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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1963-11/0013
Paul Stintzi, Mülhausen:

tanbfüfoft „znmf bem ©trom, htm WarFgcäfledanb gegenüber

Flach und weit ist die Landschaft, die sich
„ennet" dem Rhein, dem Markgräflerland gegenüber
, ausdehnt. Hardt nennt der Elsässer diese
Gegend, die sich von Neubreisach bis zur Basler
Grenze zwischen dem Rhein und dem langen und
teilweise breiten Hardtwald erstreckt. Jenseits
dieses Waldes, über den wir vielleicht ein andermal
berichten, stehen südwestwärts die Hügel
des östlichen oder vorderen Sundgaues vom Mül-
hauser Rebberg, der allerdings keine Reben mehr
trägt, bis zur Volkensberger Höhe (450 m).

Wir möchten, beginnend mit Rumersheim, die
Dörfer längs der Rheinstraße bis hinauf an die
beiden Siedlungen Rosenau und Neudorf, die
man gesondert behandeln muß, den Lesern der
„Markgrafschaft" in freundnachbarlicher Verbundenheit
etwas nahe bringen, sieht man doch
von den weingesegneten Hügeln des Markgräf ler-
landes ganz gut diese Ortschaften, wenigstens
deren Kirchtürme „ennet" dem Strom.

Doch vorerst ein Wort über die Hardt, von
der man früher spöttisch meinte, dort würden
selbst in der Ernte die Spatzen an Hunger zugrunde
gehen (der Ausdruck war etwas drastischer
!). Seitdem um das Jahr 1840 die Rheinregulierung
durchgeführt worden war, hatte sich
die Trockenheit des schon an sich unfruchtbaren
Hardtbodens in beängstigender Weise ausgewirkt:
der Grundwasserspiegel senkte sich mehr und
mehr; die Dorfbrunnen mußten tiefer gelegt werden
, der Mühlbach lag bald trocken, und die
Hardtbewohner, die in heißen Sommern nur eine
spärliche Ernte heimbrachten, standen vor dem
Ruin.

H a r d t b e w ä s s er u n g und Hardtbahn

Wohl dachte man an eine Bewässerung durch
Rheinwasser, aber dieses war nicht zugleich auch
befruchtend, und so blieb das Projekt unausgeführt
. 1887 richteten 28 Gemeinden ein entsprechendes
Gesuch an die Regierung und an den
Landesausschuß von Elsaß-Lothringen. Eine für
damalige Zeiten ansehnliche Geldsumme wurde
auch zur Ausarbeitung des Projektes ausgegeben.
Aber auch dieses stellte fest, daß eine Bewässerung
durch Rhein- oder Kanalwasser, doch ohne
Düngung, keinen Wert hätte. Der Stalldünger
auf der Hardt genügte nicht, Kunstdünger war
besonders damals zu teuer, und so lag auch weiter
der vom Rhein gespeiste Mühlbach von Ottmarsheim
landeinwärts trocken. 21 Gemeinden
hatten nur alle drei Jahre eine Mittelernte, die
ganze Gegend war für die Landwirtschaft verloren
.

Im Jahre 1893 erhielt das Dorf Banzenheim
einen neuen Pfarrer mit Namen Hug. Es war ein
heißer, trockener Sommer, von dem noch lange
gesprochen wurde. Pfarrer Hug konnte sich von
dem Elend auf der Hardt, der Dürre, der Niedergeschlagenheit
der Bevölkerung überzeugen. Es
mußte etwas geschehen. Nun hatte der Pfarrer

einen Bruder, der als Redaktor am „Mülhauser
Volksblatt", der besonders auf dem Land gelesenen
Zeitung, tätig war. Pfarrer Hug benützte
diese Gelegenheit und begann nun einen Presse-
Feldzug in Form gut belegter Artikel und entwarf
einen Plan, der begeisterte Zustimmung
fand. Er wurde nach einer Tagung der Vertreter
der. Hardtgemeinden in Banzenheim durch den
damaligen Bürgermeister Eugen Thuet aus Ru-
mersheim der Regierung unterbreitet.

Dieser Plan war ganz neuartig. Damals nämlich
beschloß der Mülhauser Gemeinderat die
Neuregelung der städtischen Fäkalienabfuhr und
die Anlage einer Schwemmkanalisation. Pfarrer
Hug schlug nun vor, die Mülhauser Fäkalien als
Düngemittel zur Hardtbewässerung zu benützen
und so gleichzeitig das Problem der Abfuhr der
Mülhauser Fäkalien zu lösen. Redaktor Hug verteidigte
dieses Projekt, der Pfarrer von Banzenheim
verfaßte eine Denkschrift für die Mitglieder
des Landesausschusses, und dieser sprach sich
1896 für diese Doppellösung aus. Zwei Jahre
später begann man mit den kostspieligen Arbeiten
; der Staat baute den Hauptkanal, die Hardtgemeinden
die Zweigkanäle.

Oberhalb Homburg zweigt vom Hüninger
Kanal der Hauptwässerungskanal ab; bei Ottmarsheim
vermischt sich dieses Wasser mit
Fäkalwasser. Der Hauptkanal ist 30 Kilometer
lang. Bei Ottmarsheim, dort, wo sich an der
Straße Ottmarsheim—Rixheim ein pyramidenartiges
Denkmal mit einer entsprechenden Inschrift
erhebt, kreuzt der Wässerkanal den
Fäkalienkanal, zweigt auch ein Speisegraben für
den Mühlbach ab. Schleusen regeln die Zufuhr
der Fäkalien in den Wassergraben. Vom Hauptkanal
führt ein Zweigkanal gegen Homburg, Ottmarsheim
, Münchhausen. Der Fäkalienkanal, der
bei Mülhausen beginnt, ist ein gut Stück überdeckt
; man kreuzt ihn bei der Grünhütte auf der
Straße Neuenburg—Mülhausen und mit der
Bahnlinie; die starke stinkige Ausdünstung zeigt
meistens Witterungswechsel an.

Am 28. Mai 1908 fand die feierliche Einweihung
des Denkmals und der Hardtbewässerung
im Beisein des Statthalters und der Vertreter
der Zivilverwaltung sowie der Abgeordneten
statt. Den Namen des Banzenheimer Pfarrers
hatte man bei den Feier allerdings nicht erwähnt,
und die Inschrift auf dem Denkmal besagt nur,
durch die Anlage seien sechzehn Gemeinden,
d. h. 3000 qkm Ackerboden bewässert worden.

Die Ausführung der Hardtbewässerung war
eine hervorragende Tat zur wirtschaftlichen Rettung
einer von der Natur nicht begünstigten
Gegend. Aber mit dem Bau des Rheinseitenkanals
stellte sich das Problem aufs neue. Seit
1953 dient der Hauptkanal dem neuen Bewässerungskanal
, der sein Wasser dem Rheinseitenkanal
entnimmt und in dem vor Jahren immer
wieder durstige Rehe ertranken. Die elsässische

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