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Fr. Kuhn, Lörrach:
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Im Jahre 1784 wurden auf dem „Sennbuck"
am Weg von Badenweiler nach Obeiweiler die
gut erhaltenen Reste einer römischen Badeanlage
entdeckt und ausgegraben. Sie wurden in der
Folge konserviert und gegen die Unbilden der
Witterung geschützt. In ihrer Ausdehnung und
Erhaltung bieten diese Baureste das eindrucksvollste
Bild 6iner römischen Therme nördlich der
Alpen. Sie ist nur zu verstehen durch ihre Nähe
zu der großen Römerstadt Augusta Raurica am
Hochrhein oberhalb von Basel. Der antike Name
des Badeortes am Fuße des Blauen ist nicht
bekannt.
Die außergewöhnliche Bedeutung des Bades
ergibt sich noch aus einem Fund, der bei den
Ausgrabungen im Jahre 1784 zutage trat. Es
handelt sich um ein Silberblech in Rechteckform,
das zusammengerollt bei der Nordmauer des
Badgebäudes zum Vorschein kam. Es hat die
Maße 6 cm: 4,7 cm und ist arla linken Rande
leicht beschädigt. Das Plättchen trägt eine Inschrift
, die religionsgeschichtlich von großer Bedeutung
und als ältestes Zeichen des Christentums
im Lande Baden zu betrachten ist, es befindet
sich im Landesmuseum in Karlsruhe. Die
Inschrift enthält in der ersten Zeile hebräische
Schriftzeichen, die nicht näher entziffert werden
können, neun weitere Zeilen sind in griechischen
Buchstaben geschrieben. Die Zeilen zwei bis fünf
sind in griechischer Sprache abgefaßt, die Zeilen
sechs bis zehn in Latein. Zeitlich ist der Fund
um das Jahr 200 anzusetzen mit einem größeren
Spielraum nach oben ugnd unten. Die Inschrift von
Badenweiler ist fast einmalig als Beispiel einer
Überlagerung verschiedener Kultureinflüsse in
der Hochzeit der römischen Besetzung unserer
Heimat.
Die erste wissenschaftliche Beschreibung des
Römerbades lieferte 1786 der Hofdiakonus A. G.
Preuschen. In dieser spricht er sich sehr eingehend
auch über die Inschrift des Silbertäfelchens
aus. Nach seiner Meinung handle es sich
um einen Brief, den ein gewisser Nathan von
ALBA AKRA an seinen Freund gerichtet habe,
der sich im Bad zu Badenweiler befand. Diese
Deutung, wie auch gewisse Schlußfolgerungen
über Juden und Christen in Badenweiler halten
einer Prüfung nicht stand.
In den folgenden hundert Jahren haben eine
Anzahl von Autoren sich um das Verständnis
der Inschrift bemüht. Schritt für Schritt gelang
es, das Geheimnis zu lüften, soweit dies überhaupt
möglich erscheint. Inzwischen sind mehr
als fünfzig Jahre vergangen, daß letztmals eine
kritische Zusammenfassung gegeben wurde. Bei
der kulturgeschichtlichen Bedeutung der Inschrift
von Badenweiler ist es angebracht, sie unserer
Zeit wieder nahezubringen.
Das Silbertäfelchen enthält zehn Zeilen. Die
erste Zeile besteht aus einer Reihe von Zeichen,
deren Sinn dunkel ist und der nur den Eingeweihten
und Wissenden bekannt war. Anderen
blieb es überlassen, den Inhalt gläubig zu ahnen
und zu schauen. Die Beziehungen zur hebräischen
Kabbala (= Überlieferung), einer jüdischen Geheimlehre
und mystischen Religionsphilosophie
ist* unverkennbar.
Auch die ersten Zeichen der zweiten Zeile
sind undeutbar. Dann wird Sabaoth angerufen
und in der dritten bis fünften Zeile eine Reihe
von Göttern und Dämonen. Einer von diesen sei
namentlich, genannt: ABLANATHANALBA. Diese
Buchstabenfolge ist derart, daß sie vor- oder
rückwärts gelesen, sich gleich bleibt. Ein sprechendes
Beispiel für die Hintergründigkeit der
angewandten Wortspiele.
Bis Zeile 5 war die Inschrift in griechischer
Sprache gehalten und in griechischen Buchstaben
abgefaßt. Von der 6. Zeile an wird die lateinische
Sprache verwendet, die griechischen Schriftzeichen
werden beibehalten. Die dämonischen
Mächte, die in den Zeilen zwei bis fünf genannt
sind, werden in lateinischer Sprache angerufen,
die Kinder einer Mutter Leibia, mit Namen
Luciolus, Acheilos und Marcussa vor allem Unheil
zu schützen.
In der Inschrift von Badenweiler haben wir
ein sprechendes Beispiel einer Weltanschauung,
in der hebräische, orientalische, ägyptische und
christliche Gedanken mit Ideen der griechischen
Philosophie und Astrologie zusammenfließen.
Man bezeichnet diesen Versuch, alle diese religiösen
Weltanschauungen auf einem Nenner zu
vereinigen, als Synkretismus. In der alten Zeit
sprach man von der „Gnosis" ( = Erkenntnis,
Wissen). Die Anhänger dieser Geistesströmung
nannte man „Gnostiker".
Die Gnosis war eine Weltanschauung, von der
es lange Zeit so schien, als ob sie mit dem
Mithraskult, der andere Elemente des christlichen
Glaubens verwendete, dem aufkommenden
Christentum des 2. und 3. Jahrhunderts den
Rang ablaufen werde. Blieb e$ doch jedem überlassen
, den Teil der Lehren, die er verstand oder
die ihn ansprachen, zu übernehmen. Der Okkultismus
des Orients, verbunden mit griechischer
Philosophie, mit christlichen und jüdischen Lehren
und Symbolen, gab in seiner Mischung jedem
was er brauchte. Zu diesem Bild gehört
auch die Übersteigerung der Gefühle. Manche
Kulthandlungen, Reinigungsriten und Prüfungen
zur Erlangung von höheren Weihegraden können
wir heute nur als sadistisch empfinden. Kein
Wunder, daß er den Eifer der Kirchenväter auf
den Plan rief. Sie erkannten die Gefahr der
„Gnosis" gefühlsmäßig und in ihren Erfolgen.
Dazu kam noch, daß die gnostische Geheimlehre
sich eng mit der Sehnsucht der breitesten Volksschichten
verband. Im 3. Jahrhundert zeichnet
sich in dem römischen Imperium ein Niedergang
an, gekennzeichnet durch Bürgerkriege und
außenpolitische Niederlagen in harten Kämpfen
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