über den Rahmen landläufiger
Dissertationen hinausgehende Untersuchung
... als eine vorbildliche Arbeit". Als
Philologe und Literarhistoriker sicherte sich
Lefftz weiterhin durch eine Reihe wertvoller
Werke einen hervorragenden Rang.
Es erschienen Veröffentlichungen in Buchform
, Aufsätze für die Monatszeitschrift „Elsaßland
", für die Elsässischen Jahrbücher, die
„Chronik des fahrenden Schülers" nach Urhand-
• schrift Brentanos, die Lefftz im Trapistenkloster
ölenberg ausgegraben hatte, die „Märchen der
Gebrüder Grimm in der Urfassung". Die beiden
letztgenannten Werke ernteten in der Gelehrtenwelt
uneingeschränktes Lob. Es erschienen die
„Elsässischen Volksmärchen, neu an den Tag
gebracht", ein köstliches Büchlein im ursprünglichen
Volkston gehalten; mit Alfred Pfleger
herausgegeben ein Sammelwerk „Elsässische
Weihnacht, ein Buch von unseres Landes Art
und Brauch". Seine wundervoll gemeisterte
„Geschichte der gelehrten und literarischen
Gesellschaften des Elsaß seit der Humanistenzeit
" ist eine farbensprühende Kultur- und
Geistesgeschichte, „viel mehr als nur ein
Triumph bibliothekarischen Sammelfleißes", sondern
„l'ouvrage le plus important de ces der-
nieres annees ... une large fresque de la vie
intellectuelle et morale de notre provence".
Durch seine Arbeiten auf dem Gebiet der
Volkskunde wurde Lefftz der bedeutendste Folklorist
des Elsaß, vor dem Kriege und seither. Es
sind Ergebnisse einer zähen und emsigen Sammlertätigkeit
, die sich auf genaues Urkunden-
material erstreckt und in hunderten von Ortschaften
zusammengetragen wurde. Da sind die
schönen Beiträge zu den Kalendern, die ja damals
die geistige Nahrung des Volkes bildeten.
Unterhaltende Aufsätze für Bauern und Arbeiter
und Erinnerungen der alten Leute steuerten dazu
bei, Vergessenes zu retten. Lefftz ging selbst
unter das Volk und suchte dort den Arbeitsstoff.
Er suchte aber auch, seinem Gelehrtenleben dadurch
Sinn und Wert zu geben. Selbst hören,
selbst erforschen, selbst schreiben, Elsaßkunde in
die Heimat hineintragen, das war sein Wunsch.
Er hat seinen Landsleuten nicht nur verstandesgemäß
, sondern auch mit Gefühlswirkungen
nahezukommen versucht, er wollte die Menschen
der Heimat nicht heimatlos werden lassen. So
entstanden die „Elsässischen Dorfbilder", eine
Zusammentragung von S itten und Gebräuchen,
von Dorf und Flur, von dörflichem Alltagsleben,
Fest- und Feiertagen, von Dorfpoesie, Musik und
vom bäuerlichen Witz und Gritz. Wie innig erzählt
er vom Volkslied, von allem, was das
Bauernherz bewegt. Wie interessant berichtet er
von der Sprache der Glocken (besser ein klein
Geläut als kein Geläut). „Glocken sind wie Zungen
, die reden können. Sie mahnen zum Beten,
zum Arbeiten, zur Ruhe. Sie rufen zu Frohlocken
und zur Trauer. In ihnen liegt etwas Geheimnisvolles
. Jeder meint, es läuten die Glocken das,
was er gerade im Sinn hat, ein launiges Spiel
der Phantasie in Schalldeutungen; Glocken, die
wie der Mensch eine Sprache haben, die erzählen
, rufen, bitten können: O jerum, o jerum, isch
der dumm". Zu lustig, wenn Lefftz die Winzer
in den sonnenglühenden Rebbergen die Glocken
hören läßt, wenn sie vom Dorfturm die Stunden
angeben:
„Trink eins,
noch eins,
noch eins,
noch eins",
worauf dann der nächste Stundenschlag folgt:
„Genüeg,
genüeg,
genüeg,
genüeg".
Von den Glocken zum Lied ist nur ein kleiner
Sprung. Das große elsässische Volksliederwerk,
dem Lefftz sechs seiner besten Jahre gewidmet
hat, mag ein Gegenstück zu Pinks „Verklingende
Weisen" werden. Im Sommer 1939 lagen vierhundert
Seiten im Reindruck vor: Erzählungen,
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