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Bürgermeister und Rat hatten sich picht geirrt
, wenn sie einen Gegenkandidaten vermuteten
. Schon am Tag darauf saß der Schulmeister
Dominicus Rößler vor seinem sauberen Bogen
Papier^ den der Baselstab im Wasserzeichen
schmückte und schrieb:
„Nach dem dem Allmächtigen Gott belieben
hat wollen, Herrn Carolum Mehr, des beständi-r
gen Raths alhier und V.Ö. Zollern Sub hesterno
von diesem Zeithlichen in das Ewige, wie From
zu glauben, zu sich zu nehmen, mithin durch
disen Todtfahl das Zoll Ambt Vacirend worden,
zu welchem Meine Gnädig gebittende HhEre, wie
vermuthlich ohne anstandt, Einen anderen darzu
Tauglichen annehmen werden, als komm ich
unterschriebener Bürger und jetzmahliger Schulmeister
gehorsamb unterthänig bey Euer Excellenz
und Gnaden zu bitten und umb das Vaci-
rende Zoll Ambt anzuhalten, die geruhen dan
mich in Gnaden anzusehen, und daßselbe mir
gnädigst zu conferiren, in welchem alle Satis-
faction zu geben verspreche, gestalten schon
ä potiori versehen, die Rechnungen darüber ge-
stelt und beschrieben, wodurch die beste infor-
mation bekommen^ habe: Lebe also getroster
Hoffnung, es werden Euer Excellenz und Gnaden
mich vor anderen recommendirt haben;
Deren Gnädigen gewärung getröstend, verharre
zu sein mit allergehorsambster Unterthänigkeit
und respect
Euer Excellenz und Gnaden
Neüenburg den 27ten Xbris 1742
Unterthanigst-rgehorsambster Diener
D'cus Rösler
Mit Dominicus Rösler trat ein Mann auf den
Plan, der auf die innere Geschichte Neuenbürgs
von größtem Einfluß wurde. Er war Schulmeister
, bewarb sich hier um den Posten eines Zollers
, wurde später Bürgermeister und schließlich
Rheininsel-Inspektor. Er war auf jedem Posten
zu gebrauchen, mußte aber auch die ganze Herzlosigkeit
des staatlichen Räderwerks schmerzlich
verspüren. Doch davon wird erst später die Rede
sein. Daß er selber ein Herz besaß, hat er zwanzig
Jahre später im Falle der frierenden Griß-
heimer bewiesen. Aber das war gerade das Gefährliche
für ihn. Noch ist es ni6ht so weit., Die
Vorsehung verhüllt dem eifrig' Schreibenden
noch die Zukunft, und die Hoffnung malt ihm
bunte Bilder.
Gleichzeitig sitzt ein anderer Mann über seinem
Papier, es hat ein Johanniterkreuz mit einer
Krone darüber als Wasserzeichen. Es gelüstet
ihn ebenfalls nach der Stellung eines Kaiser-
Zollers, und er hält sich keineswegs für weniger
geeignet dafür. Er ahnt noch nicht, daß wenige
Wochen darnach schon die Behörde zu Freiburg
ein Zollfahndungsschreiben gegen ihn erlassen
wird. Wollte hier der Bock zum Gärtner gesetzt
werden? Er schrieb:
„Alldieweilen der Königl. v.ö. Zolldienst der
Statt Newenburg durch den Todtfahl Carl Möhrs,
geweseten alldasigen Zollers in erledigung ge-
khommen undt nicht zu zweiflen ist, Ewer Exzellenz
ündt gnaden wenden dise erledigte Stell
mit einem anderen tauglichen Subjecte hinwkler
bey nechstem zu ersetzen gemeint seyn: ich aber
»beraiths in zerschiedenen Vorfallenheithen zu
allerhöchst - Landtfürstl. Diensten mich gebrauchen
und meine einzige sorg seyn laßen, noch
fernershin meine getrewste Öienste zu prästieren
, zumahlen auch als ein angeseßen und be-
güetterter Burger genugsambe Caution zu laisten
im standt und sonsten in allem deme, was zu
sothanem Dienst erforderlich sey mag, vollständig
undt also unterrichtet bin, das in deßen Ver-
walthung all-vollkhomrnen Satisfaction von mir
gegeben werden solle;
Als gelanget ahn Ewer Excellenz und gnaden
meine unterthänig gehorsambste Bitt, Hochdie*-
selbe geruehen bey widerersetzung eingangs be-
nanthen Zolldienstes auf mich vor anderen in
gnaden zu reflectiren und mir solchen umb so
ehender angedeyhen zu laßen, als ich das landts-
fürstliche intereße nach äußersten Kräften zu
befördern mich jeder Zeith eyfrigst befleißen
werdte. Der ich in getröstung gnädiger willfahr
zu Höchen Hulden und gnaden mich unterthänig
empfehle und in tiefester Submission beharre
Ewer Excellenz und gnaden
unterthänig gehorsambster
Petter Berman
Burger undt schiffman"
Die v.ö. Kammerschreiberei faßt die Bewerbungen
zusammen und legt ihre Stellungnahme
der Regierung vor. Von Rösler wird bemerkt:
„Nun sallen hierauf pflicht schuldigst nit verhalten
, daß waß den Rösler anbelangt, hat derselbe
wan Er änderst seiner Function obligen
will genug mit seinem schull dienst zue Thuen;
welcher zue gleich auch alltäglich dem Gottß-
dienst in der Kirchen beywojinen mueß, folgsamblich
der Zoll außwerts nit wohl besorget
würde, ansonsten derselbe dem ansehen nach
hierzue Tauglich wäre". Dies läßt seine Waagschale
bedenklich ins Schwanken geraten. Nicht
anders ergeht es Bermann: „Betreffendt den
Supplicant Berman ist solcher ein schüffman
undt zue gleich ein ordinärj fuhrman mit güethe-
ren von Newenburg pr anhero, welcher Ebenfahlst
wan derselbe änderst seinem gewerb nachgeht
, nit viell anhaimbisch sein, mithin würde
dem Zollwesen undt dessen Bezug wenig nachgestrebt
werden." Möhr, der Kandidat des Rates,
hat die besten Aussichten: „Waß deß Verstorbenen
Zollers Carl Möhrs seel. hinderlaßenen Sohn
Nahmens Johannes Möhr, So Sie Statt Newenburg
anhero zue solchem Zolldienst an recomen-
diret betrifft, Ist solcher Zwahr in Beziehung des
Zohlß undt der Tarriffa Khündtig, auch so viel
wür Ihme Khönen einen Beschaidenen Man."
Ist hier noch daran zu zweifeln, daß die Regierung
sich für Mehr entscheiden wird? So
heißt es auch: „ . .. wollen wür dir ... dasigen,
Zolldienst auf prob und wohl verhalten... in
gnad andeyhen lassen..."
Dieses Schreiben ist datiert vom 15. Januar
1743. Die frohe Kunde ist aber niemals Mehr zu
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