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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1963-09/0014
Dr. A. Baumhauer, Lörrach:

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Aus der Kriegschronik eines Riehener Weibels

Unsere Dreiländerecke hat von jeher in ihrer
exponierten Lage unter kriegerischen Unternehmungen
, Truppendurchmärschen und Einquartierungen
besonders zu leiden gehabt. Jahrhundertelang
standen sich Frankreich und das
Deutsche Reich am Rheinknie feindselig gegenüber
, wodurch natürlich auch das Gebiet der Eidgenossenschaft
, welche im Westfälischen Frieden
1648 dank der hartnäckigen und geschickten Verhandlungen
des Riehener Obervogtes und Basler
Bürgermeisters Johann Rudolf Wettstein ihre
staatliche Selbständigkeit erlangt hatte, manchen
Gefahren und Grenzverletzungen ausgesetzt
wurde, wenn keine Basler oder gar eidgenössischen
Truppen die Grenzwacht hielten. Besonders
die Bauern der Landgemeinden Bettingen und
Riehen mußten sich oft gegen eindringende und
plündernde kaiserliche und schwedische Reiter
wehren, während andererseits immer wieder
ganze Scharen von Flüchtlingen aus der badischen
Markgrafschaft ihr Leben und Gut auf
Schweizer Boden retteten. Daß das Grenzdorf
Riehen von Fremden überschwemmt wurde, läßt'
sich aus den Taufbüchern erkennen. Wenn in der
ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts im Jahr durchschnittlich
45 Kinder aufgezeichnet sind, so weist
das Jahr 1633 deren 67, das Jahr 1638 sogar
neben 36 einheimischen noch 58 auswärtige Täuflinge
aus.

In unmittelbarer Nähe des Riehener Bannes
spielte sich auch das Kriegsgeschehen ab, als es
im Spanischen Erbfolgekrieg am 14. Oktober 1702
zwischen den Franzosen unter Marschall Villars
und den deutschen Truppen unter dem Markgrafen
Wilhelm von Baden, dem Türkenlouis, bei
Weil-Friedlingen und später auf dem Tüllinger
Berg zur Schlacht kam. Gewaltig war der Schaden
in den Dörfern der Markgrafschaft. Die
Riehener Bauern sahen den Brand von Weil,
fürchteten auch um ihren Besitz und klagten,
„wieviel Zeit die ganze Gemein habe warten und
weilen müssen und es ein elender Jammer gewesen
mit geflochtenem Volk und man das Volk
habe hören schießen und fechten und rennen
gesehen und so viel blessierte Soldaten hierher
gekommen seien".

Aus den vergangenen Kriegen wissen wir, wie
fest die Schweizer Truppen entschlossen waren,
jeder fremden Macht das Eindringen in ihr neutrales
Land zu verwehren. Das Heer hielt an der
ganzen Grenze Wache und wurde jeweils einem
nur für die Kriegsdauer gewählten General unterstellt
. So besaß die Schweizer Armee die
Generäle Dufour (1847), Herzog (1870/71), Wille
(1914/18) und Guisan (1939/45). Auch schon während
der Koalitionskriege und der Kriege Napoleons
wurden die Grenzen der Schweiz durch
Truppen geschützt. Es lagen im Riehener Bann
damals abwechselnd Kontingente \aus Basel,
Zürich, Bern und Glarus, so daß das Dorf niemals
ohne schweizerische Besatzung war. Während
der Nacht mußten jeweils acht ortskundige
Riehener die eidgenössische Mannschaft verstärken
.

Es ist von besonderem Reiz, die Kriegsereignisse
, welche sich im letzten Jahrzehnt des 18.
Jahrhunderts in unserer badischen Heimat abspielten
, vom Standpunkt des neutralen Eidgenossen
zu betrachten. Ermöglicht wird uns
dies durch die wertvolle Chronik des Riehener
Weibels Hans Jakob Schultheiß, dessen Aufzeichnungen
die Jahre 1788 bis 1798 umfassen und
das Geschehen in nächster Nähe der Schweizer
Grenze darstellen. Schultheiß schildert zunächst
die Unruhen und Wirren, welche im nahen
Elsaß zu Beginn der französischen Revolution
nach dem Sturm auf die Bastille am 14. Juli 1789
ausbrachen. Die Bauern erhoben sich gegen die
Amtsleute und gegen die Adligen und zerstörten
oder verbrannten deren Schlösser. Auch gegen
die Juden wandten sich die elsässischen Bauern,
„weil dieselben mit den Amtsleuten allda auf die
Unterdrückung der Bauern im gleichen Wert
gestanden". Ganze Scharen von Juden seien auf
der Flucht durch Riehen gekommen und hätten
sich dann in Lörach aufgehalten, seien aber nach
einiger Zeit ins Elsaß zurückgekehrt. Auf Befehl
der Gnädigen Herren von Basel inspizierte der
Riehener Landvogt die Grenze und ließ sie an
manchen Stellen durch Pfähle genauer bezeichnen
. Als im Jahre 1792 die Schweizer Regimenter
, welche im Dienst des französischen Königs
standen, aufgelöst wurden, hat man bis zu ihrer
endgültigen Entlassung immer wieder Offiziere
und Mannschaften dieser heimgekehrten Truppen
zur Grenzwacht in Riehen einquartiert.

Das Jahr 1796 brachte größere Kriegshandlungen
zwischen den französischen Truppen und
den Kaiserlichen. Es ging um die starke französische
Festung in unmittelbarer Nähe von Basel,
um Hüningen und um das Werk auf der Schusterinsel
. Ein Zürcher Kontingent von vierzig Mann
lag in Riehen, das durch die Bürgerschaft verstärkt
wurde; auch zwei Geschütze mit sechs
Kanonieren trafen aus Basel ein. Der Angriff
der Kaiserlichen auf Hüningen wurde von den
Franzosen nach einem heftigen Artillerieduell
abgewiesen. Schultheiß beschreibt diese Kampfhandlung
, die sich vor den Augen der Riehener
abspielte, anschaulich: „Da unter einem fürchterlichen
Kanonenfeuer etliche Stunden nicht anderes
gewesen, als wann der Himmel mit einem
Wetter offen stünde. Da hat man feurige Kugeln
gesehen über das Weil-Feld fliegen wie Vögel in
der Luft! Hernach ist das Kanonieren hier täglich
vor sich gegangen, daß man es nicht mehr
geachtet. Die Bürgerschaft aber tags und nachts
in Montur, die Älteren des nachts stark mit der
Wacht belegt worden, daß man in keiner Scheuer
wie sonst hat tröschen können". —

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