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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1963-10/0014
einer Umschau ein Meister erklärte, er habe
Arbeit, diese anzunehmen. Gedacht, getan. Vorsichtshalber
ließ ich aber dem Tiroler den Vortritt
. Daß dies klug gehandelt war, zeigte sich
sofort. Wir stiegen in einem Hause die Treppe
hinauf und läuteten. Sobald der Tiroler sagte:
„Zwei zugereiste Schneider bitten um ein Geschenk
!", antwortete der Meister: „Sehr erfreut,
ich kann Sie beide gut gebrauchen, geben Sie
mir Ihre Wanderbücher!" Während nun der Tiroler
zögernd sein Wanderbuch aus der Tasche zog,
machte ich kehrt und sprang die Treppe hinunter
und zum Städtchen hinaus. Daß ich den Tiroler
als Reisegefährten verlor, bedauerte ich. Er war
ein guter Kamerad und angenehmer Gesellschafter
gewesen.

Der Winter 1858/59 war sehr lang und streng.
Hohe Kälte setzte bereits Mitte November ein.
Ein Streit mit dem Meister veranlaßte mich,
schon am 1. Februar trotz Kälte und Schnee, auf
die Reise zu gehen. Ein Breslauer schloß sich mir
an. Wir marschierten zunächst nach München,
woselbst wir vergeblich um Arbeit anklopften.
Nunmehr marschierten wir weiter über Rosenheim
nach Kufstein. Der Eintritt nach Österreich
machte uns Kopfzerbrechen. Damals wurde an
der Grenze von jedem Handwerksburschen, der
nach Österreich wollte, der Nachweis von fünf
Gulden Reisegeld verlangt. Diese hatten wir aber
nicht. So verfielen wir auf die Idee, von der letzten
bayerischen Station die Bahn nach Kufstein
zu benutzen. Um möglichst als Gentlemen auszusehen
, putzten wir extra fein unsere Stiefel und
Kleider und steckten einen weißen Kragen auf.
Unsere List hatte den gewünschten Erfolg. Unser
sauberes Aussehen und die Tatsache, daß wir mit
der Bahn ankamen, täuschte die Grenzbeamten,
sie ließen uns unbeanstandet passieren. Bei starker
Kälte und hohem Schnee ging die Reise zu
Fuß durch Tirol. Die Kälte und der Schnee trie-

Dr. E. Scheffelt:

Bei Laufen gibt es ein Rebgewann „Vogelgesang
"; es wächst ein köstlicher Wein dort. Doch
wir wollen hier nicht von Gewann- oder Flurnamen
reden, mögen sie auch noch so ansprechend
sein, sondern von richtigen Vogelgesängen.

Ich beginne mit einer Amsel, die vor zwei
Jahren in den Gärten an der Blauenstraße hauste
und nur ein Lied kannte: Fuchs du hast die
Gans gestohlen, „gib sie wieder her". Es war
offen gestanden ein wenig langweilig. In anderen
Jahren hatten wir Amseln, die einen so großen
Melodienreichtum vom Dachfirst herabschmetterten
, daß die Mannigfaltigkeit ihres Gesanges
hier nicht wiederzugeben ist. Und heuer!
Zu meinem Erstaunen hörte ich von einer Amsel
dauernd den Ruf „Diorit". Da ich ein wenig von
Geologie und Mineralogie verstehe, kam mir das
Wort bekannt vor. Diorit ist ein granitähnliches,
körniges bis dichtes Tiefengestein und enthält
besonders Kalknatronfeldspat, auch Hornblende.

ben die Gemsen aus dem Gebirge herab, deren
Lockrufe wir auf dem Marsch in der Abenddämmerung
hörten. Sehr verwundert waren wir,
beim Fechten reichlich Geld zu erhalten und
zwar in Kupferstücken in der Größe unserer
heutigen Zweimarkstücke. Als wir am ersten
Abend in das Gasthaus traten, trugen wir schwer
an der Last der erfochtenen Münzen. Als wir
aber am nächsten Morgen unsere kleine Rechnung
beglichen, mußten wir den halben Wirtstisch
mit diesen Kupfermünzen bedecken. Es
stellte sich heraus, daß dieselben in wenigen
Wochen wertlos wurden, weil die österreichische
Regierung neue Münzen herausgegeben hatte. So
löste sich das Rätsel von der großen Freigebigkeit
, und man war froh, das wertlos werdende
Geld los zu seiji.

Endlich marschierten wir nach einer Reihe
von Tagen über Reichenhall nach Salzburg, das
wir an einem Nachmittag bei wundervollem
Sonnenschein erreichten. Wir standen wie gebannt
, als wir bei dem Marsch um einen niederen
Gebirgsrücken, den Mönchsberg, die Stadt mit
ihren vielen Kirchen und der italienischen Bauart
, überragt von der Feste Salzburg, vor uns
liegen sahen.

Was mir in späteren Jahren als ein Rätsel
erschien, war, daß ich von all den Märschen, bei
denen ich oft bis auf die Haut durchnäßt wurde
und jämmerlich fror, nie eine ernste Krankheit
davontrug. Meine Kleidung war keinesfalls solchen
Strapazen angepaßt, wollene Unterwäsche
oder ein Uberrock war ein unbekannter Luxus,
und ein Regenschirm w^re für den wandernden
Handwßrksburschen ein Gegenstand des Spottes
und des Hohnes geworden. Oft bin ich morgens
noch in feuchte Kleider geschlüpft, die am Tage
vorher durchnäßt worden waren und am nächsten
Tage das gleiche Schicksal erfuhren. Jugend
überwindet viel!

Ende Juni hörte das „Diorit" auf und normaler
, abwechslungsreicher Amselgesang trat an
seine Stelle. Hoffentlich ist dem Diorit-Rufer
nichts passiert, denn vier Katzen schweifen durch
unsere Gärten.

Nahe verwandt mit der Amsel ist die Singdrossel
. Hauptunterschied: sie ist ein Zugvogel.
Aber im Februar ist sie wieder da, auch wenn
noch Schnee am Hochblauen liegt. Unter ihren
Jubelrufen höre ich oft das Wort „Judith" heraus
. Ich sah im vergangenen langen Winter auch
eine Rotdrossel aus Skandinavien und die Misteldrossel
, die mit 27 cm Länge als größte europäische
Drossel bezeichnet werden kann. Am Bel-
chen haust die Ringdrossel; das Männchen mit
breitem, weißem Brustechild.

Jetzt wollen wir uns dem „schüchternen, hilflosen
, frierenden" Rotkehlchen zuwenden. Vor
Jahren beherrschte ein solch hilfloses Vögelchen
wochenlang unser winterliches Futterbrett; mit

33ogelgefang

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