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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1963-12/0005
Emil Baader:

Böeitjnridjtebefiutije am ^aifecftul)l

In der Landschaft des Kaiserstuhls, insbesondere
in dem altertümlichen Weinstädtchen Endingen
, haben sich aus Urväterzeiten verschiedene
sinnige Weihnachtsbräuche erhalten. In der
Dämmerstunde des Heiligen Abends tragen die
Kinder Bündelchen von Heu, das für das Eselchen
des Christkinds bestimmt ist, zu ihren Großeltern
. Wenn sie sodann nach Hause kommen,
brennt der Christbaum bereits in hellstem Glanz.
Unter dem Baum steht die schöne Krippe. In
den Endinger Bürgerhäusern gibt es noch besonders
kunstvolle Krippen. Nach der Bescherung
bleibt man in trautem Kreise beisammen. Gegen
Mitternacht aber ziehen Männer^ Frauen und
Kinder, Krüge in den Händen, zu den öffent- ,
liehen Brunnen. Beim ersten Glockenschlag gibt
es um die Brunnen ein großes Gedränge, ein
helles Klirren der Krüge. Jedermann will als
erster seinen Krug mit „Heiliwog", d. h. Weihnachtswasser
füllen. Ist der letzte Schlag der
Glocke verklungen, so sind alle Krüge gefüllt.
Nun hebt ein friedlicher allgemeiner Gesang an:
„Es kam die gnadenvolle Nacht", „Ein Lied laßt
uns jetzt singen", „Stille Nacht, heilige Nacht".
Nie und nirgends erklingen die alten Weihnachtslieder
so schön wie in der mitternächtlichen
Stunde. Zum Abschluß singt man „Großer Gott
wir loben dich". Durch die verschneiten Gassen
begibt man sich, nach gegenseitigem Gutnachtgruß
, nach Hause. Man schüttet aus dem Krug
von dem „Heiliwog" (d. h. die heilige Woge) auf
die Türschwelle des Hauses und spricht beim
Betreten dieser den uralten Segensspruch: „Heiliwog
, Gotteslob, Glück ins Hüs, Unglück drüs."
Alle Familienmitglieder versammeln sich mitten
in der Wohnstube. Jbdes trinkt^ am Tische Platz
nehmend, einen Schluck von dem Weihnachtswasser
. Gesunden bringt es Segen, Kranken

Ida Preusch-Müller, Müllheim:

Genesung. Auch dem Vieh gibt man davon in die
Tränke. Der Rest aber kommt ins Weinfaß!

Uber die Entstehung dieses Endinger Weihnachtsbrauches
, der auch in Ettenheim und anderwärts
in ähnlicher Weise geübt wird, erzählt
man folgendes: In stürmischer Schneenacht wollte
einst ein Endinger Mädchen für seine totkranke
Mutter am Südende des Städtchens, an der sogenannten
Schießmauerquelle, Wasser holen. Als
das Mädchen seiner Mutter aus dem gefrillten
Kruge zu trinken geben wollte, gewahrte es, daß
sich das Quellwasser in roten Wein verwandelt
hatte. Die Mutter trank von dem Wein und ward
darauf gesund. Seit jener Nacht holt man an den
Endinger Brunnen „Heiliwog". Das Wasser der?
Quelle im „Schambach" galt früher für besonders
heilkräftig bei Ohrenleiden. Eine taube Magd, so
erzählt man, erhielt durch den Genuß dieses
Wassers ihr Gehör wieder.

In manchen Endinger Häusern wird am Christtag
eine Christrose ins Wasser gestellt. Aus der
Art ihres Erblühens schließt man auf die Witterung
im kommenden Jahr. Die Witterung in den
einzelnen Monaten wird, wie ' auch anderwärts'
aus zwölf „Losschüsselehen" prophezeit, die aus
Zwiebelschalen hergestellt werden. In die einzelnen
Schüsselchen wird Salz gestreut. Die Schalen,
in denen das Salz verfließt, bedeuten nasse, Schalen
, in denen das Salz trocken bleibt, bedeuten
trockene Monate.

In neueren Jahren werden die Endinger
„Heiliwog-Brunnen" mit kerzenbesteckten Tannenbäumchen
geschmückt. Es ist erfreulich, daß
das alte Kaiserstuhlstädtchen an seinen ererbten
Weihnachtsbräuchen bis zum heutigen Tage
festhält.

Jedes Jahr, wenn die langen Nächte das
nahende Christfest ankünden, gehen meine Gedanken
zu den innnigsten Weihnachtsfeiern, die
wir mit unseren Kindern in Gersbach oben erlebten
.

Nichts war da, was das traulichste Familienfest
auf die Straße stellte. Keine Schaufenster
boten all die vielen Dinge zum Verkauf an, die
ein Kinderherz sich vom Christkind wünscht.
Keine Tanne stand auf dem Dorfplatz, deren
elektrische' Beleuchtung schon Wochen vo£ dem
Heiligen Abend vom Rathaus her ein- und ausgeschaltet
wurde. Nichts störte das Geheimnis
der Christnacht, nichts brach den Zauber der
seligen Dämmerstunde, in der die Kinder sehnsüchtig
auf das silberne Klingeln warteten, mit'
dem das Christkind seine Anwesenheit verkündete
. Und wenn die Türe aufging, strahlte wie
ein großes Wunder der schöne Baum mit seinen

zuckenden, lebenden Kerzenflämmchen mitten in
die zitternden Kinderherzen hinein.

In Gersbach bestand der schöne Brauch, daß
Pfarrer und Lehrer ihre Christbäume selbst im
Gemeindewald holen durften. Der letzte schulfreie
Nachmittag vor dem Fest war gewöhnlich
der große Tag. Da zogen die beiden Lehrer und
„das Fräulein" (die Lehrerin) mit einer Axt in
den Wald und suchten und verglichen, bis die
schönsten Bäume in dem tiefverschneiten MäiS
chenwald gefunden waren.

Bei uns gab es jedesmal Schwierigkeiten, bis
der Baum richtig stand, denn nur eine Ecke im
Eßzimmer war geeignet, ihn hinzustellen. Unglücklicherweise
war diese die höchstgelegene des
Zimmers, denn der Boden senkte sich in allerhand
Graden nach der1 Türe zu. Zuerst versuchten
' wir, die unteren Äste der Rückseite mit

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