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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1964-03/0008
von 9—12 oder 4—7 Uhr. Noch in einem Bericht
vom Mai 1869 wurde erwähnt, daß die Kinder in
der Druckerei ausschließlich als Streicher beschäftigt
würden. Ihre Arbeit sei eine außerordentlich
leichte und unbeständige. Man sähe
die Knaben am Boden bei ihren Farbkästen
sitzen, Schulaufgaben machen und nur zur Zeit
des Bedarfs aufspringen und Farbe auftragen.
Auch seien die Arbeitsräume noch größer, heller
und luftiger als diejenigen der Baumwollspinnereien
und der Seidenbandweberei, und die
Längsseiten des Drucksaales beständen fast aus
lauter Fenstern.

Die Fabrikschule blieb bis 1875 bestehen.
Dann wurden die jugendlichen Arbeiter und
Arbeiterinnen von der gemischten Volksschule
aufgenommen, die Schulbänke leihweise abgetreten
, der bisherige Lehrer der staatlichen Institution
für täglich drei aufeinanderfolgende Vormittagsstunden
zur Verfügung gestellt und von
der Firma weiterhin allein besoldet. KBC behielten
sich aber das Recht vor, die Fabrikschule
dann wieder einzurichten, wenn die öffentliche
Knabenschule derart erweitert werden sollte,
daß ihre jugendlichen Arbeiter sowohl am Vor-
als am Nachmittag unterrichtet werden müßten.

Ob wohl J. P. Hebel von jenem Ausruf gehört
hatte, mit dem der fallende Schnee als Baumwollregen
bezeichnet worden war? Jedenfalls
glaubte der Inder Pascal, den Gaupp als Diener
aus Ostasien mitgebracht hatte, die weißen Flok-
ken seien die Faserbündel der Baumwollpflanze
seiner Heimat. Es ist daher leicht möglich, daß
diese Täuschung Anlaß gab zu Hebels Gedicht
„Der Winter" mit der bekannten Verszeile am
Anfang: „Isch echt do obe Bauwele feil?" . . .

Vielleicht ist diese Deutung aber auch der
Phantasie des Dichters entsprungen, in dessen
Schaffenszeit ja gerade die vermehrte Verarbeitung
der Baumwolle Arbeit und Wohlstand ins
Wiesental brachte.

Konstantin Schäfer:

Eine besondere Quelle des Unfriedens in einer
Gemeinde, aus der genüßlich zu allen Zeiten
geschlürft wurde, war das Verfahren der Bürgerannahme
mit all seinen Folgeerscheinungen.
Wenn man diese fein säuberlich präparierten
und konservierten Akten aus früheren Jahrhunderten
aufschlägt, kann man mit Genugtuung
oder Bedauern feststellen, daß sich am Seelenaroma
der Menschen wenig geändert hat. Hier
sind es zufällig Akten aus Breisach. Sie könnten
genauso aus jedem zivilisierten Ort unseres Erdballs
stammen. Wobei noch die Gerechtigkeit
erfordert zu bemerken, daß sich hierin das Wesen
des Menschen nicht erschöpft. Daß sein Bild Farben
unerhörter Leuchtkraft, brennender Tiefe
und entrückter Vergeistigung umfaßt.

Hier ist es zuerst ein armer verliebter Tropf,
ein Maurer namens Mathäus Keller.

Man schrieb das Jahr 1802. Wenn man bedenkt
, daß es das Jahr war, in dem Napoleon
durch Volksabstimmung Konsul auf Lebenszeit
wurde und er sich anschickte, das Antlitz Europas
zu verändern; das Jahr, in dem der Code
Civil, der Code Napoleon, in Kraft trat, durch
den persönliche Freiheit, Gleichheit vor dem
Gesetz und bürgerliche Gleichberechtigung ihre
praktische Anerkennung fanden, werden wir
den richtigen Hintergrund für die beiden Geschichten
finden, die hier zu erzählen sind.

Es war also ein armer verliebter Tropf, ein
Maurer namens Mathäus Keller. Er stammte aus
Nieder-Herckheim im oberen Elsaß und liebte
die Elisabeth Franck aus Altbreisach. Es gibt
natürlich in jeder Kulturnation Menschen, die
besser mit dem Handwerkszeug als mit der Feder
umzugehen verstehen; das sagt gewiß nichts
Ausschließliches über den Wert eines Menschen
aus oder über das Land, aus dem er stammt. Er
jedenfalls unterzeichnete sein Gesuch an den

Magistrat von Altbreisach um Ehegenehmigung
und Bürgerannahme mit einem bescheidenen
Kreuzlein. Die Stadt sah auch hierüber weg: Sie
beschloß, Mathäus Keller als Bürger aufzunehmen
und nahm ihm 25 Gulden in den Stadtsäckel
und 15 Gulden in die Spitalkasse ab, „dan doppelte
Gebühr für Widefähl und 2 Füer Eymer
in natura".

Bürgerrechte zu vergeben gegen klingende
Gulden war der Magistrat bedenkenlos bereit.
Keineswegs aber gedachten die ehrbaren Meister,
sich ihren Verdienst durch einen weiteren Maurer
schmälern zu lassen. Sie verlangten, „daß,
weil das Maurerhandwerk sehr übersetzt sey, er
nicht anders als Bauer oder Taglöhner einzutreten
habe, somit auf die Maurer Profession
Verzicht leisten müsse, welches er dann auch
freywillig gethan".

Mag es sein wie ihm wolle. Er verkaufte für
seine Liebe sein Erstgeburtsrecht als Maurer.
Das menschliche Fühlen und Trachten ist schwer
zu entwirren und zu deuten. Vielleicht war es
auch nur die Liebe der Elisabeth Franck, über
deren Erfüllung er in die Bürger- und Meisterrechte
in der Stadt Breisach einzuschlüpfen
hoffte.

Als Tagelöhner war er in die Bauernzunft
einzugliedern, obwohl er seinem erlernten Handwerk
nach Anspruch darauf gehabt hätte, in die
Herrenzunft aufgenommen zu werden.

Hier beginnt nun die Posse, denn die Metzgerzunft
versucht, den Gedemütigten für sich zu
angeln, um sich die großartige Gelegenheit nicht
entgehen zu lassen, der Bauernzunft einen
Streich zu spielen. Das ganze Städtchen droht
hintereinander zu geraten. Der Magistrat gerät
in die größten Schwierigkeiten. Er will es weder
mit der Bauernzunft noch mit der Metzgerzunft
verderben und drückt sich darum vor einer eige-

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