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' Sein Staatsgut, eine achtunggebietende Kopfbedeckung
, ist aus schwerem, sdiwarzem Filz,
mit Goldlitzen und -tressen verziert. Er wiegt
ein halbes Kilogramm, ist etwa 50 cm lang ünd
35 cm hoch. Leider weiß man nicht, wo sein
Degen in schwarzer Lederscheide mit gelbem
Ortband geblieben ist, dessen vergoldetes Gefäß
mit einem Äskulapstab verziert war. Hut und
Degen trug er bei feierlichen Anlässen zu seiner
schönen Uniform. Tabaksdose »und Hut sowie ein
schöner silberner Kelch mit dem Dankschreiben
einer Patientin befinden sich ebenfalls noch im
Besitz von Frau Engler.
(Fortsetzung folgt.)
Max Rieple:
flöeinfeligcö Keidjenturier (Kiquetutyt:)
Reichenweier, das bis 1796 zu den linksrheinischen
Besitzungen Württembergs gehörte, wird
nicht umsonst das elsässische Rothenburg genannt
. Wie jenes Städtekleinod an der Tauber
hat auch Riquewihr sein gesamtes Ortsbild in
seltener Reinheit bewahrt.
Statt feindlicher Truppen drängt heute an den
fast unversehrt gebliebenen Mauergürtel ein unübersehbares
Heer von Weinstöcken heran und
setzt von den sanften Hügeln aus zum friedlichen
Angriff auf die Stadt an. Schon das alte, den
elsässischen Weinen gewidmete Sprichwort:
„Zu Thann im Rangen,
Zu Gebwiller in der Wannen,
Zu Türckheim im Brand,
Wächst der beste Wein im Land;
Doch gegen den Richenwihrer Sporen
Hant sie alV das Spiel verloren".
preist den berühmten Weißwein als den besten
des Landes. Um Reichenweier besonders hart zu
züchtigen, ließ der Bischof von Straßburg im
1$. Jahrhundert bei einer Strafexpedition gegen
die Stadt die Soldaten von dem köstlichen Wein
trinken soviel sie wollten und konnten und den
Rest — es war noch übergenug — als wertvollste
Siegesbeute in Fässern nach Straßburg bringen.
Auch Voltaire schien den Wert der Reichen-
weierer Weinberge genau gekannt zu haben. So
lieh er zwar 1752 dem stets verschuldeten Herzog
von Württemberg - Montbeliard, Karl Eugen,
die riesige Summe von 500 000 Livres, ließ sich
aber dafür wohlweislich die Reichenweierer
Weinberge verpfänden.
Es ist kein Wunder, daß viele der hier ansässigen
Familien seit Jahrhunderten Weingärtner
sind und, aus tiefen Kellern der eigentümliche
Duft des Weines steigt. Er durchweht die
alten Straßen, die malerischen Höf6 und umhüllt
die Fachwerkgiebel. Zur Zeit der Weinlese stehen
dickbauchige Fässer in der Straßenenge, und
mit froher Miene tragen die Winker den Traubensegen
in übervollen Gelten heimwärts. Dann
verwandeln sich viele der Häuser in Straußwirtschaften
. Man sitzt am Rande der Hauptstraße
auf den rasch aufgestellten Bänken und Stühlen,
knackt die Walnüsse, zieht die Haut vom elfenbeinweißen
Fleisch, genießt sie zusammen mit
würzigem -Bauernbrot und trinkt dazu den
„Federweißen", der es wahrlich in sich hat.
Kaum können noch die engen Straßen den
Menschenstrom fassen, der heutzutage oft durch
die beiden Tore hereinflutet. Lange haben sich
diese ja schon für die friedlichen Eroberer geöffnet
, die zu jeder Jahreszeit kommen, um sich
von der einzigartigen Stadt verzaubern zu lassen.
Während andere elsässische Orte meist nur einzelnen
Kunstwerken ihren Ruhm verdanken, ist
Reichenweier in seiner Gesamtheit ein städtebauliches
Kunstwerk, eine wahre „Fundgrube
für > Hausarchitektur!"
Wir betreten das Städtchen durch die Toreinfahrt
des 1809 erbauten klassizistischen Rathauses
, wenden uns nach links und stehen vor
dem 1530 erbauten Schloß der Grafen und Herzöge
von Mömpelgard - Württemberg, denen die
Herrschaft Horburg - Reichenweier von 1324 bis
1801 gehörte. Einer von ihnen/ „leFou", der Narr
genannt, führte in der friedlichen Stadt ein solches
Schreckensregiment, daß Erzherzog Ferdinand
von Österreich den Gewalttätigen einsperren
ließ. Sein Sphn hingegen lebt heute noch in
der Erinnerung der Reichenweierer als großherziger
und pnachtliebender Fürst fort. Rasch
ging es nun mit der Herrschaft bergab. Als Ludwig
XIV. das Elsaß besetzte, fiel der Württemberger
bei der Begrüßung durch die Ärmlichkeit
seines Aufzuges auf.
Nachdem 1796 Reichen weier an Frankreich
gekommen war, fand das Schloß als Schule Verwendung
. Eine Gedenktafel sagt, daß hier 1484
der durch Hauffs Lichtenstein bekannte Herzog
Ulrich von Württemberg und ebenso Herders
Gattin, Maria Karoline Flachsland am 28.1.1750
geboren wurden.
In der Hauptstraße bilden altertümliche Häuser
links und rechts Spalier, jedes ein Museumsstück
, das aber heute noch von Leben erfüllt ist.
Der berühmte schwäbische Baumeister Schickhart
beschenkte den untersten Teil der Hauptstraße
mit einem, die Eigenart seines Stiles bekundenden
Bau. Mit reizvollem Erker, einer
interessanten Truppe und einer an den harten
Winter von 1709 erinnnernden Inschrift grüßt
linker Hand das Haus Behrel. Ihm gegenüber
erwartet uns das 1535 erbaute Häus Liebrich,
genannt „zum Storchennest". Von geschmiedetem
Wirtshausschild schaut der für das Elsaß typische
Storch auf eine hölzerne, den Hof umziehende
Galerie. Mit geschnitzten Kapitälen stemmen sich
gedrehte Hol&säulen wie Spindeln von Weinpressen
unter das altersbraune Gebälk, geschmückt
mit dem erregenden Rot blühender
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